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107, Nr. 2, 16.1.2017, (164)
erlebt [Csikszentmihalyi/Charpentier, 2015],
was nachweislich das Engagement für die
Arbeit stärkt.
Durch Ziele, Werte und Sinnerleben – wenn
Arbeit als sinngebend erlebt wird – steigt die
Motivation stark. Ein wichtiger Motivations-
faktor liegt darin, einen sinnvollen Beitrag
zu einem wertvollen größeren Ganzen zu
leisten. In Befragungen zur Mitarbeiter-
zufriedenheit [Cameron, 2012; Cameron,
2013] ist ein wesentlicher Faktor, dass Mit-
arbeiter das Gefühl haben, dass ihr Betrieb
etwas Sinnvolles tut und dass ihre eigene
Arbeit ein wichtiger Beitrag dazu ist. Für die
Praxis heißt das, dass die großen Leitziele
der Praxis (manchmal auch Vision genannt)
vom Inhaber verständlich vermittelt und als
Team gelebt werden.
Aus nachvollziehbaren wirtschaftlichen
Gründen werden heute jedoch oft wirt-
schaftliche Ziele definiert und vermittelt.
Bei diesen wirtschaftlichen Zielen handelt es
sich jedoch aus Mitarbeitersicht nicht um
sinngebende Ziele, sondern nur um die
Ergebnisse und deren Umsetzung. Ein Mit-
arbeiter erlebt, dass seine Arbeit sinnvoll ist,
wenn er dazu beiträgt, dass Patienten wirk-
lich gut versorgt werden. Dabei kann es zum
Beispiel darum gehen, dass die Patienten
durch optimale Prophylaxe dauerhaft ihre
Die Kieferchirurgin Dr. Dr. Anette Strunz
hat das Konzept der Positiven Psychologie
in ihrer Praxis umgesetzt. Im Interview
schildert sie die Auswirkungen auf den
Praxisalltag.
Frau Dr. Strunz, Sie haben die positive
Teambesprechung bei sich in der Praxis
eingeführt. Wie hat sich das denn bei
Ihnen ausgewirkt?
Dr. Dr. Anette Strunz: „Die Teambespre-
chungen verlaufen immer in einer sehr
guten Stimmung und mit hoher Beteili-
gung aller Mitarbeiterinnen. Wir beginnen
schon mit einer guten Stimmung. Dann
arbeiten wir gemeinsam konstruktiv alle
wichtigen Themen im Sinne unserer
Patienten und Überweiser durch. Zum
Schluss gibt es eine Abschlussrunde und
dann gehen wir gut gestimmt und auf-
merksam zu den Patienten.“
Was waren die sichtbarsten Veränderun-
gen?
„Insgesamt hat sich die Arbeitsatmosphäre
sehr konstruktiv verändert. Und man
merkt, dass die Mitarbeiterinnen während
der Woche inzwischen schon von selber
systematisch nach Highlights suchen.“
Macht sich die angestrebte stärkere Identi-
fikation mit den Praxiszielen im Team
schon bemerkbar?
„Unser Praxisziel ist ja, dass die Patienten
sich in einer möglichst optimal struktu-
rierten Praxis gut aufgehoben und um-
sorgt fühlen. Seit mein Team dieses
Ziel verinnerlicht hat, merkt man einen
starken Zusammenhalt zwischen den Mit-
arbeiterinnen.
Es
wird quasi stetig
gemeinsam nach
Verbesserungen
gesucht. Darüber
reden die Mit-
arbeiterinnen auch
zwischendurch mit-
einander.“
Ganz konkret: Wie läuft Ihre Teambespre-
chung genau ab?
„Zuerst kommt das Vorlesen des Protokolls
der vorherigen Teambesprechung. An-
schließend wird die Umsetzung der offe-
nen Punkte der vergangenen Teambespre-
chung durchgegangen. Dabei werden die
Erfolge bei der Umsetzung gewürdigt –
und noch einmal die Highlights der letzten
Teambesprechung ins Gedächtnis gerufen.“
Und wie geht es dann weiter?
„Danach folgt die sogenannte Highlight-
runde. Dabei erhält jede Mitarbeiterin die
Gelegenheit, ihr persönliches Highlight
der Woche in einem Satz darzustellen.
Als besonders wirksam hat sich herausge-
stellt, wenn die Mitarbeiterinnen auch dar-
stellen, was sie selber dazu beigetragen
haben. Das ist zwar für die Mitarbeiterin-
nen im Augenblick noch nicht ganz ein-
fach, aber es hat im Team viele positive
Auswirkungen. Die Mitarbeiterinnen achten
jetzt bewusster darauf, wie groß ihr Bei-
trag zum Gelingen wirklich ist und die
Wertschätzung füreinander steigt. So be-
kommen wir auch nur noch Highlights zu
hören, an denen die Mitarbeiter wirklich
beteiligt waren.“
Wie haben Ihre Mitarbei-
terinnen auf diese Runde
reagiert?
„Sie waren nach einer
anfänglichen Einführung
offen. Es war aber für alle
neu und befremdlich, in
dieser Weise positiv über
sich selbst zu sprechen.“
Und sehen Sie darin einen Nutzen für Ihre
Praxis?
„Unbedingt! Das Selbstbewusstsein der
Mitarbeiter steigt und selbstbewusste Mit-
arbeiter können besser und sicherer mit
Patienten umgehen, denn sie strahlen
mehr Sicherheit aus. Gleichzeitig steigt
der Zusammenhalt im Team. Außerdem
lernen die Mitarbeiter, sich gegenseitig
mehr wertzuschätzen und sich an den
Erfolgen der anderen mit zu freuen.“
Wie verläuft ihre Teambesprechung dann
weiter?
„Anschließend wird die übliche Tages-
ordnung abgearbeitet. Weil jede Mitarbei-
terin anfangs schon gesprochen hat, ist
inzwischen die Beteiligung aller deutlich
höher als früher.“
Und wie beenden Sie die in Besprechung?
„Abschließend sagen die Mitarbeiterin-
nen, was ihnen besonders wichtig war und
welche Aufgaben sie in der nächsten
Woche bearbeiten werden. Dadurch steigt
die Selbstverpflichtung, diese auch durch-
zuführen. Und meistens klingelt dann
schon der erste Patient an der Tür.“
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„D
ie Wertschätzung füreinander steigt“
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RFAHRUNGSBERICHT
Foto: Strunz/P. Adamik
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Praxis