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107, Nr. 3, 1.2.2017, (278)
zungen erscheint es von vorneherein gar
nicht möglich, eine „entspannte“ neuro-
muskuläre Position festzulegen.
Bei Patienten mit Totalprothesen kann über
die Aufzeichnung eines Adduktionsfeldes
mit Stützstiftplatten ebenfalls keine maxi-
male Interkuspidation festgelegt werden,
weil zum einen die natürlichen Zähne fehlen
und sich zum anderen im Laufe der Zeit an-
dere Reflexmuster für die Einstellung der
Unterkieferhaltung etabliert haben [Utz,
1997, 1996; Utz et al., 1994].
Übrig bleibt bei bezahnten und unbezahn-
ten Patienten daher lediglich die Festlegung
einer Unterkieferhaltung exakt auf oder in
einer definierten Relation zur aufgezeichne-
ten Spitze des Symphysenbahnwinkels. So-
mit ist allenfalls eine „mittelwertige“ maxi-
male Interkuspidation bei dieser Patienten-
gruppe einzustellen, wenn man die Unter-
kieferlage etwa „0,5 mm hinter der Pfeilwin-
kelspitze“ festlegt. Dies ist jedoch – wie wei-
ter unten dargestellt – nicht zielführend und
auch nicht notwendig.
Die Beurteilung, ob die nach einer Stützstift-
Registrierung resultierende kondyläre Positi-
on „richtiger“ oder „angemessener“ ist als
solche, die mit anderen Verfahren erzielt
werden, unterliegt exakt der gleichen Pro-
blematik, wie sie in Teil zwei dieser Leitlinie
(Abschnitt „Kondylenpositionsanalyse“) dis-
kutiert wurde und wird hier daher nicht wie-
derholt.
Die Position des Stützstifts auf der Aufzeich-
nungsplatte übt im Besonderen bei unbe-
zahnten Patienten einen hohen Einfluss auf
die Qualität der Registrierung aus. Ziel der
Stützstift-Registrierung ist es daher, obere
und untere Registrierschablonen oder Pro-
thesen in zentrischer Kondylenposition so
gleichmäßig zu belasten, dass der Zahner-
satz sich nach leichtem Kieferschluss und bei
dann zunehmender Schließkraft im Ober-
wie im Unterkiefer möglichst wenig be-
wegt: Die Tegumente sollen gleichmäßig
belastet werden und beide Prothesen nicht
dislozieren.
Sollten solche Dislokationen der Prothesen
jedoch bei der horizontalen Kieferrelations-
bestimmung auftreten, dann ist die Folge,
dass die fertiggestellten Prothesen bei je-
dem Kieferschluss diese Dislokationen auch
aufweisen. Kontraindikationen des Einsatzes
der Stützstifttechnik stellen folgerichtig Si-
tuationen dar, bei denen etwa die Prothe-
senschwerpunkte im Ober- und Unterkiefer
in sagittaler Richtung stark unterschiedlich
positioniert, ausgeprägte Resilienzunter-
schiede (Schlotterkämme) vorhanden sind
oder Kieferdefekte vorliegen. Zumindest in
diesen Fällen soll auf die handgeführte hori-
zontale Kieferrelationsbestimmung zurück-
gegriffen werden [Utz et al., 2010].
Computergestützte
Verfahren
Die Aufzeichnung des Pfeilwinkels lässt sich
heute auch computergestützt durchführen
[Vogel, 1999]. Dabei kann auch die Schließ-
kraft während der Aufzeichnung gemessen
werden.
Die Möglichkeit, bei den computergestütz-
ten Verfahren den Pfeilwinkel während der
Entstehung der Aufzeichnung auf einem
Monitor vergrößert darzustellen und damit
für den Patienten zu visualisieren (Feed-
back), stellt ebenso einen Vorteil dar wie die
Möglichkeit, die aufgewendete Kiefer-
schließkraft während der Registrierung oder
unter Umständen sogar während der Ver-
schlüsselung zu messen und zu kontrollie-
ren. Die für die Aufzeichnung notwendige
Kieferschließkraft liegt bei einigen elektroni-
schen Verfahren bisher zwischen 10 N und
30 N. Beim herkömmlichen analogen Ver-
fahren – ohne elektronische Kontrolle – sind
die Schließkräfte während der Aufzeich-
nung geringer, sie liegen hier meist unter
10 N [Jakstat/Gütschow, 1991]. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass Kräfte über 5 N offen-
bar negative Einflüsse ausüben [Jüde et al.,
199; Jüde et al., 1990; Linsen et al., 2006;
Weisbach, 2005].
Es liegen bisher keine Studien zu der Frage
vor, welche Höhe die Kieferschließkraft wäh-
rend der Pfeilwinkelregistrierung, bezie-
hungsweise während der Verschlüsselung
haben sollte, beziehungsweise haben darf.
Ebenso ist die für die Übertragung in den Ar-
tikulator bei einigen Systemen berechnete
und von der Pfeilwinkelspitze sowie auch
von der maximalen Interkuspidation abwei-
chende Platzierung des Unterkiefers wissen-
schaftlich bisher nicht belegt [Delbach,
2005; Jordan, 2002; Linsen et al., 2012; Lin-
sen et al., 2013; Zorn, 2015]. Inwieweit die
Höhe der aufgewendeten Kieferschließkraft
oder die abweichende Positionierung des
Unterkiefers – weg von der Pfeilwinkelspitze
– mit der späteren Akzeptanz der Patienten
mit den Prothesen in Beziehung steht, ist
nicht belegt.
Verfahrensbewertung
Die Reliabilität der Stützstift-Registrierung
wurde in vielen Studien sowohl bei Bezahn-
ten als auch bei Totalprothesenträgern ei-
nerseits zweidimensional auf Höhe der Ok-
klusionsebene [Zorn, 2015; Mayer, 1992;
Jung et al., 1986; Howell, 1981; Myers et al.,
1980; Borchers et al., 1979; Smith, 1975;
Celenza, 1973; Helkimo et al., 1973, Helki-
mo et al., 1971; Ingervall et al., 1971; Hohl-
feld/Hupfauf, 1970; Grasso/Sharry, 1968;
Kapur/Yurkstas, 1957], andererseits mit zu-
sätzlichen Hilfsmitteln direkt oder indirekt
dreidimensional im Kondylarbereich gemes-
sen [Linsen et al., 2012; Utz et al., 2002; Utz,
Der mit 5.000 Euro dotierte Alex-
Motsch-Preis der Deutschen Gesell-
schaft für Funktionsdiagnostik und
–therapie (DGFDT) wurde im Rahmen
der diesjährigen Jahrestagung von der
Präsidentin, Priv.-Doz. Dr. Ingrid Peroz,
an die Arbeitsgruppe der Leitlinie „S2k
Leitlinie Instrumentelle zahnärztliche
Funktionsanalyse“ verliehen. Der Alex-
Motsch-Preis ist aus dem ehemaligen
Kemptner Förderpreis hervorgegan-
gen, hat eine dementsprechend lange
Tradition und stellt einen der höchst-
dotierten Forschungspreise in der
deutschen Zahnheilkunde dar. Mit
dem Preis zeichnet die DGFDT die bes-
ten in der Zeitschrift für kraniomandi-
buläre Funktion (CMF) publizierten
Arbeiten zum Thema Funktionslehre,
Funktionsdiagnostik und –therapie
eines Jahrgangs aus.
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Autoren erhalten
Alex-Motsch-Preis
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USZEICHNUNG
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Zahnmedizin