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107, Nr. 6, 16.3.2017, (582)

Parodontaler Screening-Index – Es besteht ein Interpretationsdurcheinander!

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Überlegungen zum Parodontalen Screening-Index (PSI)

Ich bin bestimmt kein Index-Spe-

zialist. Aber die Ungereimtheiten

mit dem PSI ärgern mich schon

einige Zeit. Nach meiner Ein-

schätzung nimmt in unserem

Fachgebiet das Inexakte perma-

nent zu. Mir wären klare und ein-

eindeutige Lösungen lieber!

Über die Behandlungsnotwen-

digkeit der Parodontitis sind wir

uns einig. Über elf Millionen

schwere Fälle sind allein in der

Altersgruppe 35 bis 74 Jahre zu

finden. Nur eine Million Paro-

dontalstatus wurden 2015 bei

der KZBV abgerechnet.

Bei einem Kassenbudget von

13,4 Milliarden Euro im Jahr

2015 für die Zahnmedizin ent-

fielen auf die Parodontologie

441 Millionen (3,3 Prozent). Das

dokumentiert natürlich auch ein

Missverständnis der Verantwort-

lichen zur Rolle der Parodontal-

erkrankungen für die Gesamt-

gesundheit.

Der Parodontale Screening-Index

(PSI) ist mittlerweile in den

Praxen etabliert und soll den

Zahnärzten helfen, Parodontitis-

patienten zu finden und einer

exakten Diagnostik wie Therapie

zuzuführen. Indizes sollen Be-

funde vergleichbar machen. Sie

sollen einfach und schnell zu

erheben sein.

Der PSI als Individualindex wurde

vom epidemiologischen CPITN

abgeleitet. Hier liegt das Problem

im Verständnis – Mittelwerte

(Epidemiologie) und Individual-

werte sagen eben sehr Unter-

schiedliches aus. Das ist wie bei

dem Sprichwort: „Der Teich war

im Durchschnitt einen Meter

tief – die Kuh ist trotzdem drin

ersoffen.“ Die Graduierung des

CPITN mit seinen fünf Kategorien

wurde beim PSI übernommen.

Wozu ist nun der Index gut? Die

DG Paro meint, bei Grad 3 und 4

besteht eine Parodontitis. Ebenso

denkt die KZBV und drückt das

in den Kassenrichtlinien aus.

Andere wieder sprechen nur von

der „Verdachtsdiagnose Paro-

dontitis“, die aus dem PSI abge-

leitet werden kann.

Die Fachgesellschaft für Paro-

dontologie gab einen Patienten-

ratgeber (Gaba) und in Zusam-

menarbeit mit der KZBV einen

Flyer in die Kassenpraxen.

Beide enthalten sogar Therapie-

empfehlungen, die man aus den

einzelnen Graden des Indexes

ableitet.

Aber jeder gut ausgebildete

Zahnarzt weiß, dass vor der

Therapie die Diagnostik steht. Ein

Screening ist keine Diagnostik.

Eine sofortige Therapie kann

nicht nachfolgen. Eine Parodon-

titis kann nicht durch Screening

diagnostiziert werden.

Es besteht ein Interpretations-

durcheinander. Dazu tragen

auch zusätzliche, nicht erforder-

liche Ergänzungen wie der Hin-

weis auf vorhandene Furkationen

bei. Die Forderung nach Einfach-

heit für das Hilfsmittel Index er-

füllt sich hier für die Praxis nicht.

Die Fachwelt hat den Index

aufgeblasen zu einer einzigen

großen Seifenblase. Was sagt der

PSI nun aber wirklich aus ? Der PSI

ist ein (individueller) Screening-

Index, der bei den Graden 0, 1

und 2 eine Parodontitis aus-

schließt. Bei den Graden 3 oder

4 kann (aber muss nicht) eine

Parodontitis vorliegen. Das Wort

„kann“ muss hier besonders her-

vorgehoben werden. Misst man

nur einen einzigen Taschenmess-

wert der Kategorie 3 oder 4, kann

das Screening beendet werden.

Man weiß nun bereits, dass eine

fachgerechte Parodontaldiagnos-

tik, die umfangreiches Wissen und

Erfahrung erfordert, eingeleitet

werden muss.

Nun ergibt sich die Frage, wieso

bei einem Output in zwei Kate-

gorien hier viel mehr, nämlich

fünf Input-Kategorien erforder-

lich sind. Warum muss ich an-

fangs in fünf Kästen und Kiefer-

sextanten unterscheiden, wenn

dann doch nur zwei Kategorien

übrig sind, die Relevanz haben?

Es wirdmehr Aufwand betrieben,

als wirklich nötig ist. Input:

Grad 0 – Grad 1 – Grad 2 – Grad

3 – Grad 4; gesund – Blutung –

Zahnstein – Taschen bis 5,5 mm

– Taschen ab 6 mm. Output:

keine Parodontitis – Parodontitis

möglich.

Einfacher ist die Aussage des PSI

mit einem Easy-PSI zu erlangen:

Bei einer Easy-Variante des PSI

hätte man statt der jetzigen fünf

eben nur zwei Input- und wie

bisher zwei Output-Kategorien.

Diese zwei Input-Scores würden

folgendermaßen heißen: A –

keine Taschen, B – Taschen vor-

handen.

Dann wäre die Schlussfolgerung

für die Kollegenschaft klarer:

A – Parodontitis nicht möglich,

B – Parodontitis möglich, weitere

Diagnostik (zum Beispiel Rönt-

gen) muss folgen.

Eine Gliederung in Sextanten

wäre unnötig. Bei der Taschen-

messsonde würde ein einziger

deutlicher Scalenring bei 3,5 mm

ausreichen. Die Vorteile liegen

auf der Hand: Der Index wird

sehr einfach und übersichtlich,

und es werden weniger Kollegen

das Screening mit einer regel-

rechten Parodontaldiagnostik

verwechseln.

Obwohl der DG Paro ebenso wie

der KZBV die Sachverhalte be-

kannt sind, unternehmen beide

Organisationen nichts, um ihre

in die Praxen breit gestreuten,

aus meiner Sicht falschen Info-

materialien zu korrigieren. Als ob

Indikativ oder Konjunktiv das

Gleiche zu bedeuten hätten, frei

nach dem Motto: Es ist egal,

ob es eine Parodontitis ist oder

aber eine sein könnte. Es ist ein

erheblicher Unterschied, ob man

im Lotto eine Million tatsächlich

gewonnen hat – oder aber hätte

gewinnen können.

Der PSI ist ein einfacher Index

für die Praxis. Wir als Praktiker

benutzen ihn und müssen für uns

das Recht einfordern, ihn sinnvoll

weiterzuentwickeln.

Dr. med. Michael Krause, Dresden

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