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107, Nr. 11, 1.6.2017, (1338)
sammlung am 2. Mai in Mainz den Vorteil
des Projekts aus seiner Sicht: Es wirke arzt-
entlastend, ohne die zentrale Patienten-
Arzt-Beziehung zu stören. Weigelt: „Solche
IT-Projekte sind kein Selbstzweck. Sie dienen
der effektiven Versorgung der Patienten und
entlasten den Arzt von unproduktiven Auf-
gaben. So wird die hausärztliche Praxis als
zentraler Ort der Versorgung gestärkt.“
Weigelt ist zuversichtlich, dass das Projekt
auch in anderen Regionen und bei weiteren
Kassen Anklang finden wird.
Voraussetzung für die Teilnahme am Projekt
ist, dass die Hausärzte an der Hausarztzen-
trierten Versorgung mit der GWQ Service
Plus AG teilnehmen, einem Dienstleister für
mittelständische Betriebs- und Innungs-
krankenkassen, für die das Unternehmen
Selektivverträge abschließt. Das Leistungs-
angebot der GWQ umfasst Produkte und
Dienstleistungen in den Bereichen Einkaufs-,
Versorgungs-, Finanz- und Informations-
management. Derzeit sind rund 67 Kassen
mit mehr als 12 Millionen Versicherten Kun-
den bei der GWQ.
Honorierung erfolgt
extrabudgetär
Für die technische Umsetzung des Projekts
ist die vitaphone GmbH verantwortlich, ein
im Bereich Telemedizin etablierter Anbieter.
Das Unternehmen hat Lösungen erarbeitet,
die neben den Anforderungen des Medizin-
produktegesetzes und weiteren Normen
und Gesetzen vor allem dem Datenschutz
eine hohe Priorität einräumen. Patienten-
daten werden nur verschlüsselt übertragen,
beim Hausarzt entschlüsselt und bei ihm
gespeichert. Er besitzt den alleinigen Daten-
zugriff, die Daten unterliegen der ärztlichen
Schweigepflicht. Der Anbieter speichert
keine Daten.
Gesellschafter der TAG TeleArzt GmbH sind
die ProVersorgung Care AG des Deutschen
Hausärzteverbandes, die vituscard GmbH &
Co KG als zweiter ärztlicher Gesellschafter
und die vitaphone GmbH als Technologie-
entwickler.
Versicherte können sich, unabhängig von
einer Teilnahme am Hausarztvertrag, ab
dem 1. Juli in den Vertrag des „TeleArzt“
einschreiben. Die Verantwortung für alle
Maßnahmen hierzu liegen in den Händen
des betreuenden Hausarztes.
Die Honorierung der TeleArzt-Leistungen
erfolgt von den Kassen extrabudgetär, be-
richtet die Ärzte Zeitung. Für den Einsatz
der VERAH bekommen die Hausärzte einmal
im Quartal eine Hausbesuchspauschale von
96 Euro (in Bayern 76 Euro) und eine kon-
taktunabhängige Telemedizin-Pauschale von
15 Euro im Quartal. Die Abrechnung läuft
über die TAG. Für die Bereitstellung der
Rucksäcke, für die Schulung der VERAH und
für die Wartung der Geräte zahlen die Haus-
ärzte pro teilnehmendem Versicherten 6,50
Euro im Quartal.
pr
Ist ein Tele-Arzt auch im zahnmedi-
zinischen Bereich denkbar, etwa für
Hausbesuche bei Pflegebedürftigen
und Menschen mit Behinderungen?
Prof. Dr. Christoph Benz:
Wenn die Zahn-
medizin einen Patienten an seinem
Wohnort besucht, dann fast immer,
um zu behandeln: Schmerzen,
Füllung, Parodontitis, Prothe-
sen-Probleme oder Zahnreini-
gung. Vieles davon muss eine
Zahnärztin oder ein Zahnarzt
selbst durchführen, in anderen
Fällen zumindest die Indikation
einer
Behandlungsmaßnahme
stellen und das Endergebnis beurteilen.
Nichts davon geht ausschließlich visuell,
erst recht nicht in Notfällen. Zum Beispiel
können moderne Antikoagulantien schon
bei einer Zahnreinigung schwer stillbare
Blutungen entstehen lassen. Da helfen
dann keine „Tele-Tipps“.
Was ist hier mit dem Delegations-
prinzip – darf die DH eine zahnärzt-
liche VERAH sein?
Die Bundeszahnärztekammer und die
Deutsche Gesellschaft für Alterszahn-
medizin haben sich mit dem Thema
intensiv beschäftigt und sind unabhängig
voneinander zu der Überzeugung gekom-
men, dass in der Zahnmedizin eine
VERAH (oder EVA oder NäPA*)
keinen Sinn macht. Gesund-
heitlich kompromittierte
Pflegebedürftige oder
Menschen mit Behin-
derungen sind für uns
keine Patientengruppe,
bei der wir Risiken ein-
gehen und Standards senken
wollen. Klare Botschaft: Verant-
wortungsvolle Delegation ja, Substitution
nein!
Was macht das mit dem Arzt-
Patienten-Verhältnis?
Theoretisch könnten Tele-Anwendungen
in der Zahnmedizin vielleicht Sinn
machen, um zu entscheiden, wen der
Zahnarzt persönlich behandeln muss.
Patienten dürften sich aber sicher zurück-
gesetzt fühlen, wenn sie hören: „Frau
Meier, wir glauben Ihnen jetzt Ihre
Schmerzen und machen dann mal einen
richtigen Zahnarzt-Termin!“
Wie ist hier das Fernbehandlungs-
verbot zu sehen?
In der allgemeinen Medizin bedeutet ein
Fernbehandlungsverbot, dass Patienten
telemedizinisch nicht behandelt werden
dürfen, die der Arzt persönlich noch
nicht erlebt hat. In der Zahnmedizin hilft
es aber oft wenig, einen Patienten zu
kennen, wenn es um eine neue Schmerz-
symptomatik geht. Sollte die Ursache
dennoch telemedizinisch identifiziert
werden, dürfte eine „dental-VERAH“
sie aber gar nicht behandeln. Die Zahn-
medizin hat also eher so etwas wie eine
„Fernbehandlungsunmöglichkeit“.
* NäPa = Nicht-ärztliche Praxisassistentin,
EVA = Entlastende VersorgungsAssistentin.
Beides sind Fortbildungen für MFA mit
unterschiedlichen Levels, um Hausbesuche
durchführen zu können.
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„In der Zahnmedizin macht die VERAH keinen Sinn“
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NTERVIEW MIT
BZÄK-V
IZEPRÄSIDENT
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HRISTOPH
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Foto: Axentis
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Politik