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107, Nr. 12, 16.6.2017, (1422)

Die Nicht-Behandlung der Karies beeinträch-

tigt die Lebensqualität der Kinder und kann

zu Zahnschmerzen führen [Sheiham A.,

2006]. Wenn die Karies behandelt wird,

kommen in der Regel traditionelle Verfahren

zur Exkavation zum Einsatz und die Läsion

wird anschließend mittels Füllungstherapie

oder durch Überkronung verschlossen. Die

Behandlung der Karies und der Endpunkt der

Kariesexkavation werden dabei aktuell kontro-

vers diskutiert [Schwendicke F et al., 2013].

International werden jedoch durchaus Maß-

nahmen eingesetzt, die die klassische Karies-

entfernung nicht als Mittel der Wahl ansehen.

Versucht wird, das Fortschreiten der Karies

lediglich zu verhindern beziehungsweise den

kariösen Prozess zu arretieren. Diese Verfahren

werden dabei aus ökonomischen Gründen

häufig in Ländern ohne effektives Gesundheits-

system eingesetzt [Mattos-Silveira J, 2014].

In den vergangenen Jahren erlebte der

Einsatz von Silberverbindungen eine Renais-

sance. Insbesondere SDF wird gerne einge-

setzt [Bowen DM, 2016; Ishibashi Y, 1978].

Dabei ist das Verfahren nicht neu und wurde

beispielsweise bereits 1978 zur Desinfektion

des Wurzelkanalsystems eingeführt [Bowen

DM, 2016; Ishibashi Y, 1978]. Der anti-

bakterielle Effekt von Silberionen ist seit über

100 Jahren bekannt. Die Applikation von

Silbernitrat, Silberfolien oder Silbernähten

wurde in der Chirurgie und bei Infektionen

beziehungsweise zur Infektionsprävention

im Mundbereich gerne eingesetzt. Silber

(Ag

+

) tötet pathogene Mikroorganismen ab

einer Konzentration < 50 ppm und wird da-

her bei akuten Brandwunden, zur Katheter-

beschichtung, an Krankenhauskleidung

oder auch zur Kariesprävention eingesetzt

[Rosenblatt A et al., 2009]. SDF hat gegen-

über der veralteten Silbernitratverbindung

wegen der fehlenden Nitratgruppe einen

Vorteil [Sharma G et al., 2015].

In einem systematischen Review sollte

daher die Evidenz insbesondere von SDF zur

Kariesarretierung geprüft werden [Sharma

G et al., 2015]. Die Autoren zogen dafür

Publikationen im Zeitraum 1981 bis 2014

heran. Dabei wurden sowohl klinische als

auch In-vitro-Studien berücksichtigt.

Insgesamt konnten die Autoren 73 Artikel

in PubMed/Medline finden, wovon 21 (17

klinische Studien und vier In-vitro-Unter-

suchungen) für die Analyse herangezogen

wurden. Lediglich acht Studien verglichen

unterschiedliche Verfahren zur Kariesarritie-

rung. Zehn Studien (sechs klinisch, vier in

vitro) beschäftigten sich mit SDF [Sharma G

et al., 2015].

Insgesamt war der Effekt der Kariesarritierung

im Milchgebiss höher als in der bleibenden

Dentition. An Milchzähnen konnte dies in

knapp 80 Prozent der Fälle, in der bleiben-

den Dentition in 65 Prozent der Fälle belegt

werden. Mit SDF konnte Karies signifikant

an mehr Oberflächen arretiert werden als bei

der Kontrollgruppe [Llodra JC et al., 2005].

Die einmalige Applikation einer 38-prozenti-

gen Lösung ohne die Anwendung von Gerb-

säure zeigte einen effektiven Stopp der Karies-

progression nach 24 Monaten Beobachtungs-

zeit [Yee R et al., 2009]. Der inhibierende Effekt

auf den Biofilm und die höhere Härte nach

Applikation von SDF konnten ebenfalls belegt

werden [Chu CH et al., 2012]. So zeigte sich

der Wachstums-hemmende Einfluss auf S.

mutans und L. acidophilus und A. naeslundi

[Craig GG et al., 1981; Zhi QH et al., 2012].

Als Konzentration für die einmalige Applika-

tion von SDF wird die 38-prozentige Lösung

gegenüber der zwölfprozentigen bevorzugt.

Bei der Analyse der Studien wurden Beobach-

tungszeiten von drei bis 30 Monaten ange-

geben. Insbesondere nach einmaliger Appli-

kation zeigte sich bereits nach 24 Monaten

ein deutlicher Anstieg der Oberflächen mit

aktiver Karies für Zähne der ersten Dentition

[Sharma G et al., 2015]. In einer weiteren

Studie wurde die halbjährliche Applikation

einer 38-prozentigen SDF-Lösung geprüft. Es

zeigte sich ein deutlicher präventiver Effekt

bezüglich des Parameters Kariesprogression

im Milchgebiss [Sharma G et al., 2015].

Als Nebenwirkung wird die bekannte Schwarz-

verfärbung kariöser Zähne durch Einbindung

der positiv geladenen Silberionen beschrieben

(Foto). Das Alternativprodukt Ammonium-

hexalfluorosilikat [(NH

4

)

2

SiF

6

] wurde als nicht

so effektiv bezüglich der Eindämmung der

Kariesprogression gesehen [Peng JJ et al., 2012].

Im Fazit bezeichnen die Autoren SDF als

kostengünstige Maßnahme zur Arretierung

der Karies, effektiv, wenn es zweimal jährlich

in 38-prozentiger Konzentration aufgetragen

wird, und daher als geeignet zur Karies-

behandlung in Entwicklungsländern [Sharma

G et al., 2015].

Prof. Dr. Norbert Krämer

Poliklinik für Kinderzahnheilkunde

Schlangenzahl 14, 35392 Gießen

Norbert.Kraemer@dentist.med.uni-giessen.de

Review: Sharma G, Puranik MP, Sowmya KR:

Approaches to Arresting Dental Caries:

An Update. J Clin Diag Res 2015; Vol-9(5):

ZE08-ZE11

Es handelt sich bei diesem Beitrag um einen

Nachdruck aus der Oralprophylaxe 39 (2017).

Der Nachdruck erfolgt mit freundlicher

Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags.

Review zur Arretierung von Karies

Wie wirksam ist Silber-Diamine-Fluorid?

Bei der Therapie einer Karies gibt es kontroverse „Weltanschauungen“ – vollständig exkavieren oder den kariösen Prozess

„nur“ arretieren. Ein Review hat die Evidenz insbesondere von SDF überprüft.

Abbildung: Chronifizierter kariöser Prozess

nach Anwendung einer Silbernitratlösung

Foto: Norbert Krämer

Die Literaturliste kann auf

www.zm-online.de

abgerufen oder in der Redaktion angefordert

werden.

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