

zm
107, Nr. 11, 1.6.2017, (1362)
Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist über 300
Jahre alt und stammt aus der Baumzucht.
Mittlerweile hat das Wort das enge Feld der
Waldwirtschaft längst verlassen und Karriere
gemacht. „Nachhaltig“, „grün“ oder „öko“
sind aber nicht klar definiert, als gut klin-
gende Label können sie für alles Mögliche
stehen. Manchmal steckt echte Ressourcen-
schonung dahinter, manchmal nur ein Hauch
Wellness – oder blankes Marketing. Das ist
auch in der Zahnmedizin der Fall.
2003 gründeten Dr. Fred und Ina Pockrass
in den USA eine der ersten „grünen“ Zahn-
arztpraxen. Fünf Jahre später riefen sie die
Eco-Dentistry Association (EDA) mit ins
Leben. Das Ziel der Vereinigung: sich in der
Zahnärzteschaft für Umweltschutz stark zu
machen. Die EDA organisiert Kurse, bietet
Zertifizierungen für Praxen und Produkte an
und will ökologisch bewusste Patienten mit
passenden Zahnärzten zusammenbringen.
Auch beim Kongress der World Dental
Federation 2016 in Posen stand „Green
Dentistry“ mit auf dem Programm. Es tut
sich also was in Sachen Nachhaltigkeit.
Auch in Deutschland?
Es riecht so gut nach Holz!
Eine entsprechende Organisation existiert
(noch) nicht. Aber viele Zahnärzte zeigen
grüne Eigeninitiative – in welcher Form auch
immer. Da ist der Neubau im brandenburgi-
schen Schöneiche, komplett aus heimischem
Lärchenholz und geschmückt mit einem
Gründach. „Ich selbst lebe sehr ökologisch“,
sagt Bauherrin Dr. Heike Kretschmar, „was
ich esse, wo ich privat wohne und wie ich
mit meinen Patienten umgehe. Da lag es
nahe, auch die neue Praxis ökologisch zu
bauen.“ Seit dem vergangenen Jahr bilden
Dr. Kretschmar und ihre Tochter Elisabeth
von Tschirnhaus eine Praxisgemeinschaft.
Mit der lichten, angenehmen Atmosphäre
des Grünbaus sind beide Zahnärztinnen sehr
zufrieden. Das gilt auch für die Patienten.
„Viele sagen beim Reinkommen: ‚Ach, das
riecht hier so schön nach Holz!‘“
Oder die Berliner Zahnarztpraxis „Am Kreuz-
berg“, die auf Ökostrom setzt und als För-
dermitglied den Allgemeinen Deutschen
Fahrrad-Club (ADFC) unterstützt. Auch digi-
tales Röntgen und der Verzicht auf Amalgam
liegen im Trend – vermehrt weisen Praxen
auf ihren Webseiten auf eine solche Umstel-
lung hin und präsentieren so das eigene
Nachhaltigkeitsbewusstsein.
Die grüne Hausnummer
Im saarländischen St. Ingbert gibt es sogar
eine Praxis, die eine EMAS-Zertifizierung an-
gestrebt hat. EMAS ist eine Umweltinitiative
der Europäischen Union, bei der Unter-
nehmen ihre Ökobilanz messen lassen und
verbessern können. Dr. Regine Carl und Dr.
Wolfgang Carl wagten sich an die vielen
Hürden dieser hochrangigen Zertifizierung,
die allerdings reichlich Bürokratie mit sich
bringt: „EMAS ist eigentlich auf Großbetriebe
und den Mittelstand mit entsprechenden
personellen Ressourcen ausgerichtet – für
Kleinbetriebe ist es definitiv zu aufwendig.
Die Beschäftigung mit dem System hat uns
aber durchaus inspiriert“, sagt das Zahnärzte-
Ehepaar. So kam es, dass heute zwar doch
keine EU-Urkunde die St. Ingberter Praxis
schmückt, aber eine „Grüne Hausnummer“.
Die Grüne Hausnummer, die inzwischen
nicht nur im Saarland verliehen wird, ist ein
Prädikat für umweltgerechtes Bauen.
Dass Zahnerhaltung und Umweltschutz gut
zusammenpassen, davon waren die Carls
schon immer überzeugt: „Nachhaltigkeit ist
in der Zahnheilkunde definitiv nichts Neues:
Vorbeugen ist besser als Bohren – der Spruch
ist doch schon lange bekannt.“ Das heißt dann
im ökologischen Kontext: Energie sparen,
Müll reduzieren und Natur erhalten.
Ökologie in der Zahnarztpraxis
Grüne Prophylaxe
Keine Zahnarztpraxis ohne ökologischen Fußabdruck. Doch der lässt sich ein
paar Nummern kleiner machen: beim Bau, beim Umbau und in der täglichen
Arbeit. Was macht eine Praxis nachhaltiger? Und wird „Green Dentistry“ ein
Trend der Zukunft?
Foto: [M] Thaut Images Maksym Yemelyanov_Fotolia.com
72
Praxis