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107, Nr. 11, 1.6.2017, (1364)
Auf Nachhaltigkeit spezialisierte Architekten
lassen sich über die Architektenkammern der
Länder ausfindig machen. Meist gibt es hier-
für eine Listenführung. Auch unterhalten die
Kammern in allen größeren Städten Angebote
für kostenfreie Initialberatungen. Wichtig für
Bauherren ist, sich Experten zu suchen, die
den Überblick im Dschungel der gerade ak-
tuellen Förderungen und Zuschüsse haben.
Wo wird etwa ein Gründach bezuschusst?
Wo winken handfeste Steuervorteile? Und
wo gibt es vielleicht öffentlichkeitswirksame
Initiativen wie die Grüne Hausnummer?
„Energieberatungen werden unter anderem
ebenso unterstützt wie Beratungen zur Nach-
haltigkeit, beispielsweise durch das bafa, die
KfW oder länderbezogene Förderungen“,
erklärt Architekt Ulrich Jung von der Baye-
rischen Architektenkammer. Eins steht fest:
Bewusst Ressourcen-schonend zu bauen, er-
fordert zunächst einmal eine gründlichere
Planung. Auch die Investitionskosten können
höher liegen. In der Regel werden sie aber
durch niedrigere Nutzungskosten wieder
ausgeglichen. Und am Ende steht eine grüne
Immobilie, deren Wert wächst, auch wenn
Rohstoff- und Energiepreise steigen.
Wer neu baut, kann
gestalten
Wer neu baut, hat große gestalterische Frei-
heiten. Doch auch hier heißt es: Besonders
nachhaltig ist ein Standort mit hoher Be-
siedlungsdichte und guter Infrastruktur. Von
Vorteil sind die Nähe zu öffentlichen Ver-
kehrsmitteln und Fußgängerfreundlichkeit
innerhalb der Stadt. Ein Pendlerparkplatz,
ein Supermarkt oder andere Versorgungs-
einrichtungen in Reichweite können dazu
beitragen, dass Autofahrer verschiedene
Termine auf einmal erledigen. Das ist nicht
nur zeitsparend, es reduziert auch die CO
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Emmissionen. Vorhandene Fahrradwege
tragen zu umweltfreundlicher Mobilität bei
– und solide Fahrradständer zum Komfort
für radelnde Patienten und Mitarbeiter.
Wird für den Neubau ein bereits bestehen-
des Gebäude abgerissen, dann sollte gelten:
Bauschutt ist kein Müll, sondern ein Wert-
stoff. Idealerweise wird er von einem Anbie-
ter übernommen, der für das Recycling der
verschiedenen Stoffe sorgt. Wer am bislang
unberührten Standort baut, sollte versuchen,
den Eingriff in die Vegetation so gering wie
möglich zu halten. Welche Bäume müssen
wirklich gefällt werden? Und welche kön-
nen dem Gebäude mit ihrem Schatten im
Sommer als natürliche Kühlung dienen?
Ab in die Sonne
Auch die genaue Planung der Praxisgröße
zahlt sich aus. Viel freier Raum wirkt zwar
optisch luxuriös, aber: Kleiner ist effizienter.
Beim Bau werden weniger Materialien ver-
wendet und im laufenden Betrieb entstehen
weniger Kosten durch Heizung, Kühlung
und Beleuchtung. Und kürzere Wege inner-
halb der Praxis sind gut für die Produktivität.
Eine wichtige Entscheidung fällt mit der Po-
sitionierung des Neubaus. Die Orientierung
nach Himmelsrichtungen hat nicht nur Aus-
wirkungen auf eine schöne oder nicht so
schöne Aussicht. Sie spielt vor allem eine
Rolle, falls die neue Praxis in ein Niedrig-
energiehaus einziehen oder von Solarenergie
profitieren soll. Das natürliche Licht wird am
besten genutzt, wenn die längste Achse des
Gebäudes parallel zur Sonnenbewegung
ausgerichtet ist.
Sonneneinstrahlung – unterstützt von stra-
tegisch gut platzierten Fenstern – kann nicht
nur helfen, die Energiekosten zu senken. Sie
wird generell als angenehm und beruhigend
empfunden. Gleiches gilt für ein bepflanztes
Dach. Das Grün ist nicht nur ansprechend
und wirkt der allgemeinen Boden-Versiege-
lung entgegen, es isoliert auch auf energie-
sparende Weise. Und der Pflegeaufwand
dieser frei wachsenden Klimaanlage hält
sich in Grenzen, wie Gründachbesitzer be-
richten. Wem das trotzdem zu bunt ist,
der kann auf ein Dach in weißer oder
heller Farbe zurückgreifen, das die Sonne im
Sommer reflektiert und die Praxis nicht in
eine Sauna verwandelt.
Baustoffe: think global,
buy local
Ob Neubau oder Umbau – es ist von Vorteil,
sich seine Baustoffe selbst aussuchen zu
können. So können aufwendig produzierte
Materialien wie Stahl, Beton oder Kunststoff
durch biobasierte Alternativen aus nach-
wachsenden Rohstoffen ersetzt werden –
am besten gesundheitlich unbedenkliche
und lokal hergestellte, die keine langen
Transportwege zurücklegen und die hei-
mische Wirtschaft unterstützen. Und recyc-
lingfähige. Denn das ökologische Ideal
nennt sich „Cradle to Cradle“ – von der
Wiege zurück zur Wiege. Dabei werden
Foto: Petmal - iStockphoto.com
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Praxis