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107, Nr. 3, 1.2.2017, (270)

Wussten Sie, dass in Stuttgart, dieser Perle

zwischen Wald und Reben, fast 152.000

Bankiers leben? Wenn nicht, ist das natür-

lich ein klarer Fall von Bildungslücke. Unter

www.volksbank-stuttgart.de

können Sie sich

davon überzeugen, dass die Besitzer der

Volksbank in Stuttgart nicht sieben Schwaben,

sondern 152.000 (!) wackere Genossen sind.

Sie lassen sich, obwohl Selbstbewusstsein

nicht zu den augenfälligen Charakterzügen

des Schwaben zählt, stolz als Bankiers feiern,

weil sie Inhaber dieser Bank sind.

Der Sachverhalt hat mich bewogen, Google

zu fragen, wie viele Bankgenossen in

Deutschland leben. Die Zahl hat mich vom

Stuhl gehauen: 18.300.000. Ich wiederhole

in Worten: Achtzehnkommadrei Millionen

Deutsche sind Teilhaber einer Bank. Dazu

gehört natürlich auch die Standesbank der

Apotheker und Ärzte.

Das Institut befindet sich im

Besitz von 117.000 Heilberuf-

lern, von denen sich rund

23.000 Damen und Herren der

Zahnheilkunde verschrieben

haben. Bei gut 90.000 Zahn-

ärzten in Deutschland darf

ich also jede(n) Vierte(n) von

Ihnen, liebe Leserinnen, werte

Leser, mit „Genossin“ oder

„Genosse“ anreden, was für

mich alten Dresdner natürlich

ein besonderes Plaisir ist.

Die Volksbanken und Raiffeisenbanken sind

von Friedrich W. Raiffeisen und Franz H.

Schulze-Delitzsch in der Mitte des 19. Jahr-

hunderts in bittersten Notzeiten gegründet

worden. Die Motive der Gründer stehen in

Paragraf 1 des Genossenschaftsgesetzes:

Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft

ihrer Mitglieder oder deren sozialer oder

kultureller Belange durch gemeinschaft-

lichen Geschäftsbetrieb. Wollen Sie sich,

falls Sie eine/r dieser 23.000 zahnärztlichen

Genoss(inn)en sind, dieses Motiv einmal

in aller Ruhe auf der Zunge zergehen

lassen: die Förderung der Wirtschaft der

Mitglieder?

Ich bewundere den Förderauftrag der

Genossenschaften. Die Gründer dieser

Vereinigungen waren Leute, die sich mit

der Not nicht abgefunden, sondern in die

Hände gespuckt haben. In Würdigung die-

ser Verdienste fällt mir der Anblick schwer,

in welchem Zustand sich heute viele – um

nicht zu sagen: die meisten – der 1.021 Ge-

nossenschaftsbanken befinden. 18.300.000

Inhaber, deren Wirtschaft nicht wirklich „ge-

fördert“ wird, und 155.000 Angestellte, die

dafür den Weg freimachen. Und diese Frage

sei erlaubt: Für wessen Wohl?

Es mag an meinen Vorfahren aus Friesland

und Sachsen liegen, dass ich Probleme mit

Strukturen habe, in denen Mehrheiten von

Minderheiten gesagt wird, wo der Hammer

hängt. Wenn die Wirtschaft der Mitglieder

gefördert werden soll – ich entschuldige

mich für die Wiederholung: Wo ist der Sinn

von Ratenkrediten? Warum lässt man die fi-

nanzielle Unterversicherung junger Familien

zu? Warumwerden Eigenheime mithilfe von

Festdarlehen und Bausparverträgen finan-

ziert? Und warum verkaufen Genossen ihren

Artgenossen teure Investmentfonds?

Der Held der Arbeit, man sehe mir meine

ostzonale Herkunft nach, wird befähigt sein,

die finanzielle „Gestaltung des Ruhestands

in Zeiten niedriger Zinsen“ zu schildern.

Was möchte ich Ihnen mit diesem

Invectivum sagen? Ganz einfach: Die Ge-

nossenschaft ist tot, es lebe die Genossen-

schaft! Es geht auch (noch) deutlicher: Ge-

nossen aller Banken – erhebt Euch! Lasst

Euch nicht alles gefallen!

Ich weiß schon, dass ich ein alter Spinner

bin, doch ich wünsche mir, dass die

Genossenschaftsbanken für die ehrliche

Finanzbildung ihrer Besitzer sorgen und ihre

Mitglieder nicht ausnutzen.

Das mag ein frommer Wunsch sein, doch

wenn ich mir den genossenschaftlichen

Förderauftrag ansehe, muss die Frage nach

dem „höheren“ Ziel erlaubt sein. Geht

es um die Bank, die Fremde filetiert, oder

geht es um die Genossenschaft, die ihre

Mitglieder fördert? Wenn das zweite Ziel

kein Lippenbekenntnis ist, müssen viele

Genossenschaften ihre flotte Werbung in

die Tonne werfen, weil die Sprüche lebens-

gefährlicher Müll für Geist, Seele und

Verstand sind.

Wie sieht die Genossenschaft der Zukunft

aus? Das ist die einfache und gute Bank. Ich

stelle die Behauptung auf, dass 15 Produkte

ausreichen, um 95 Prozent der Menschen

glücklich zu machen, wenn es um Geld

geht. Wem gelingt, was Aldi geschafft hat,

dem gebühren Lob, Ehr und Dank. Es geht

um die Versorgung von 117.000 Heil-

beruflern mit einfachen, guten und preis-

günstigen Finanzprodukten.

Was ich darunter verstehe, möchte ich Ihnen

in den nächsten Wochen anhand konkreter

Beispiele zeigen. Darf ich Sie zu einer mun-

teren „Geldreise durch das Leben des Zahn-

arztes“ einladen? Wir fangen bei den Junio-

ren an, die noch nichts auf der hohen Kante

haben, und hören bei den Senioren auf, die

im Geld schwimmen. Dazwischen gibt es

viele Phasen, in denen Geldfragen zu klären

sind. Denken Sie an den Berufsstart, die

Praxisgründung, die Familienabsicherung, die

Eigenheimfinanzierung, den Vermögensaufbau,

die Altersvorsorge, die Ruhestandsplanung

und die Testamentsgestaltung.

Bildung ist das halbe Leben. Ich will erreichen,

dass nicht wenige, sondern viele Zahnärzte

„gut“ mit ihrem hart verdienten Geld um-

gehen. Sie sind herzlichst eingeladen, an

dieser Geldreise teilzunehmen!

\

Volker Looman zur finanziellen Bildung der Zahnärzte

Genossen aller Banken, erhebt Euch!

Der Autor ist freiberuf-

licher Finanzanalytiker

in Stuttgart. Jede Woche

veröffentlicht er in der

BILD und in der FAZ

einen Aufsatz über

Geldanlagen. Außerdem

unterstützt er Zahnärzte

auf Honorarbasis bei

der Gestaltung des

Privatvermögens.

www.looman.de

Kolumnen entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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Praxis