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107, Nr. 4, 16.2.2017, (344)
Wie kommt es, dass ein etabliertes und re-
nommiertes wissenschaftliches Institut sich
so verrennt? Das Problem ist vielschichtig
und die Folgen sind beunruhigend.
Zunächst einmal zur Methodik des IQWiG:
Das ist eine Gefahr für die Zahnmedizin
Der Auftrag ist klar umrissen: Das IQWiG soll die systematische Behandlung
der Parodontopathien überprüfen. Das Institut legt los, sucht und findet 6.004
wissenschaftliche Arbeiten. 573 davon sind potenziell relevant. Doch nur 43
Publikationen zu 35 Studien genügen seinen strengen Kriterien. Das hat Folgen.
Warum? Weil mangels Evidenz der Parodontitistherapie der Nutzen
abgesprochen wird.
Diese wurde über Jahre hinweg entwickelt
und an der Bewertung medikamentöser
Arzneimittelverfahren geschärft und gehär-
tet. Die dort üblichen Studiendesigns mit
Randomisierung, Verblindung und Kontroll-
gruppen, die ein Placebo bekommen, sind
für die sogenannten nicht-medikamentösen
Verfahren nicht eins zu eins zu übertragen.
Fehlt aber einer dieser Parameter, so wird
die höchste Evidenzstufe formal nicht er-
reicht. Deshalb tragen die Studien aus den
eher praktisch-operativ arbeitenden medi-
zinischen Disziplinen wie auch der Zahn-
medizin systemimmanent den Makel in sich,
nur eine geringeres Evidenzniveau aufweisen
zu können. Das weiß eigentlich auch das IQWiG
und führt dazu in seinem Methodenpapier
aus:
„Studien im nichtmedikamentösen Be-
reich sind im Vergleich zu Arzneimittelstudien
häufig mit besonderen Herausforderungen
und Schwierigkeiten verbunden. Beispiels-
weise wird oft die Verblindung des
die Intervention ausführenden Personals
unmöglich und die der Patientinnen und
Patienten nur schwierig oder ebenfalls nicht
zu bewerkstelligen sein. [...] Um überhaupt
Aussagen zum Stellenwert einer bestimmten
nichtmedikamentösen therapeutischen Inter-
vention treffen zu können, kann es deshalb
erforderlich sein, auch nicht randomisierte
Studien in die Bewertung einzubeziehen.“
[IQWiG, Allg. Methoden 4.2, Kap. 3.4]
Kritische Methodik
Leider wird die eigene Verfahrensvorgabe
nicht umgesetzt und gelebt. Vielmehr legt
das IQWiG an alle Studien zu Fragestellun-
gen der systematischen Parodontitistherapie
die hohe Messlatte der Pharmastudien an.
Ohne Abstriche. Diese Fehlkalibrierung der
Messskala führt dazu, dass im nun vorgeleg-
ten Vorbericht nur zwei Therapieverfahren
ein geringer Nutzen zugesprochen werden
kann. Mit anderen Worten: Es gibt einen
schwachen „Anhaltspunkt“ dafür, dass die
geschlossene mechanische Therapie (GMT)
eine Gingivitis positiv beeinflusst. Auf den
Endpunkt Attachmentlevel bezogen konnte
für die GMT kein Nutzen nachgewiesen wer-
den. Überhaupt keinen Nutzenbeleg, nicht
einmal einen schwachen Anhaltspunkt, konnte
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IQWiG-Vorbericht zu Parodontitistherapie
Meine Nutzenbewertung fällt wie folgt
aus: Es gibt aus zahnmedizinischer Per-
spektive keinen Anhaltspunkt für einen
Nutzen des IQWiG-Vorberichts.
Das IQWIG hat bei einem
enorm hohen finanziellen
und zeitlichen Resourcen-
verbrauch „Ergebnisse“
produziert, die im Hin-
blick auf deren klinische
Relevanz ohne jeden Nut-
zen sind. Dem Praktiker
stellt sich zwingend die Sinn-
frage einer solchen Nutzen-
bewertung und lässt ihn in ungläubigem
Staunen die Stirn in Falten legen. Im
Gegenteil ergeben sich aus dem Vor-
bericht deutliche Hinweise auf ein hohes
Schadenspotenzial bezogen auf den pa-
tientenrelevanten Endpunkt Zahnerhalt.
Hinzu kommt, dass das IQWiG zum Vor-
bericht ein Pulverfass quasi gratis mitgelie-
fert hat: Werden die Kriterien des IQWIG
in Zukunft unmodifiziert angewendet
werden, wird großen Teilen der weltweit
wissenschaftlich anerkannten zahnmedizi-
nischen Versorgungsmethoden jedenfalls
in Deutschland die Basis entzogen und
die gesamte Zahnheilkunde und ihre Ver-
fahren infrage gestellt. Dies dürfen und
werden wir zum Schutz unserer Patienten
nicht zulassen. Wir wollen keine Sonder-
behandlung, aber auch keinen Dentisten-
Malus. Wir wollen, dass der Evidenzkörper
der weltweiten wissenschaftlichen Paro-
dontologie nach den Grundlagen
der Evidenzbasierten Medizin
gefiltert, statistisch vernünf-
tig ausgewertet wird und
dann die Ergebnisse unter
Einbeziehung der fach-
lichen Expertise klinisch
interpretiert werden. Wir
wollen und brauchen eine
Entscheidungsgrundlage für
die weiteren Beratungen im Ge-
meinsamen Bundesausschuss zur Moder-
nisierung der Parodontitistherapie auf den
aktuellen Stand der Wissenschaft. Über
Unschärfen kann man dort diskutieren,
das ist der richtige Ort. Mit dem vor-
gelegten Zwischenprodukt kann man
leider nichts anfangen. Wer mit falschem
Maßband misst, darf sich über die Konse-
quenzen nicht wundern. Im Elfenbein-
turm der Wissenschaft praktizierte Nut-
zenbewertung, die den Bezug zur Ver-
sorgungsrealität negiert, verliert nicht nur
die Bodenhaftung, sondern auch den An-
spruch, von Nutzen für die Verbesserung
der Versorgung zu sein.
Dr. Wolfgang Eßer,
Vorstandsvorsitzender der KZBV, Köln
Foto: KZBV - Baumann
Dem Praktiker stellt sich die Sinnfrage
STATEMENT DR
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WOLFGANG E
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