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107, Nr. 9, 1.5.2017, (1046)

Was soll das EU-Dienstleistungspaket?

Am 10. Januar 2017 stellte die EU-Kommis-

sion das sogenannte Dienstleistungspaket

vor, das sich mit den Vorschriften und Regle-

mentierungen von Freiberuflern beschäf-

tigt. Damit will die Kommission neue Impul-

se für den Dienstleistungssektor setzen, also

das Wirtschaftswachstum in Europa ankur-

beln. Dazu sollen bürokratische Hürden für

Unternehmer und Freiberufler abgebaut

werden – so sagt es die EU-Kommission

zumindest. Kritiker werfen ihr das genaue

Gegenteil vor.

Wie argumentiert die EU-Kommission?

Dienstleistungen machen etwa zwei Drittel

der Wirtschaftskraft der EU aus und schaffen

etwa 90 Prozent der neuen Arbeitsplätze.

Dennoch bleibe der Dienstleistungssektor

hinter seinen Möglichkeiten zurück. Mithilfe

des Dienstleistungspakets will die Kommissi-

on daher Dienstleistern helfen, administrati-

ve Hürden zu überwinden.

Mit welchen administrativen Hürden haben

Dienstleister zu kämpfen?

Ein Beispiel bringt es auf den Punkt: Ein

deutscher Dienstleister, der in Frankreich

vorübergehend einen oder mehrere Auf-

träge im Baubereich durchführen möchte,

ohne sich dort niederlassen zu wollen,

braucht momentan zwingend eine in Frank-

reich abgeschlossene Versicherung, um

gegen eine zehnjährige Gewährleistungs-

frist abgesichert zu sein.

Was beinhaltet das EU-Dienstleistungspaket?

Vier verschiedene Maßnahmen sind im

Dienstleistungspaket gebündelt, wobei nur

eine dieser Maßnahmen – ein sogenannter

Richtlinienvorschlag für eine Verhältnismä-

ßigkeitsprüfung für nationale Vorschriften

für Freiberufler – für die Gesundheitsberufe

überhaupt relevant ist.

Warum will die EU-Kommission eine Ver-

hältnismäßigkeitsprüfung einführen?

EU-Dienstleistungspaket

Das Paket, das keiner haben will

„Neue Übergriffe der EU-Kommission“, „Berufsrecht in Gefahr“, „Massiver Ein-

griff in die Selbstverwaltung“: Das neue Dienstleistungspaket der EU-Kommission

soll Wachstum bringen – aber erst einmal

erntet es herbe Kritik.

Mit der Verhältnismäßigkeitsprüfung will

die Kommission mehr Transparenz für Be-

rufsvorschriften schaffen: Die EU-Mitglied-

staaten sollen in Zukunft schon im Vorfeld

prüfen, ob neue oder geänderte nationale

Berufsvorschriften gerechtfertigt, notwen-

dig und verhältnismäßig sind. Ziel ist,

eine bessere Vergleichbarkeit zwischen den

Mitgliedstaaten herzustellen.

Die Kommission listet elf Kriterien auf, die

im Zuge einer Verhältnismäßigkeitsprüfung

von den Mitgliedstaaten im Einzelnen zu

prüfen sind. Dazu gehören die Gefahrenge-

neigtheit einer Tätigkeit und deren Komple-

xität und die dafür erforderliche Berufsquali-

fikation. Zusätzlich sollen die kumulativen

Effekte bereits bestehender berufsrechtlicher

Vorgaben wie Fortbildungspflichten, Rechts-

erfordernisse, obligatorische Mitgliedschaf-

ten in Kammern und Verbänden analysiert

werden.

Aus gesundheitspolitischer Perspektive wird

diese Maßnahme massiv gerügt. Die Kritiker

sehen hier das Subsidiaritätsprinzip gefähr-

det, das darauf abzielt, dass eine übergeord-

nete Instanz nur dann regulierend, kontrol-

lierend oder helfend eingreift, wenn die klei-

nere Einheit dazu nicht der Lage ist.

Inwiefern wird das Subsidiaritätsprinzip ge-

fährdet?

Kritiker werfen der EU-Kommission Regu-

lierungswahn vor. In Deutschland werden

Berufsvorschriften bereits geprüft – durch

die Berufskammern, die Selbstverwaltung

sowie die Landes- und Bundesregierung –

und zwar verpflichtend auf Basis des Grund-

gesetzes und der Rechtsprechung des Bun-

desverfassungsgerichts beziehungsweise

des Europäischen Gerichtshofs. So dürfen

Berufsregeln niemanden aufgrund seiner

Staatsangehörigkeit oder seines Wohnsitzes

diskriminieren, sie müssen geeignet, ange-

messen und durch das Allgemeininteresse

Foto: brankospejs/VanReeel – Fotolia

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