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107, Nr. 4, 16.2.2017, (350)
Berlin, Unter den Linden 71: Der Deutsche
Bundestag zeigt sich hier im neoklassizis-
tischen Stil. Nüchterne Fassade, viel Licht.
Das Büro: zwei Räume, überraschend klein,
schlicht, es fehlt jeglicher Design-Schnick-
schnack. Höschel klärt mit seinem Assisten-
ten noch die nachfolgenden Termine, dann
geht es los.
„Eher Arzt oder eher Politiker?“ Schon hier
zeigt sich: Der Mann ist kein Freund des
Entweder-oder. „Ich bin immer beides ge-
wesen: Arzt und Politiker, meistens mehr
Arzt und Politiker mehr am Rande. Eigent-
lich stellt sich nur die Frage, wann man was
intensiver tut.“ Wie das zurzeit aussieht,
lässt sich – auch nach dem Gespräch –
schwer sagen. Fest steht: Der 49-Jährige
ist eher der drahtige Typ, trotz Hemd (slim
geschnitten) und Anzug, der im Übrigen
ausgezeichnet sitzt. Moderne Brille, etwas
nerdig, aber gut.
Zu den Fakten: Ende 2016 trat der Kiefer-
orthopäde für die CDU im Bundestag die
Nachfolge von Bundestagsvizepräsident
Peter Hintze an, der überraschend gestor-
ben war. Von politischer Blitzkarriere könne
man aber nicht sprechen, meint Höschel.
„Das war kein Start von null auf 100. Es gab
ja jahrzehntelange Parteiarbeit vorweg – mit
einer intensiven Anbindung an Berlin.“
”
Ich halte es für ganz wichtig,
dass man sich in den Bereichen
einbringt, in denen man eine gewisse
Lebenserfahrung hat.
Viel Zeit, sich auf den Job als Bundestags-
abgeordneter vorzubereiten, hatte er gleich-
wohl nicht: „Peter Hintze starb am 26. No-
vember und seit dem 7. Dezember bin ich
Mitglied des Deutschen Bundestages. Da blieb
nicht viel an Entscheidungszeit und schon gar
nicht die Möglichkeit, alle Lebensprozesse
komplett umzustellen. Am 12. Dezember
begann für mich hier die Arbeit.“
Ein Mann, zwei
Fulltime-Jobs
Wie wirkt der Berliner Politikbetrieb auf den
Rheinländer? Höschel: „Das ist ein Fulltime-
Job! Die Sitzungswochen in Berlin sind
extrem arbeitsintensive Zeiten.“ Wobei sich
der Facharzt für Kieferorthopädie über
mangelnde Arbeitsintensivität auch vorher
nicht beklagen konnte: In der sitzungsfreien
Woche steht er wie bisher von morgens bis
abends in der Praxis. Eine Praxis? Er führt –
zusammen mit seiner Frau Jana – drei. Eine
in Meerbusch, eine in Düsseldorf und eine in
Mönchengladbach.
Letztere wurde mittlerweile in ein MVZ um-
gewandelt und zwischen Düsseldorf und
Meerbusch besteht nun eine ÜBAG, damit
er seiner Präsenzpflicht nachkommen kann.
„Berufsrechtlich ist das alles wirklich schwie-
rig zu gestalten“, räumt er ein. „Wenn ich
alleine in der Praxis wäre, könnte ich so ein
Mandat gar nicht annehmen.“ Übrigens ein
wesentlicher Grund für Höschel, warum
man im Parlament kaum einen niedergelas-
senen Mediziner findet. Abgesehen von ein
paar Kollegen, in erster Linie Krankenhaus-
ärzte, die für ihre politische Tätigkeit aber
freigestellt sind, ist er im Moment der
einzige praktizierende Arzt im Bundestag.
„Ich glaube aber, dass ich die freiberuflichen
Belange – und für die stehe ich ja in erster
Linie – glaubwürdiger vertreten kann, wenn
ich weiterhin als Arzt, also niedergelassener
Kieferorthopäde, praktiziere.“ Was er auch
vorhat, zu tun. „An einer bestimmten Stelle
müssen Sie sich natürlich entscheiden: Bleibe
ich in meinem Beruf als Arzt oder mache
ich Politik?“, ergänzt Höschel und gibt zu:
„Hätte ich dieses Angebot 15 Jahre früher
bekommen, wäre das ein schwieriger Ent-
Ein Besuch bei Neumandater Dr. Mathias Höschel
Das Leben als Langstreckenlauf
Dr. Mathias Höschel steht morgens ab sieben in seiner Düsseldorfer Praxis am
Stuhl. Während der Sitzungswochen in Berlin ist er oft bis Mitternacht im Einsatz.
Ach ja: Vier Kinder hat er auch noch. Sie denken: Was ist das für ein Typ?
Diese Frage haben wir uns auch gestellt. Ein Besuch beim einzigen Zahnarzt
im Deutschen Bundestag.
Fotos: zm-mg
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