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107, Nr. 9, 1.5.2017, (1059)
handlung von Parodontopathien doch die
Grenzen aufgezeigt. Das hat nicht nur mit
der vermeintlich fehlenden Evidenz zahn-
ärztlicher Behandlungskonzepte zu tun.
Evidenz muss sich in der Praxis entscheiden,
nicht allein in wissenschaftlichen Studien,
deren Methodik zum Teil fragwürdig zu sein
scheint.
(*Anm. d. Red.: Prof. Dr. Fritz Beske ist
Gründer des renommierten Instituts für
Gesundheits-System-Forschung in Kiel und
hat sich jahrzehntelang mit der Struktur des
Gesundheitssystems auseinandergesetzt.)
Das klingt nach kritischer Distanz zur
Politik der Bundes-KZV.
Berger
: Gemeint ist eher eine kritische Dis-
tanz gegenüber dem „Ersatz-Gesetzgeber“
G-BA, der doch an der Ausweitung des
zahnärztlichen Leistungskatalogs nur dann
interessiert ist, wenn es – platt formuliert –
nichts kostet. Das kann aber nicht unser
Weg sein. Die deutsche Zahnärzteschaft ist
mit dem Konzept der Vertrags- und Wahl-
leistungen einen richtigen und konsequen-
ten Weg gegangen. Auf keinem anderen
Gebiet der Medizin hat der Patient ange-
sichts unterschiedlicher Therapiekonzepte
so viele Wahlmöglichkeiten. Diese Wahl-
möglichkeiten gerade auch für den gesetz-
lich Versicherten müssen wir in den kom-
menden Jahren ausweiten. Das muss unser
Programm sein.
?
In diesem Jahr findet die Bundes-
tagswahl statt. Glauben Sie,
künftig mehr Einfluss nehmen zu
können auf die Politik im Frei-
staat und eventuell auch über die
Abgeordneten auf die Politik auf
Bundesebene?
Berger
: Wir beide starten ja nicht bei
null. Ich bin nun seit mehr als 15 Jahren
im Präsidium der Kammer tätig. In die-
ser Zeit läuft einem der eine oder ande-
re Politiker schon einmal über den
Weg. Aber ernsthaft: Wir stehen wieder
einmal vor einer Richtungswahl. Beim
Thema Bürgerversicherung verläuft in
der Gesundheitspolitik eine Demarkati-
onslinie. Kommt die Bürgerversiche-
rung, hat dies nicht nur Konsequenzen
für das Geschäftsmodell der Privaten
Krankenversicherung. Es wird massive Aus-
wirkungen auf die Innovationsfähigkeit der
Medizin und Zahnmedizin haben. Das wer-
den auch die Bürger als Patienten zu ver-
stehen bekommen. Also müssen wir alles
daransetzen, zusammen mit den Ärzten auf
Risiken und Nebenwirkungen dieses Mo-
dells hinzuweisen. Im koordinierten Auftritt
unserer Pressestellen, im gemeinsamen
Messeauftritt auf Parteitagen werden wir
unsere Sorgen vor einer falschen Entschei-
dung der Politik formulieren. Ich glaube, es
wird uns künftig leichter fallen bei der
Politik Gehör zu finden, wenn wir Zahnärzte
mit einer Stimme sprechen – und nicht
eine interne Konkurrenzsituation zwischen
Kammer und KZVB vorliegt.
Schott
: Die Beispiele belegen einmal mehr,
dass wir gut daran tun, alle Kräfte zu
bündeln, um in die Politik hineinzuwirken.
Wir sehen doch gerade beim Thema Appro-
bationsordnung für Zahnärzte, wie schwer
sich das zuständige Ministerium damit tut,
unterschiedliche Stellungnahmen aus der
Zahnärzteschaft unter einen Hut zu bringen.
Stichwort Deregulierungstendenzen
aus Brüssel, die ja auch die Zahnärzte
als Freie Berufe betreffen. Welche
Bedeutung messen Sie den Freien
Berufen in Bayern und auf Bundes-
ebene bei?
?
?
Berger
: Wir beide sind auch im Verband der
Freien Berufe in Bayern engagiert und der
ehemalige Kammerpräsident und ehemali-
ges Vorstandsmitglied der KZVB, Michael
Schwarz, ist zurzeit Präsident der Freien
Berufe in Bayern und vertritt dort auch die
zahnärztlichen Interessen. Wir gehen auch
nach Brüssel, um dort unsere Interessen zu
vertreten. Die Bundeszahnärztekammer ver-
anstaltet einen Europatag, bei dem wir da-
bei sind. Wir versuchen uns auf allen Ebenen
zu artikulieren. Und daran sehen Sie schon,
welche Bedeutung wir auch Europa und
den Freien Berufen beimessen, denn sehr
viel, was an Gesetzgebung bei uns an-
kommt, hat seinen Ursprung in Brüssel.
Zum Abschluss: Ist das „Modell
Bayern“ aus Ihrer Sicht auf andere
Kammern/KZVen übertragbar? Oder
anders gefragt: Kann es ein Modell
der Zukunft sein?
Schott
: In Bayern liegt sicherlich eine be-
sondere Situation vor, die in der jüngeren
Vergangenheit von der Sprachlosigkeit der
Schwesterkörperschaften geprägt war. Wir
haben viel aufzuholen. Wir kehren jetzt vor
unserer eigenen Tür und machen uns keine
Gedanken darüber, ob das ein Modell der
Zukunft sein könnte.
Berger
: Die Zeit wird es weisen, ob wir
erfolgreich sein werden oder nicht. Wir
wissen natürlich, dass das Modell Bayern
durchaus skeptisch beäugt wird. Gegen eine
konstruktiv-kritische Begleitung von außen
ist auch nichts einzuwenden. Für uns beide
und für die große Mehrheit der Vertreter-
versammlung ist diese „neue“ Zusammen-
arbeit ein notwendiger, sinnvoller Schritt, um
endlich die Synergien der Körperschaften zu
bündeln. Die kleine Gruppe der Zahnärzte-
schaft in Bayern muss endlich gemeinsam
auftreten – als die Bayerischen Zahnärzte.
Daran arbeiten wir in BLZK und KZVB!
Vielen Dank für das Interview.
Die freie Journalistin Anita Wuttke aus
München hat für die zm nachgefragt.
?
Dr. Rüdiger Schott ist seit 2014 Vizepräsident der
Bayerischen Landeszahnärztekammer und seit
2017 stellv. Vorsitzender des Vorstands der KZVB.
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