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107, Nr. 11, 1.6.2017, (1320)
Im vorliegenden Fall hatte ein inBelgien nie-
dergelassener Zahnarzt für seine Leistungen
geworben – zum einen mit einem Aufsteller
am Eingang seiner Praxis, auf dem auf
drei Seiten jeweils 47 cm x 75 cm große
Schilder mit seinem Namen, seiner Inter-
netadresse und der Telefonnummer sei-
ner Praxis befestigt waren. Zum anderen
schaltete er Werbeanzeigen in lokalen
Tageszeitungen.
Da in Belgien jegliche Werbung für
zahnärztliche Leistungen nach dem
geltendem Berufsrecht verboten ist,
wurden nach einer Beschwerde eines
zahnärztlichen Berufsverbands straf-
rechtliche Ermittlungen gegen den
Zahnarzt eingeleitet. Dieser argu-
mentierte zu seiner Entlastung,
dass die belgischen Regelungen
nicht mit dem Europarecht und
der Dienstleistungsfreiheit verein-
bar seien. Damit wanderte der
Streit vom zuständigen Strafgericht in
Brüssel zum Europäischen Gerichtshof
(EuGH).
Dieser hat sich auf die Seite des Zahnarztes
gestellt: Der EuGH sieht in den strikten bel-
gischen Vorschriften, die Zahnärzten jegliche
Werbung für ihre Tätigkeit allgemein und
ausnahmslos verbieten, eine Beschränkung
der durch die EU-Verträge garantierten
Dienstleistungsfreiheit. Danach muss es
Zahnärzten zumindest erlaubt sein, auf ihre
Leistungen hinzuweisen.
Ausnahme: aggressive,
irreführende Werbung
Verbieten dürfen die EU-Mitgliedstaaten da-
gegen aggressive und irreführende Wer-
bung. In diesem Fall sei eine Beschränkung
der Dienstleistungsfreiheit durchaus ge-
rechtfertigt, urteilte der EuGH. Im Detail
Aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs
Generelles Werbeverbot ist rechtswidrig
Ein Kölner Zahnarzt macht mit einem Aufsteller vor seiner Praxis auf sich auf-
merksam – kein Problem. Knapp 200 Kilometer entfernt, verstößt der Kollege
in Belgien damit jedoch gegen geltendes nationales Recht. Ein Fall für den
Europäischen Gerichtshof.
In Belgien herrscht ein striktes
Werbeverbot für Zahnärzte –
nach einem aktuellen Urteil des
Europäischen Gerichtshofs ist
dies aber nicht vereinbar mit der
Dienstleistungsfreiheit innerhalb
der EU.
Foto: zm_Fotolia_MEV
heißt es: „in Anbetracht der Bedeutung des
Vertrauensverhältnisses, das zwischen dem
Zahnarzt und seinen Patienten herrschen
muss, [ist] anzunehmen [...], dass auch die
Würde des Zahnarztberufs einen solchen
zwingenden Grund des Allgemeininteresses
darstellen kann.“ Vor diesem Hintergrund
kann „ein intensives Betreiben von Wer-
bung oder die Wahl von Werbeaussagen,
die aggressiv oder sogar geeignet sind, die
Patienten hinsichtlich der angebotenen Ver-
sorgung irrezuführen, [...] dem Schutz der
Gesundheit schaden und der Würde des
Zahnarztbesuches abträglich sein, indem
das Image des Zahnarztberufs beschädigt,
das Verhältnis zwischen den Zahnärzten
und ihren Patienten verändert und die
Durchführung unangemessener oder un-
nötiger Behandlungen gefördert wird.“
„Es ist positiv zu werten, dass der EuGH
den Gesundheitsschutz und die Würde
des zahnärztlichen Berufsstands ausdrück-
lich als Rechtfertigungsgründe für Werbe-
beschränkungen anerkennt“, freut sich die
Bundeszahnärztekammer (BZÄK). Das Urteil
spiegele zudem die Rechtslage wider, die
in Deutschland und vielen anderen EU-Mit-
gliedsstaaten bereits gilt.
In Deutschland wurden in den vergangenen
Jahrzehnten die ursprünglich ebenfalls
strengen Regeln für die Werbung von An-
gehörigen der Freien Berufe liberalisiert.
Dies war unter anderem Folge der Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts,
das am 1. Juni 2011 entschieden hatte,
dass es „grundsätzlich nicht berufs-
widrig sei, wenn zahnärztliche und ge-
werbliche Leistungen nebeneinander
angeboten würden. Zu beachten sei
jedoch immer, dass durch werbe-
wirksame Verhaltensweisen nicht
der Eindruck vermittelt werden
dürfe, dass der Arzt die Erzielung
von Gewinn über das Wohl seiner
Patienten und deren ordnungs-
gemäße Behandlung stellt“
(AZ: 1 BvR 233/10 und 1 BvR 235/10).
Die Musterberufsordnung der Zahnärzte
geht ebenfalls in diese Richtung. Sie regelt
in § 21 die Werbeformen, die erlaubt
beziehungsweise untersagt sind. Verboten
ist insbesondere eine anpreisende, irre-
führende, herabsetzende oder vergleichende
Werbung.
Ob der in Belgien angeklagte Zahnarzt mit
seiner Werbung zu weit gegangen war,
müssen nun wieder die belgischen Gerichte
klären.
nh
EuGH
AZ: C –339/15
Urteil vom 4. Mai 2017
Mehr zum Thema „Werberecht für Zahnärzte“
finden Sie in diesem Heft auf den Seiten 86
bis 88. Der Fachanwalt für Medizinrecht Jens-
Peter Jahn gibt Antworten auf die Frage, was
erlaubt ist und was illegal.
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Politik