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zm

107, Nr. 4, 16.2.2017, (346)

lich. Fehlen diese – von den internationalen

Organisationen wie Consort für ordentliche

Studien auch überhaupt nicht geforderten –

Angaben, dann – man wird es schon ahnen

– können die Ergebnisse dieser Studie eben-

falls nicht für die Nutzenbewertung verwen-

det werden.

Mathematische Modelle

statt klinische Expertise

Und zum Schluss erfolgt der schwierigste

Schritt: die Bewertung der Ergebnisse in

Hinblick auf die klinische Relevanz. Bei

dieser Interpretation der aus den Studien

extrahierten Daten wird nicht etwa auf die

Expertise der klinischen Fachleute aus dem

Bereich der Parodontologie zurückgegriffen.

Nein, hochkomplexe mathematische Mo-

delle, die Begriffe wie „Irrelevanzschwelle“

oder „Responderanalyse“ operationalisieren,

kommen zum Einsatz. In den wissenschaft-

lichen Grundlagen – dem Methodenpapier

– wird ausdrücklich darauf hingewiesen,

dass es hierfür noch kein gesichertes Ver-

fahren gibt [IQWiG, Allg. Methoden 4.2,

Kap. 8.3.3]. Das heißt, der Grenzwert, die

Schwelle, die rein mathematisch zwischen

Nutzen und Schaden entscheidet, ist nicht

klar definiert. Nur am Rande sei erwähnt,

dass diese Grenze, die normalerweise bei

„0“ liegt, vom IQWiG noch mit einer Sicher-

heitsmarge von „0,2“ versehen wird. Die

Messlatte, über die die Ergebnisse der

Studien springen müssen, wird mal eben

etwas nach oben verschoben.

Einen Lichtblick gibt es: Das IQWiG hat zeit-

gleich zur Nutzenbewertung noch einen

zweiten Bericht veröffentlicht. Das Arbeits-

papier „Präferenzmessung bei Parodonto-

pathien“ ist eine Eigenbeauftragung des

IQWiG für seine Grundlagenforschung.

Dabei geht es um die Frage, wie Patienten

unterschiedliche Behandlungsziele gewich-

ten. Exemplarisch für die Attribute zur

Parodontitistherapie wurden innerhalb von

drei Monaten Patienten nach ihren Präfe-

renzen zu „Zahnverlust“, „Beschwerdefrei-

heit“, „Anzahl von Kontrolluntersuchungen“

und „Kosten“ befragt. Das Ergebnis ist ein-

deutig: Für die Patienten hat der Zahnerhalt

höchste Priorität.

Nun ist der Bericht des IQWiG aber kein

Selbstzweck, der in der wissenschaftlichen

methodischen Diskussion mit anderen

Institutionen bestehen muss. Es geht auch

nicht um einen Wettlauf darum, wer die

stringentesten Einschlusskriterien für Studien

und den spitzesten Bleistift bei der statis-

tischen Auswertung hat. Nein, der Sinn und

Zweck dieses Berichts ist klar umrissen und

im eigenen Methodenpapier des IQWiG dar-

gelegt:

„Die Berichte des Instituts sollen dem

G-BA als eine Grundlage für Entscheidungen

dienen, die im Grundsatz für alle gesetzlich

Krankenversicherten gelten.“

[IQWiG, Allg.

Methoden 4.2, Kap. 1.4].

Hier zeigt sich, welche Sprengkraft der IQWiG-

Vorbericht haben kann: Hinter dem 257-

Seiten starken Dokument steht der Wunsch

der Patientenvertreter, die Behandlung von

parodontalen Erkrankungen im Rahmen der

GKV methodisch neu zu bewerten. Dazu

gehört auch die organisierte Nachsorge als

integraler Bestandteil einer erfolgreichen

Parodontitistherapie. Die KZBV stützt dieses

Anliegen ausdrücklich und arbeitet an einem

Versorgungskonzept zur Modernisierung der

Parodontitistherapie in der GKV.

Der Vorbericht des IQWiG soll dem G-BA nun

als Grundlage dienen, über eine Aktualisierung

der Behandlungsrichtlinien im Bereich der

Parodontologie zu beraten. Eine wissenschaft-

liche Expertise, die keine klaren Aussagen trifft,

dürfte als Entscheidungsgrundlage jedoch

ungeeignet sein. Ein Lichtblick: Der G-BA ist

nicht an den IQWiG-Bericht gebunden.

Es besteht jedoch ein erhebliches Risiko

für die seit Jahrzehnten gewachsenen und

weiterentwickelten Methoden der modernen

Zahnheilkunde. Wenn schon der Bereich

der Parodontologie, der gut erforscht und

mit Studien belegt ist, Gefahr läuft, fast

jeglichen Nutzen vom IQWiG abgesprochen

zu bekommen, wie würde dann eine Nut-

zenbewertung in anderen Teildisziplinen

ablaufen? Einen Vorgeschmack darauf hat

das IQWiG auch bereits geliefert. Im Vor-

bericht „Isoliert applizierte Fluoridlacke bei

initialer Läsion des Milchzahnes“ zur Über-

prüfung der therapeutischen Fluoridierung

hat das IQWiG keinen Nutzenbeleg für

die Wirksamkeit einer Fluoridierung von

initialen Kariesläsionen finden können, da

keine geeigneten Studien in Form von RCTs

gefunden werden konnten. Das Risiko ist

äußerst real, dass nahezu der gesamten

Zahnheilkunde der Nutzen mit der Methodik

des IQWiG aberkannt werden könnte. Dies

dürfen und können wir nicht zulassen.

„Wir wissen, dass wir nichts wissen. Aber

das wissen wir mit Sicherheit ganz genau.“

Diese Quintessenz aus dem Vorbericht

ist unbefriedigend und eindeutig ohne

(System-)Nutzen. Bis zum 21. Februar 2017,

12 Uhr mittags, nimmt das Institut Stellung-

nahmen zum Vorbericht entgegen.

Dr. Jörg Beck MHA

Leiter der Abteilung

Qualitätsinstitut, Leitlinien

Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung

36

IQWiG-Vorbericht zu Parodontitistherapie

Die Feststellung des IQWiG, dass

zur Parodontaltherapie ein ho-

her Forschungsbedarf be-

steht, erscheint absurd. In

Hinblick auf Evidenz ist

die europäische Parodon-

tologie hervorragend auf-

gestellt. Dies nicht zuletzt

aufgrund ihrer weltweit hoch

angesehenen, jährlich stattfinden-

den wissenschaftlichen Konsensuskonfe-

renzen, bei denen weltweit anerkannte Ex-

perten – darunter zahlreiche aus Deutsch-

land – Therapiekonzepte vor der

aktuellen Studienlage kritisch

auf den Prüfstand stellen.

Randomisierte klinische

Studien zum Nutzen der

UPT

mit

dem

patientenrelevanten End-

punkt Zahnverlust, wie

vom IQWiG gefordert, sind

ethisch nicht vertretbar.

Prof. Dr. med. dent. Dr. med. Søren Jepsen,

Vorstand der European Federation of

Periodontology, Bonn

Diese Feststellung ist absurd!

STATEMENT PROF

.

S

ø

REN JEPSEN

Foto: EFP