

zm
107, Nr. 11, 1.6.2017, (1378)
Der unternehmerisch denkende Zahnarzt
sollte bei Werbemaßnahmen stets fol-
gende Kernaussagen berücksichtigen:
Zulässig und erlaubt ist eine zutreffende,
interessengerechte und sachangemessene
Patienteninformation.
Unzulässig ist im Umkehrschluss eine
anpreisende, irreführende, herabsetzende
oder vergleichende Werbung, die die freie
Arztwahl des (potenziellen) Patienten be-
einträchtigt. Auch darf eine berufswidrige
Werbung durch Dritte weder veranlasst noch
geduldet werden.
Allein aus dem Umstand, dass ein Zahn-
arzt seine Werbung anders als bisher üblich
gestaltet, folgt nicht, dass das nunmehr
geänderte Vorgehen als berufswidrig anzu-
sehen ist. Vielmehr obliegt es dem Zahnarzt,
in welcher Weise er sich und seine Praxis
in der Öffentlichkeit darstellt, solange er
die rechtlichen Vorschriften und die Recht-
sprechung beachtet.
Das Wichtigste in Kürze
Foto: Jan Engel - Fotolia
Nutzungskonto nicht gewerblich verwendet
werden darf. Ebenso unterliegen derartige
Online-Auftritte der Impressumspflicht nach
§ 5 TMG. Verstärkt ist auch die zahnärztliche
Schweigepflicht zu beachten. Auch darf
keine inhaltliche beziehungsweise bildliche
Darstellung von Krankengeschichten erfolgen,
die in missbräuchlicher, abstoßender oder
irreführender Weise präsentiert wird oder
zu einer falschen Selbstdiagnose verleiten
kann.
Werbeflächen auf Bahn
und Einkaufswagen
Die Werbung auf dem Einkaufswagen wurde
gerichtlich grundsätzlich gebilligt. Selbst über
die Plakatierung von Straßenbahnwagen
wird inzwischen diskutiert. Verbreitet ist
zudem ein zulässiges Sozial-Sponsoring von
Veranstaltungen im Kultur- oder im Sport-
bereich.
Berufsrechtliche Regelungen wie sie in
Belgien existieren, die jegliche Form von
Werbung untersagen und die zuletzt
Gegenstand eines Verfahrens vor dem
Europäischen Gerichtshof (EuGH) waren
(siehe Artikel S. 30), muten vor der Recht-
sprechung in Deutschland geradezu stein-
zeitlich an. Es verwundert daher nicht,
dass der EuGH zu dem Ergebnis gelangt
ist, dass das Europarecht (konkret Art. 56
AEUV) dahin auszulegen ist, dass es natio-
nalen Rechtsvorschriften entgegensteht,
die jegliche Werbung für Leistungen der
Mund- und Zahnversorgung allgemein und
ausnahmslos verbieten (EuGH, Urt. v.
04.05.2017, C-339/15). Insofern gelten
auch auf europäischer Ebene, soweit das
EU-Recht auf berufsständische Verhaltens-
kodizes oder andere spezifische Regeln
für reglementierte Berufe anwendbar ist,
ähnliche Standards, wie sie das BVerfG
herausgearbeitet hat.
Werbung mit pauschalen
Honoraren ist verboten
Alles aber hat auch seine Grenzen. So ist
nach Ansicht der Rechtsprechung sowohl
eine Werbung mit Pauschalhonoraren für
(zahn-)ärztliche Leistungen, soweit sie nach
der GOZ
abrechen-
bar sind, als
auch eine
solche mit
Rabatten/
Gutscheinen
in aller Regel
unzulässig. Auch eine
Werbung mit Vorher-nachher-Patienten-
bildern bei einer nicht zahnmedizinisch
notwendigen Maßnahme im plastisch-chi-
rurgischen Bereich steht nicht im Einklang
mit den zu beachtenden rechtlichen Vor-
schriften. Das zwischenzeitlich geltende
„Kittel-Verbot“ in der Werbung, wonach auf
der Praxis-Homepage veröffentlichte Fotos
des behandelnden Zahnarztes bei der Be-
handlung untersagt waren, wurde jedoch
aufgehoben. Zudem rückt die zulässige
Nutzung von Empfehlungsportalen und
Testimonial-Werbung immer mehr in den
Fokus. Zu berücksichtigen ist bei jenen
allerdings, dass es – besonders im Fall von
Aussagen durch Prominente – nicht zu einer
unzulässigen Beeinflussung von (potenziel-
len) Patienten kommen darf. Ebenso ist
ein Manipulieren von Einträgen auf einem
Bewertungsportal nach Ansicht der Recht-
sprechung wettbewerbswidrig.
Abzuwarten bleibt, inwieweit die bisherigen
gerichtlichen Entscheidungen im Bereich
der Behandlung über Fernkommunikations-
mittel Bestand haben beziehungsweise sich
fortentwickeln werden. Zwar ist in § 9 HWG
ein Verbot der Fernbehandlung normiert. Als
zulässig wurden jedoch durch Gerichte be-
reits die postalische Einsendung von Proben-
material durch den Patienten und eine an-
schließende telefo-
nische Besprechung
der Ergebnisse sowie
ein Foto-Upload über
die Praxis-Homepage
zum Zwecke eines
Gesundheits-Check-Up
angesehen. Bei der
Bewertung der
Zulässigkeit einer Fern-
behandlung darf allerdings nicht außer Acht
gelassen werden, dass eine Fernbehandlung
in keinster Weise eine persönliche, zahnärzt-
liche Untersuchung ersetzen kann und darf.
Dieser Grundsatz wird sich aller Voraussicht
nach auch in Zukunft nicht ändern.
Weitere Lockerungen
in Aussicht?
In den vergangenen Jahren haben sich die
Kommunikationsmittel und die Medizin-
technik rasant weiterentwickelt. Vor dem
Hintergrund der zahlreichen Urteile im
Bereich des Werberechts der Freiberufler
ist nicht auszuschließen, dass es auch
weiterhin zu Lockerungen im Bereich der
zahnärztlichen Werbung kommen wird.
Aufgrund des insbesondere durch Richter-
recht geprägten ärztlichen Werberechts
ist auch in Zukunft eine regelmäßige Fort-
bildung und Überprüfung der eigenen
Maßnahmen im kollegialen Wettbewerb
unabdingbar.
Jens-Peter Jahn
Fachanwalt für Medizinrecht
50670 Köln
koeln@medizin-recht.com88
Praxis