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107, Nr. 2, 16.1.2017, (165)
eigenen Zähne erhalten oder dass Kinder
den Besuch beim Zahnarzt entspannt erleben
können und gern in die Praxis kommen oder
dass Patienten in der Chirurgie wirklich
schonend behandelt werden. Genauso sinn-
gebend ist es, wenn in der Verwaltung die
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für
derartige gute Versorgungen geschaffen
werden.
Häufig führen auch schon kleine Verände-
rungen in der Gestaltung der Arbeit zu mehr
Zufriedenheit. Dieses Vorgehen wird als „Job
Crafting“ bezeichnet: Darunter versteht man,
dass Mitarbeiter von sich aus versuchen,
ihre Stärken und Motive mit den Anforde-
rungen der Praxis möglichst gut in Einklang
zu bringen [Wrzesniewski/Dutton, 2001]. Das
geschieht normalerweise in drei Bereichen:
1. Der Mitarbeiter kann versuchen, sein Auf-
gabenprofil innerhalb der Praxis so zu ver-
ändern, dass es besser zu seinen Stärken
und Motiven passt und er so mehr Erfolge
hat. 2. Er kann probieren, die Zusammenar-
beit mit anderen Mitarbeitern zu verändern.
3. Er kann versuchen, mehr Sinn in dem zu
finden, was er tut. Wenn ein Zahnarzt der-
artige Bestrebungen bemerkt, hilft es, diese
zu fördern anstatt starr an Vorgaben fest-
zuhalten. Mehr noch: Wenn ein Zahnarzt
Unzufriedenheit bei einzelnen Mitarbeitern
bemerkt, kann er von sich aus über solche
Veränderungen nachdenken. Das kann zu
mehr Arbeitszufriedenheit führen.
Schon der Einsatz weniger ausgewählter
Methoden kann die Zufriedenheit der Mit-
arbeiter steigern. Ein zentrales Ergebnis der
Forschung ist, dass die Zufriedenheit und die
Leistungsfähigkeit steigen, wenn der Fokus
mehr auf Stärken und Erfolge gelegt wird als
auf Fehler und Schwächen [van Woerkom and
Meyers, 2014; van Woerkom and Meyers,
2015; Meyers et al., 2013]. In der Medizin
ist es normal, auf das Negative zu schauen –
Symptome zu suchen und Krankheiten zu
diagnostizieren. Das bewusste Wahrnehmen
positiver Aspekte erfordert daher ein Um-
denken. Ein erster Ansatz dazu kann darin
bestehen, im Rahmen der Teambesprechung
zuerst die positiven Aspekte der vergangenen
Woche zu betrachten. Das klingt banal, hat
aber durchaus beachtliche Auswirkungen
auf den Verlauf der Besprechung.
Was Sie tun können:
Sie können mit Ihrem
Team die Auswirkungen der Fokussierung
auf das Negative durchsprechen: Unsere
Gehirne sind aufgrund der Evolution auf
Negatives fokussiert [Fredrickson, 2009].
Der Neandertaler, der nicht früh genug den
Säbelzahntiger erkannte, wurde gefressen
und bekam keine Kinder. Wir sind die Nach-
fahren von denen, die die Gefahren recht-
zeitig erkannt haben. Deswegen sind unsere
Gehirne auf Negatives konditioniert. Wir er-
kennen es schneller, merken es uns intensi-
ver und es fällt uns schneller wieder ein.
Aber in unserer heutigen Umwelt gibt es nur
noch sehr wenige starke Bedrohungen, um
die wir uns so kümmern müssen. Trotzdem
kreisen unsere Gedanken oft um Probleme
und Fehler. Wir grübeln und es entsteht
eine gewisse Grundangst weitere Fehler zu
machen. Dadurch steigt die Fehlerhäufig-
keit und die Stimmung sinkt.
Wertschätzen Sie die
Highlights der Woche
Anschließend können Sie darstellen, was an-
deres geschieht, wenn die Wahrnehmung
auf das gleichzeitig bestehende Positive ge-
lenkt wird: Wenn wir über die angenehmen
Begegnungen und die Erfolge nachdenken,
die auch täglich auftreten, entstehen Gefühle
von Zufriedenheit und Freude. Der Fokus
der Aufmerksamkeit wird weiter, es gibt
mehr kreative Gedanken und Ideen. Die
Lösung von Problemen wird müheloser und
es entstehen mehr Erfolge. Wir entspannen
uns und gehen netter miteinander und mit
den Patienten um. Alles erscheint leichter
und alle haben mehr Freude am Arbeiten.
Man nennt das den „Broaden-and-Build-
Effekt“ [Fredrickson, 2013].
Achtung, es handelt sich hierbei nicht um
das sogenannte „Positive Denken“! Beim
„Positiven Denken“ wird die Realität teil-
weise ausgeblendet und nicht adäquat ver-
arbeitet [Oettingen, 2015; Oettingen and
Mayer, 2002]. Nachgewiesen ist, dass genau
dadurch die Leistungsfähigkeit sinkt! Bei der
positiven Wahrnehmungslenkung wie es die
Positive Psychologie beschreibt, geht es hin-
gegen darum, das Gute, was wirklich da ist,
wahrzunehmen und wertzuschätzen.
Um diese Haltung zu fördern, können Sie
Ihre Mitarbeiter bitten, sich täglich am Ende
des Tages kurz drei Dinge oder Begeben-
heiten zu notieren, die an diesem Tag gut
gewesen sind. Wenn der Mitarbeiter weiß,
dass er das abends notieren soll, achtet er
automatisch über den Tag mehr auf positive
Ereignisse und merkt sich diese. Aus diesen
Notizen können sich die Mitarbeiter dann
vor der nächsten Teambesprechung ihr
Highlight der Woche aussuchen. Sie können
die Teambesprechung dann so beginnen,
dass jeder kurz von seinem Highlight der
Woche erzählt. Anfangs gehen diese Runden
meist etwas schleppend; wenn sie jedoch
erst einmal etabliert sind, führen sie zu einer
Verbesserung der Stimmung und erstaun-
licherweise zu einer Verkürzung der Team-
besprechung bei gleichzeitiger Steigerung
der Effizienz.
Die Effekte der Übung, abends drei gute
Dinge aufzuschreiben, sind sehr gut unter-
sucht [Emmons & McCullough, 2003;
Emmons, 2007; Emmons, 2008]. Schon ein
Einsatz über 14 Tage steigert die Lebenszu-
friedenheit über mehrere Monate hinweg
und wirkt nachhaltig depressionslindernd.
Die Anwendung einiger dieser Aspekte kann
die Praxis im neuen Jahr für den Zahnarzt
und sein Team (noch) angenehmer und er-
folgreicher werden lassen.
Dr. med. dent. Anke Handrock
Steinbeis-Transfer-Intitut Positive Psychologie
und Prävention
Boumannstr. 32
13467 Berlin
info@pp-praevention.deProf. Dr. Med. Ulrich Schwantes
Facharzt für Allgemeinmedizin
Medizinische Hochschule Brandenburg
Fehrbelliner Str. 38
16816 Neuruppin
ulrich.schwantes@praxis-schwante.deDipl.-Psych. Maike Baumann
Universität Potsdam
Am neuen Palais 10
14469 Potsdam
mbaumann@uni-potsdam.deDie Literaturliste kann auf
www.zm-online.deabgerufen oder in der Redaktion angefordert
werden.
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