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107, Nr. 3, 1.2.2017, (269)
Auch in der DMS V zeigt sich für Deutsch-
land, dass sowohl das habituelle Zahnputz-
muster als auch die Motive eines kontroll-
orientierten Zahnarztbesuchs in einem sta-
tistisch signifikanten Zusammenhang mit
einer starken SOC-Ausprägung stehen. Be-
deutsam erscheint vor allem, dass diese
Befunde theoretisch sauber im Lichte des
Salutogenese-Modells interpretiert werden
können und nicht einfach nur statistische
Korrelationen beschreiben. Übrigens gelten
diese Befunde für die Gruppe der 35- bis
44-Jährigen wie für die Gruppe der 65- bis
74-Jährigen gleichermaßen (Tabelle 1).
Verstehen, handhaben und
einsehen können
Antonovsky hatte im Rahmen seiner For-
schungen die Verstehbarkeit, die Hand-
habbarkeit und die Sinnhaftigkeit von ge-
sundheitsbezogenen Ereignissen im Auge.
Offenbar führen diese Verarbeitungsmuster
zu inneren Einstellungen und lösen Ver-
haltensweisen aus, die auch für die Zahn-
medizin und die orale Präventionsforschung
wichtig sind: Wenn das Mundhygienever-
halten und das Inanspruchnahmeverhalten
erkennbar vom SOC beeinflusst werden, er-
geben sich aus dieser Grundeinsicht auch
neue Möglichkeiten der mundgesundheits-
bezogenen Kommunikation – in der allge-
meinen Bevölkerungsansprache wie auch
mit dem individuellen Patienten: nämlich
die „Gesundheitsansprache“ nach den Di-
mensionen der Verstehbarkeit, der Hand-
habbarkeit und der Sinnhaftigkeit von Infor-
mationen im Rahmen der entsprechenden
Motivierungsarbeit zu strukturieren.
Natürlich gibt es auch auf dem gerade an-
gesprochenen gesundheitskommunikativen
Interventionsfeld im Zusammenhang mit dem
SOC weiterhin offene Fragen, beispielsweise
wie am wirkungsvollsten vorgegangen wer-
den muss, um die inneren Ressourcen eines
Menschen optimal anzusprechen beziehungs-
weise wachzurufen. Aber die salutogenetische
Betrachtungsweise eröffnet doch völlig neue
Möglichkeitsräume, indem sie nicht so sehr
nach den Risikofaktoren fragt, sondern die
Stärkung von Schutzfaktoren – der inneren
Ressourcen – ins Zentrum rückt und so einen
wichtigen Schritt zum Ausbau der Selbsthilfe-
potenziale eines Menschen im Zusammen-
hang mit Gesundheit und Krankheit zu
leisten vermag.
Dipl.-Soz. Dr. Wolfgang Micheelis, Köln
sozialwissenschaftlicher Berater der DMS V
Literatur:
[1] Jordan, A. R., Micheelis, W. (Gesamtbear-
beitung): Fünfte Deutsche Mnudgesundheits-
studie (DMS V). Deutscher Zahnärzte Verlag
DÄV, Köln 2016
[2] Eriksson, M., Lindsröm, B.: Validity of An-
tonovsky´s sense of coherence scale: a syste-
matic review. J Epidemiol Community Health,
2005, 59, 460–466
[3] Bernabe, E., Watt, R. G., Sheiham, A.,
Suominen-Taipale, A. L., Uutela, A., Vehka-
lahti, M. M., Knuuttial, M., Kivimäki, M., Tsa-
kos, G.: Sense of coherece and oral health in
dentate adults: findings from the finnish He-
alth 2000 survey. J Clin Periodontol, 2010,
37, (11), 981–987
Einfluss der Salutogeneseorientierung (SOC)
auf Zahnputzmuster und Inanspruchnahmeverhalten
Zahnputzmuster:
eher gut
eher schlecht
Inanspruchnahmeverhalten:
beschwerdeorientiert
kontrollorientiert
Tabelle 1
Quelle: DMS V, 2016
SOC in Prozent
35- bis 44-Jährige
niedrig
29,1
70,9
39,1
60,9
mittel
29,7
70,3
27,0
73,0
hoch
37,5
62,5
21,8
78,2
SOC in Prozent
65- bis 74-Jährige
niedrig
24,2
75,8
14,9
85,1
mittel
32,3
67,7
9,2
90,8
hoch
40,5
59,5
7,2
92,8
Merkmale einer salutogenetischen Orientierung
Salutogenetischer Fokus
Stimmigkeit – Kohärenz
Attraktive Gesundheitsziele
Ressourcen
Subjekt und Subjektives
Systemische Selbstregulation – Kontextbezug
Entwicklung und Evolution
Mehrere Möglichkeiten: sowohl – als auch
Tabelle 2
Quelle: Wikipedia
Pathogenetische Ergänzung
Problem – Unstimmigkeit
Vermeidungsziele
Defizite
Norm
Isolierende Analyse – Ursache im Kleinen
Zustand bzw. Entropie
Eine Möglichkeit: entweder – oder
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