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zm

107, Nr. 9, 1.5.2017, (1082)

darauf hingewiesen werden, dass ab einem

gewissen bukkalen Defektgrad auch diese

Therapie ihre Limitierung erfährt.

Kritische Betrachtung

Die forcierten Extrusionen verliefen ohne

Komplikationen. Der Behandlungszeitraum

war speziell im Fall des Zahnes 36 ausge-

dehnt, im Resultat jedoch absolut gerecht-

fertigt. Außer Frage steht, dass die Ergeb-

nisse relativ zeitnah (Zahn 36 nach zwölf

Monaten und Zahn 21 nach fünf Jahren)

nach Versorgung dargestellt werden. Weitere

Nachuntersuchungen von bis zu zehn Jahren

stehen noch aus.

Grundsätzlich gilt, dass innerhalb der Reten-

tionsphase der natürliche Zahn – alternativ

die Wurzelscheibe – als induzierender Faktor

für die Reossifikation der apikalen Extrusions-

höhle dient. Dieser Prozess wird als Dento-

integration in der Literatur umschrieben

[Silva TA. et al., 2004; Schwarz F. et al.,

2016]. Knochenhöhlen in direktem Kontakt

zu Dentin weisen eine deutlich höhere

Reossifikationsrate auf als Knochendefekte

ohne dentointegrativen Stimulus.

Als Bewertungsfaktoren für erfolgreich

erhaltene Zähne nach forcierter Extrusion

definieren wir in der Nachuntersuchung die

gängigen Parameter wie Lockerung, Son-

dierungstiefen, Rezessionen, Entzündungs-

zeichen, Blutung auf Sondierung und gege-

benenfalls Vitalität bei vorab vitalen Zähnen

[Pathak AK. et al., 2016].

Der Grundgedanke ist in der Literatur

bereits in den 90er-Jahren beschrieben wor-

den [Frank CA. et al., 1995]. In der zitierten

Studie wurden ebenfalls parodontal kom-

promittierte Zähne extrudiert. Der Unter-

schied zwischen unserer aktuellen Fall-

darstellung 1 liegt darin, dass damals chirur-

gische Behandlungen mit orthodontischer

Extrusion kombiniert wurden, während wir

heute noninvasiv therapieren.

Die Behandlung des Zahnes 36 führte zur

Verbesserung des Kronen-Wurzel-Verhält-

nisses in Anbetracht der ungünstigen Hebel-

verhältnisse an parodontal kompromittier-

ten Zähnen im Gegensatz zur chirurgischen

Kronenverlängerung. Weitere Kontrollen

sowohl klinisch, parodontologisch wie auch

radiologisch sind essenziell.

Gesetzt den Fall, der in der Falldarstellung

thematisierte Zahn müsste in einigen Jahren

wider Erwarten doch extrahiert werden,

wäre zumindest durch die bisherige

Behandlung mittels forcierter Extrusion der

Kieferkamm soweit regeneriert worden,

dass der Ersatz durch ein Implantat ohne

umfangreiche Augmentation möglich sein

sollte [Alsahaf A. et al., 2016; Amato F. et al.,

2012; Salama H. et al., 1993]. Das Prozede-

re der forcierten Extrusion, wie sie hier

beschrieben ist, zeigt auch in langjährig

nachuntersuchten Patientenfällen stabile

Ergebnisse. Die hier veröffentlichten Falldar-

stellungen entsprechen in der SAC-Klassifi-

kation [ITI] dem Grad besonders schwierig

(C = Complex).

Der beschriebene Patientenfall 2 zeigt einen

konkreten Behandlungsvorschlag für eben

diese Indikation. Über den Stimulus des

Dentins werden im Alveolarknochen osteo-

induktive Mechanismen zur Knochenneu-

bildung angeregt [Schwarz et al., 2016].

Intraoperativ zeigt sich zur Implantation ein

gesunder, stabiler und vollständig ausge-

knöcherter Alveolarfortsatz bereits nach et-

wa zwei Monaten. Im Vergleich zu her-

kömmlichen Methoden der Socket Preserva-

tion ist durch den gänzlichen Verzicht auf

Fremdmaterialien nicht mit einer Behinde-

rung der Knochenregeneration zu rechnen

[Chawaf BA., 2011].

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass

mittels forcierter Extrusion nachweisbar und

reproduzierbar Knochen generiert werden

kann. Die hier publizierten Fälle zeigen

Möglichkeiten auf, mit dieser Therapie be-

reits bekannte pathologische Geschehen

wie die Paro-Endo-Läsion selbst im weit

fortgeschrittenen Stadium adäquat zu be-

handeln.

Selbst als Vorbereitung vor einer Extraktion

wird durch die forcierte Extrusion offen-

sichtlich ein Impuls zur schnelleren Kno-

chenbildung gesetzt. Die temporäre

Repositionierung einer entsprechenden

Wurzelscheibe verspricht den Erhalt des

umliegenden Hart- und Weichgewebes.

Dr. med. dent Gernot Mörig

Oralchirurg Robert Svoboda

Dr. med. dent. Laura Podolsky, MSC

ZahnGesundheit Oberkassel

Schanzenstr. 20, 40549 Düsseldorf

info@za-go.de

Verschiedene Therapieoptionen zur

Behandlung von parodontal und en-

dodontisch kompromittierten Zähnen

sind in der Literatur gut umschrieben

[Schmidt JC. et al., 2014; Sharma R. et

al., 2014], dennoch gibt es trotz jahre-

langer Forschung auf diesem Gebiet

bislang keinen Goldstandard. Im Ver-

gleich zur forcierten Extrusion sind die

in der Literatur umschriebenen Be-

handlungen deutlich invasiver. Grund-

sätzlich wird postuliert, die endodonti-

sche Behandlung der parodontologi-

schen Behandlung voranzustellen,

sofern der Zahn erhaltungswürdig

scheint [Abbot P., 1998; Kobayashi T.

et al., 1990]. Wäre in der Falldarstel-

lung 1 bereits vorab der Zahnerhalt als

definitives Ziel definiert gewesen, wäre

auch hier die endodontische Behand-

lung vorangestellt worden.

Die forcierte Extrusion ist eine Behand-

lungsoption ohne die Verwendung

von Fremdmaterialien und ohne

chirurgische Intervention. Dies unter-

scheidet sie als Therapieoption grund-

legend von anderen in der Literatur

umschriebenen Behandlungskonzep-

ten stark kompromittierter Zähne

[Schmidt JC. et al., 2014].

Paro-Endo-Läsionen

Literaturvergleich

Die Literaturliste kann auf

www.zm-online.de

abgerufen oder in der Redaktion angefordert

werden.

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Zahnmedizin