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107, Nr. 2, 16.1.2017, (112)

stellungsgespräch in einer Shisha-Bar statt-

finden wird. Das hätte ich nie gedacht. Aber

mein Chef hat lange in Jemen, im Libanon

und in Jordanien gelebt und spricht daher

perfekt Arabisch und die Männer in der Bar

waren alle befreundete Ärzte, darunter viele

Internisten und Chirurgen.

Wir haben uns dort auf jeden Fall eineinhalb

Stunden unterhalten. Er hat mir eine Chance

gegeben – und das weiß ich wirklich sehr zu

schätzen. Und das werde ich auch wirklich

niemals vergessen – denn ich hatte nur noch

für zwei Wochen eine Aufenthaltserlaubnis.

Jetzt habe ich den Aufenthaltstitel für insge-

samt zwei Jahre bekommen.

?

Syrien versus Deutschland: Welche Un-

terschiede gibt es bei der Behandlung?

Ganz so anders ist es nicht. Ich habe jetzt

Zahnmedizin in drei verschiedenen Ländern

praktiziert: In Syrien, das relativ arm ist, in

Saudi Arabien, das ganz, ganz reich ist,

und in Deutschland, wo es diese Solidarität

gibt. Der größte Unterschied ist eigentlich,

dass es hier bald kein Amalgam mehr gibt

[lacht].

Und noch ein Unterschied: Bei uns in Syrien

wird alles privat gezahlt – und dies ist natür-

lich auch alles günstiger als in Deutschland,

vor allem die Prothetik. Die Grundlagen der

Behandlung sind aber in jedem Land die

gleichen – und das hat mich wirklich ge-

freut. Ich kann immer nur meinen ersten

Chef zitieren, der gesagt hat: „Zahnmedizin

ist gleich überall“.

?

Und wie ist der Umgang mit den

Patienten?

Der ist total anders [lacht]. In Deutschland

müssen wir alles erklären, jeden einzelnen

Schritt: „Wir machen das, wir machen jenes“.

In Syrien machen die Patienten einfach den

Mund auf, ich bohre auf, mache die Füllung

und sage zum Ende „Wir sind fertig!“. Das

war am Anfang in Deutschland schon ko-

misch. Aber jetzt habe ich mich daran ge-

wöhnt. Und jetzt kann ich gar nicht mehr

anders. Ich habe hier in der Praxis auch

mehrere Araber als Patienten, auch ihnen

erkläre ich jeden Schritt während der Be-

handlung. Und dann fragen mich die Pa-

tienten „Warum erklären sie mir das jetzt?

Sie können ruhig weiterarbeiten – das inte-

ressiert mich gar nicht.“ [lacht].

?

Gibt es Unterschiede im Zahnmedizin-

studium?

Ja – vor allem was Zahntechnik angeht. So-

weit ich weiß – ich habe mich mit mehreren

Zahnärzten hier unterhalten – lernt man in

Deutschland mehr über Zahntechnik als bei

uns in Syrien. Von den zehn Schritten eine

Prothese herzustellen, lernen wir in theore-

tisch zehn und praktisch sechs, in Deutsch-

land werden alle zehn praktisch gelernt.

Was die Allgemeinmedizin betrifft, hängt

dies wirklich stark von den Personen ab. Ich

habe Zahnmediziner kennengelernt, die un-

glaublich viele Kenntnisse hatten von Allge-

meinmedizin – manche aber auch weniger.

Wovon ich sprechen kann, ist, was ich in

Syrien gelernt habe: Da hatten wir alles –

von den Grundlagen über Pharmakologie,

Biologie, Pathologie und so weiter. Ich

selbst wünschte mir aber, es wäre noch

mehr gewesen. Und ich glaube, dies geht

den Deutschen auch so. Ich habe neulich

einen Artikel gelesen, dass auch in Deutsch-

land bald die Allgemeinmedizin verstärkt

unterrichtet werden soll.

?

Was sind Ihre Pläne? Wie soll es nach

den zwei Jahren weitergehen?

Syrien kommt für mich nicht mehr infrage.

Im Grunde habe ich nicht viele Möglichkei-

ten – eigentlich habe ich nur Deutschland.

In zwei Jahren habe ich das Staatsexamen

und die Gleichwertigkeitsprüfung – das ist

gar nicht so leicht. Wenn ich die Prüfung

schaffe, hoffe ich, dass ich eine vorrüber-

gehende Aufenthaltserlaubnis bekomme,

bis ich eine Stelle als angestellter Zahnarzt

gefunden habe.

Mein Traum ist es, eine Facharztausbildung

im Bereich Parodontologie beziehungsweise

Implantologie zu machen – und ich sage

mir: „Ich schaffe das!“ Es hat bis jetzt ja

immer geklappt.

?

Wenn Sie noch einmal zurückblicken

auf ihre ersten Wochen in Berlin. Wie

war das?

Manchmal dachte ich, mir werden bewusst

Steine in den Weg gelegt, aber es gibt in

jeder Geschichte immer zwei Seiten. Meine

Dame beim LAGeSo hat immer begründet,

dass so viele Leute auf einmal da waren, die

alle Hilfe und Unterstützung brauchten.

Aber ab und zu hatte ich schon das Gefühl,

dass es mir zu viel wird. Das Absurde: Das

Problem war immer, dass ich kein Flüchtling

bin. Ich finde es einfach unmöglich und un-

gerecht, dass eine Person wie ich, die sich

nicht um Asyl bewerben will, wirklich einen

schwierigeren Weg hat, um weiterzukommen

als jemand, der Asyl bekommen hätte.

?

Ihr Statement zum Schluss?

Der Unterschied zwischen Deutschland und

Syrien oder den arabischen Ländern ist,

dass, wenn man hier den Anspruch hat

oder das Recht hat und die Vorschriften ver-

folgt, man dann im Endeffekt alles erreichen

kann. Man muss nur geduldig bleiben, an

sich selber glauben und immer das Ziel ver-

folgen. Es ist nicht leicht, aber es lohnt sich.

Weil man im Endeffekt das Gefühl hat: Ich

habe dafür gearbeitet – und dann habe ich

es auch geschafft! Und dieses Gefühl kriegt

man bei uns nicht immer. Das ist halt ein

großer Unterschied. In Syrien arbeitet man,

strengt sich an und es könnte sein, das

man trotzdem einfach völlig ungerecht be-

handelt wird.

Al Shalak hat sein Zahnmedizinstudium 2013

in Syrien abgeschlossen.

Foto: privat

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