Table of Contents Table of Contents
Previous Page  32 / 124 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 32 / 124 Next Page
Page Background

zm

107, Nr. 11, 1.6.2017, (1322)

Ein siebenjähriger, aus dem Irak stammen-

der Patient wurde von seinen Eltern mit

progredienter Schwellung der linken Wange

unter der Verdachtsdiagnose eines dento-

genen Abszesses in der interdisziplinären

Notaufnahme des Klinikums Nürnberg vor-

gestellt.

Die Anamnese war aufgrund der Sprach-

barriere erschwert, seitens der Eltern hieß

es, der Zustand bestehe schon seit einigen

Tagen. Es wurden keine Vorerkrankungen

und keine feste Medikation angegeben. Die

klinische Untersuchung zeigte eine weiche,

wenig schmerzhafte Schwellung im linken

Oberkiefervestibulum (Abbildung 1).

Die Zähne 64, 65 und 75 waren kariös zer-

stört. Weiterhin wurden bei der eingehen-

den Untersuchung zweit- bis drittgradige

Lockerungen an sämtlichen Milchmolaren

des Oberkiefers, zweitgradige Lockerungen

der Milchmolaren im Unterkiefer sowie erst-

bis zweitgradige Lockerungen der bleiben-

den Inzisivi am Oberkiefer festgestellt. Die

Mundschleimhaut war intakt, die Sensibi-

lität im Gesichtsbereich und die Mund-

öffnung mit 33 mm Schneidkantendistanz

waren unauffällig. Zervikal konnten beid-

seits mehrere vergrößerte Lymphknoten

palpiert werden, die übrige körperliche

Untersuchung zeigte keine Auffälligkeiten.

Die laborchemischen Entzündungsparameter

(Leukozyten, CRP) waren im Normbereich.

Diagnostik

Da sich somit Zweifel an der Verdachts-

diagnose eines Abszesses ergaben, wurde

eine weiterführende Diagnostik eingeleitet.

Hierbei ergab sich ein unauffälliges Differen-

tialblutbild. Die Werte für Parathormon und

alkalische Phosphatase lagen im Norm-

bereich. Jedoch fand sich eine starke Erhö-

hung der Laktatdehydrogenase (LDH) auf

807 U/l (Norm: 120 – 300 U/l).

Da die konventionelle Röntgenuntersuchung

keinen wegweisenden Befund zeigte, wurde

die bildgebende Diagnostik um eine Dünn-

schicht-Computertomografie (HR-CT) des

Mittelgesichts, eine Magnetresonanztomo-

grafie (MRT) des Kopf-Hals-Bereichs und

eine Halssonografie erweitert. In der HR-CT

zeigten sich Arrosionen am Oberkiefer und

am Kieferhöhlenboden sowie eine irreguläre

Knochenbinnenstruktur mit Rarefizierung

der Kochentrabekel und Demineralisation

im Mittelgesichtsbereich, weiterhin eine

Verschattung der Kieferhöhlen beidseits

(Abbildungen 2 und 3). Sonografisch fielen

multiple pathologisch vergrößerte Lymph-

knoten am Hals beidseits auf. Dies bestä-

tigte sich in der MRT, die darüber hinaus

eine Infiltration von Ober- und Unterkiefer,

Schläfen- und Keilbein mit ossärer Destruk-

tion und Knochen-überschreitender Weich-

teilkomponente aufwies (Abbildung 4).

Weitere Herde wurden im Schulterblatt,

am Humerus-Kopf, im Schlüsselbein und an

den Halswirbeln festgestellt.

Bei nunmehr nachgewiesenem multisyste-

mischem Befall erfolgte die Gewinnung

einer Gewebeprobe aus der Raumforderung

des Oberkiefervestibulums, in deren Rahmen

auch die kariösen Zähne entfernt wurden.

Klinisch fand sich graues Gewebe von

fischfleischartiger Konsistenz. Histologisch

zeigte sich ein rasenförmiges Infiltrat mittel-

großer blastärer Zellen mit zahlreichen

Mitosefiguren und „sternhimmelartig“ ein-

gestreuten Makrophagen (Abbildung 5).

Der immunhistochemische Nachweis einer

positiven Reaktion auf CD20 und c-myc

(Abbildung 6) sowie die hohe Proliferations-

Der besondere Fall

Burkitt-Lymphom bei einem Siebenjährigen

Jan Wolff, Simon Burg, Volker Mordstein, Martin Gosau

Eine Schwellung der Wange mit dem initialen Verdacht auf das Vorliegen

eines Milchzahnabszesses bei einem Siebenjährigen stellte sich als aggressives

Non-Hodgkin-Lymphom der B-Zell-Reihe heraus.

Abbildung 1: klinische Präsentation der Schwellung im Oberkiefervestibulum links

Alle Fotos: Wolff et al.

32

Zahnmedizin