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106, Nr. 24 A, 16.12.2016, (1484)
B
Neues Korruptionsstrafrecht für das Gesundheitswesen
Ausweitung der Compliance-Leitlinie der KZBV
Das neue Antikorruptionsgesetz hinterlässt viele offene Fragen. Was ist erlaubt
und wann handelt es sich um Besteschlichkeit beziehungsweise Bestechung?
Die Compliance-Leitlinie der KZBV klärt über Strafbarkeitsrisiken auf.
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Politik
Zum Hintergrund: Mit dem am 04.06.2016
in Kraft getretenen Gesetz zur Bekämpfung
von Korruption im Gesundheitswesen hat
der Gesetzgeber die neuen Straftat-
bestände der Bestechlichkeit und der
Bestechung im Gesundheitswesen
eingeführt (§§ 299a und 299b des
Strafgesetzbuches – StGB), um
eine vermeintlich bestehende
Strafbarkeitslücke zu schlie-
ßen. Die abstrakte und
äußerst unbestimmte Fas-
sung dieser neuen Straf-
normen lässt allerdings viel-
fach nur schwer erkennen,
welche Vorgehensweisen neuer-
dings strafbar sind und welche
nicht. Aufgrund der daraus
resultierenden Verunsicherung in
der Zahnärzteschaft hat die KZBV
ihre Compliance-Leitlinie um
strafrechtliche Inhalte ergänzt und
entsprechend ausgeweitet (abgedruckt
in diesem Heft auf den Seiten 92 bis 104).
Korruption im
Gesundheitswesen
Korruption, d.h. das Missbrauchen anver-
trauter Macht zur Erzielung privater Vorteile,
kann wie in anderen gesellschaftlichen
Bereichen auch im Gesundheitswesen statt-
finden. Dort besteht sie – vereinfacht gesagt
– in dem missbräuchlichen „Verkauf“
patientenbezogener Entscheidungen von
Heilberuflern an davon profitierende Dritte
dergestalt, dass diese dem Heilberufler für
ihre Bevorzugung einen Vorteil zufließen
lassen. Um zu verhindern, dass insoweit
Zahnärzte ihre Behandlungsentscheidun-
gen nicht allein an medizinischen Aspekten
mit Blick auf das Patientenwohl, sondern
an sachfremden wirtschaftlichen Eigeninte
ressen ausrichten, waren derartige
Verhaltensweisen bisher schon durch das
Berufs- sowie das Sozialrecht, etwa auf
Grundlage von § 2 Abs. 7 und 8 der Muster-
berufsordnung sowie durch § 73 Abs. 7,
§ 128 Abs. 2 Satz 3 SGB V, untersagt und
sind durch die Kammern und die KZVen
konsequent verfolgt und geahndet worden.
Gleichwohl sah der Gesetzgeber angesichts
einer vom Bundesgerichtshof in einem
Urteil vom 22.06.2012 diagnostizierten
Strafbarkeitslücke die Notwendigkeit, Kor-
ruption im Gesundheitswesen auch straf-
rechtlich sanktionieren zu können. Daher
wurden mit dem Gesetz zur Bekämpfung
von Korruption im Gesundheitswesen zum
04.06.2016 die Straftatbestände der Be-
stechlichkeit und Bestechung im Gesund-
heitswesen (§§ 299a und 299b) in das Straf-
gesetzbuch (StGB) eingefügt.
Diese neuen Strafbarkeitsregelungen sollen
nunmehr die Verschaffung von wirtschaftli-
chen oder auch nur immateriellen Vorteilen
unterbinden bzw. bestrafen, die als Gegen-
leistung dafür gewährt werden, dass bei
einer zahnärztlichen Entscheidung (z.B.
Patientenzuführung oder Bezug von zahn-
technischen Leistungen für Patienten) ein
anderer, etwa ein anderer Leistungserbrin-
ger oder ein gewerbliches Zahntechnik-
Labor, im Wettbewerb in unlauterer Weise
bevorzugt wird. Eine „Unlauterkeit“ in
diesem Sinne kann dabei insbesondere aus
dem Verstoß gegen berufs- oder
sozialrechtliche Regelungen resultieren.
Dem vorteilsnehmenden Zahnarzt fällt
dann Bestechlichkeit zur Last, dem
Vorteilsgewährenden Bestechung.
Der Zahnarzt sollte sich angesichts
dieser Zielsetzung der §§ 299a,
299b StGB vor Augen halten, dass für Heil-
berufler jedenfalls hinsichtlich patientenbe-
zogener
Unternehmensentscheidungen
deutlich geringere Grenzen für die Erzielung
von wirtschaftlichen und sonstigen Vortei-
len vonseiten Dritter gezogen sind als für
andere Geschäftsinhaber. Was bei Letzteren
ggf. noch unternehmerische Geschicklich-
keit ist, kann für den Zahnarzt unter Um-
ständen schon als korruptes Verhalten ge-
ahndet werden.
Ausweitung der
Compliance-Leitlinie
Trotz massiver Kritik und Intervention von-
seiten der Kassenzahnärztlichen Bundesver-
einigung (KZBV) und der Bundeszahnärzte-
kammer (BZÄK) hat der Gesetzgeber die
neuen Strafnormen äußerst unbestimmt
formuliert. Dadurch ist es jedenfalls abseits
„klassischer“ Korruptionskonstellationen,
wie etwa der Zahlung von „Provisionen“
durch Pharma- oder Medizinprodukteher-
steller für die Verschreibung gerade ihrer
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