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107, Nr. 12, 16.6.2017, (1420)
„Noch ist die Heilung der Pulpa, beispiels-
weise mithilfe von Stammzellen, eine Vision“,
stellte Prof. Dr. Christian Gernhardt in seinem
Abschlussvortrag „Endodontie der Zukunft“
fest. „Doch die Endodontie boomt und hat
in den letzten Jahren den Hype der Implan-
tologie fast eingeholt.“ Sein Fazit:
Der Erfolg bei Single- und Multi-Visit-
Behandlungen ist laut Studienlage ver-
gleichbar. Allerdings gebe es beim Multi-
Visit-Vorgehen weniger postoperative Be-
schwerden.
Da es keinen evidenten Unterschied
zwischen einer Revision und einer Wurzel-
spitzenresektion (WSR) gebe, gelte: erst
revidieren, dann resezieren.
Wichtig für den langfristigen Erfolg ist
einerseits die endodontische Behandlung
und andererseits die postendodontische Ver-
sorgung in einem angemessenen Zeitraum.
Die Ursachen für Misserfolge liegen in
einer unzureichenden Infektionskontrolle,
unbehandelten Kanälen,
Instrumentenfrakturen,
einer exponierten Wurzelfüllung,
einer unzureichenden koronalen Restau-
ration,
einer Reinfektion,
Perforationen,
Resorptionen,
Traumen, Frakturen und
Zysten, Tumoren.
Ein Thema zog sich wie ein roter Faden
durch die Woche: spülen, spülen und
nochmals spülen: „Mindestens 30 Minuten
und 10ml pro Kanal“, bekräftigte Prof. Dr.
Michael Hülsmann aus Göttingen.
„Mindestens 30 Minuten
und 10 ml pro Kanal“
Hülsmann erinnerte daran, dass die Pulpa
aufgrund ihrer guten Vaskularisierung eine
eigene Immunabwehr besitzt, die aber nicht
so stark ist wie die von peripheren Gefäßen.
Zur Aufgabe der Pulpa als natürliche Ab-
wehrfunktion gehöre auch die nach außen
gerichtete Druckbarriere der Dentinflüssig-
keit. Wenn aber Dentin freiliegt, könnten
Bakterien leichter von außen eindringen, da
das Abwehrsystem dann bereits verletzt sei.
Sehr viel Zeit sollte dafür aufgewendet wer-
den, weitere Kanäle zu finden. „Suchen Sie
alle Kanäle, meistens gibt es immer einen
mehr, als Sie denken! Suchen Sie genau an
den Farbübergängen und in den Winkeln zu
den aufsteigenden Seiten. Wenn Sie die Pulpa
präpariert haben, stechen Sie sehr vorsichtig
und vermeiden Sie eine Via falsa!“ Hülsmann:
„Das Wichtigste zum Kanalauffinden sind:
Trockenheit, Licht, Vergrößerungshilfe (Lupe
oder OP-Mikroskop) und Zeit!“
Dr. Kai Voss aus dem Vorstand der Zahnärzte-
kammer Schleswig Holstein verwies bei
bildgebenden Verfahren auf rechtliche Fall-
stricke: „Für jede Röntgenaufnahme ist eine
zahnmedizinische Indikation zwingend er-
forderlich! Besonders wichtig ist auch eine
umfangreiche Dokumentation.“
Prof. Dr. Jens Türp, Basel stellte verschiedene
Schmerzsymptomatiken in der Mund- und
Kieferheilkunde vor und gab eine gezielte
Anleitung zur Diagnostik. Wichtig: Beim Pal-
pieren sollte der Behandler nie den Finger,
sondern das Palpeter verwenden, um sichere,
reproduzierbare Werte zu erhalten.
Prof. Dr. Dr. Thomas Kreusch, Hamburg, und
Prof. Dr. Dr. Patrick Warncke, Flensburg,
gaben Tipps für den eingespielten Notfall-
einsatz und zeigten, wie man reanimiert
und beatmet.
Dass es mit den Honoraren der gesetzlichen
Krankenversicherung betriebswirtschaftlich
nicht möglich ist, die im Kongress erlernten
Methoden in den Praxen umzusetzen, be-
mängelte der Präsident der Zahnärztekam-
mer, Dr. Michael Brandt. Ein Festzuschuss-
modell wie beim Zahnersatz oder die Auf-
hebung des Zuzahlungsverbots würde allen
Patienten diese modernen Möglichkeiten
erschließen.
Dr. Andreas Sporbeck, verantwortlich für
Konzeption und Durchführung, beendete die
Kongresswoche und dankte den Referenten,
dem Kooperationspartner Deutsche Gesell-
schaft für Endodontologie und zahnärztliche
Traumatologie, und den Teilnehmern. Zur
Jubiläumstagung im nächsten Jahr unter
dem Titel „Sylter Perlen“ ist die Anmeldung
ab Februar 2018 möglich. Der Kongress fin-
det wie immer in der Woche vor Pfingsten
statt.
sp/ck
59. Sylter Woche
Ein Appell zum Spülen
Trotz Strandwetter blieb der Kongresssaal auf Sylt voll: Auf dem Fortbildungs-
kongress der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein „Endodontie von A bis Z“
brachten sich 1.300 Zahnärztinnen und Zahnärzte vor Pfingsten up to date.
„Dem Behandler ist
oft nicht bewusst,
dass es sich bei
der Pulpa um ein
hoch vaskularisiertes
Gewebe handelt, sie
aber nicht über einen
Kollateralkreislauf
verfügt, was besser
zur Immunabwehr
wäre,“ sagte Prof. Dr.
Michael Hülsmann,
Göttingen.
Foto: zm-sp
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