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zm

107, Nr. 12, 16.6.2017, (1413)

Es liegt in der Natur der Sache, dass wir uns

in der zm zuvorderst mit Fragen rund um

die Zahnmedizin und deren Einbettung in

das deutsche Gesundheitswesen beschäfti-

gen. Insofern ist Bundesgesundheitsminister

Hermann Gröhe, CDU, – einer der in dieser

Legislatur die Koalitionsvereinbarungen am

fleißigsten abarbeitete – stets im Blickpunkt

unserer Berichterstattung. Manchmal kann

es aber durchaus als Glück bezeichnet

werden, wenn Vereinbarungen aus dem

Koalitionsvertrag keine gesetzliche Umset-

zung finden. Denn der Entwurf aus dem

Haus von Arbeitsministerin Andrea Nahles,

SPD, „zum Rückkehrrecht von Arbeit-

nehmern aus Teilzeit in Vollzeit“ hört sich

zwar gut an, hätte sich aber für viele der

kleinen und mittelständischen Arbeitgeber –

zu denen im Übrigen auch Zahnarztpraxen

zählen – zu einem erheblichen Problem

auswachsen können.

So ein Rechtsanspruch „auf befristete

Teilzeitarbeit“ klingt für Arbeitnehmer

ohne Zweifel gut und passt perfekt in die

politische Phrasenwolke der stetig für die

Bevölkerung zu schließenden Gerechtig-

keitslücken. Denn mit dem Recht auf

befristete Teilzeit wäre nämlich ein Rück-

kehrrecht auf einen Vollzeitarbeitsplatz ver-

bunden gewesen. Wo liegt das Problem?

Die Forderung der SPD lautete schlicht,

dass bereits ab 15 Mitarbeitern dieser

Rechtsanspruch Geltung entfalten sollte.

15 Mitarbeiter! Das sind – aufgemerkt –

nicht 15 Vollzeitangestellte, sondern alle

Mitarbeiter eines Unternehmens, was

auch eine Zahnarztpraxis unzweifelhaft ist.

Je nach Konstruktion – von Praxisgemein-

schaft über Gemeinschaftspraxis und

Labor – kann diese Betriebsgröße auch

bei niedergelassenen Zahnärzten schnell

erreicht sein.

Damit kein Missverständnis entsteht: Nach

der aktuellen Rechtslage haben Arbeitnehmer

nur einen Anspruch auf „unbegrenzte“

Teilzeitarbeit. Diesem Umstand sollte der

„Gesetzentwurf zum Rückkehrrecht von

Arbeitnehmern aus Teilzeit in Vollzeit“

abhelfen. Und damit natürlich auch der

durchaus nachvollziehbaren Befürchtung,

dass so manche Frauen in der Teilzeitarbeit

stecken bleiben könnten, obwohl sie wieder

Vollzeit tätig sein wollen.

Nur: Ist diese Gerechtigkeitslücke wirklich

real? „Grau is alle Theorie, entscheidend

is auf‘m Platz“, so lautete die Erkenntnis

des Fußballers und Trainers Adi Preißler aus

den 50er-Jahren. Wie sieht es denn auf

dem Platz aus? Allseits beklagter Fachkräfte-

mangel, zuhauf unbesetzte Lehrstellen und

Lehrstellenbewerber, die kaum mehr als

minimale Qualifikationen mitbringen.

Das ist die reale Arbeitsmarktsituation.

Selbst wenn ausreichend Arbeitnehmer zur

Verfügung stünden, so fehlt für die heutige

komplexe Arbeitswelt meist die für den

jeweiligen Arbeitsplatz geforderte Qualifi-

kation. Diese muss heutzutage meist der

Arbeitgeber vermitteln. Und erst dann wird

ein Arbeitnehmer produktiv oder anders

gesagt wertschöpfend. Von Letzterem wird

ein Arbeitnehmer im Übrigen bezahlt.

Ein hopp on, hopp off, hopp on stellt

gerade diejenigen Arbeitgeber, die die

Mehrzahl aller Arbeitsplätze in diesem Land

stellen, nämlich die kleinen und mittel-

ständischen Unternehmen, vor erhebliche,

in Teilen sogar unlösbare Probleme. Denn

wenn bis zur Anspruchsberechtigung

bereits sechs Monate reichen (also die

Probezeit), die begrenzte Teilzeit mindes-

tens drei Monate vorher beantragt werden

muss, und nach der Rückkehr zur ursprüng-

lichen Arbeitszeit bis zu einer erneuten

Verringerung wiederum mindestens zwölf

Monate vergangen sein müssen, möge man

mir bitte Folgendes erklären: Wie soll ein

„kleiner“ Arbeitgeber auch nur ansatzweise

eine reale Chance haben, ausreichend aus-

gebildete Mitarbeiter für sein Unternehmen,

seine Praxis, zur Verfügung zu haben, um

all diese Segnungen für seinen Betrieb

leistbar zu machen? Die CDU befürwortete

übrigens eine Betriebsgröße von mindestens

200 Angestellten. Auch diese Unternehmens-

größe ist alles andere als ein Großkonzern.

Und die SPD? Die will nun die entsprechende

Forderung in ihr Wahlprogramm schreiben

...

Foto: zm-Axentis.de

Entscheidend is auf‘m Platz

Dr. Uwe Axel Richter

Chefredakteur

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Editorial