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107, Nr. 6, 16.3.2017, (664)
Mit jedem internationalen (zahnärztlichen) Hilfseinsatz gewinnt man einen Einblick in ein
fremdes Land. Doch es bleibt eine Momentaufnahme, erst durch mehrere Erfahrungs-
berichte gelingt ein umfassenderes, ausgewogenes Porträt der zahnmedizinischen Versor-
gungssituation, der bürokratischen Hürden und der kulturellen Eigenheiten.
Dr. Juliane Frühbuss und Dr. Dieter Buhtz waren beide mehrmals in Myanmar. Frühbuss be-
richtet von ihren Einsätzen an burmesischen Schulen – über die Schwierigkeiten bei der
Etablierung einer Gruppenprophylaxe und vom Kampf gegen die Betelnuss. Buhtz spricht
im Interview über mögliche Präventionsstrategien und das Behandlungsspektrum an Bord
eines Hospitalschiffs.
Helfen in …
Myanmar
Grafik: [M] 123levit - Fotolia.com
„Wir sind seit 2008 in Myanmar und ich
kann im eigenen Wirkungsfeld Fortschritte
erkennen“, berichtet Dr. med. dent. Juliane
Frühbuss, Zahnärztin und Public-Health-
Expertin. Sie untersucht und behandelt
im Rahmen ihrer Einsätze einmal pro Jahr
zwei Monate lang mit ihrem Team vornehm-
lich Kinder in staatlichen burmesischen
Schulen.
Zahnmedizinisch ist Myanmar unterver-
sorgt. Die Zahl der Behandler beziffert Früh-
buss auf etwa 4.000 bei rund 52 Millionen
Einwohnern. Davon arbeiteten die meisten
in den Großstädten Yangon und Mandalay
sowie in kleineren Städten. Die Land-
bevölkerung komme nur selten zu einem
Zahnarztbesuch – ein klassisches Stadt-Land-
Gefälle. Durchschnittlich 108.000 Kyat (73
Euro) verdiene ein Burmese aus der Unter-
schicht im Monat, Tagelöhner 5.000 bis
6.000 Kyat (3 bis 4 Euro) pro Tag. Für beide
Gruppen sei ein Zahnarztbesuch oft nicht
bezahlbar.
Deutsche Zahnärzte spielten eine geringe
Rolle im Land. Frühbuss: „Die burmesische
Zahnärzteschaft ist eine fast geschlossene
Gesellschaft, zu der nur wenige Ausländer
Zutritt haben. Ich habe auf den Jahres-
tagungen von 2011und 2013 vor Ort unser
deutsches System der Gruppenprophylaxe
vorgestellt und einen möglichen Public-
Health-Ansatz thematisiert.
Doch das Interesse der Zahnärzte richtet
sich mehrheitlich auf neue Technologien,
deutsche Zahntechnik ist sehr bekannt.
2014 wurde eines unserer Mitglieder, ein
Zahntechnikermeister, zu einem Workshop
ins Dental Council eingeladen und hat auf
Wunsch des Präsidiums über keramische
Veneers und deren Herstellungsprozess
referiert.“ Myanmar orientiere sich sonst
sehr viel eher an den USA, Großbritannien,
Japan und den südostasiatischen Nachbar-
ländern Thailand, Malaysia und Singapur,
wo viele Exilburmesen arbeiten. Und japa-
nische Zahnärzte hätten in Myanmar einen
so hohen Stellenwert, weil sie Förderpro-
gramme für Doktoranden zur Verfügung
stellen.
Die bürokratischen Hürden sind streng und
anstrengend, sagt Frühbuss: „Für alle in
Myanmar tätigen Zahnärzte gibt es ein
Dental Council Law, also ein Kammergesetz.
Das ist auch für uns verbindlich und schreibt
vor, dass wir uns mit einem Lebenslauf, der
Approbation sowie einem ‚Certificate of
good Standing‘ [ausgestellt von der jeweili-
gen Landeskammer in Deutschland, gültig
für sechs Monate] beim ‚Ministry of Health‘,
sprich dem Gesundheitsministerium, anmel-
den müssen. Dieses erteilt dann die Geneh-
migung, die durch das Dental Council aus-
Myanmar Dental Charity Group
Wo die Betelnuss gekaut wird
Zahnbürsten nimmt sie nicht mehr mit – und das sind nicht die einzigen Fortschritte, bilanziert Dr. Juliane Frühbuss ihre
Einsätze in den vergangenen neun Jahren. Doch es gibt immer noch große Baustellen: die geringen finanziellen Ressourcen
im Gesundheitswesen, die Vorliebe für technische Innovationen statt Prävention und die ewige Versuchung Betelnuss.
Dr. Juliane Frühbuss
weiß, dass Ihr
Engagement in
Myanmar nur eine
punktuelle Hilfe ist.
Weil aber die Finan-
zierung des staat-
lichen burmesischen
Gesundheitswesens
schleppend verläuft,
bleibt sie vor Ort
aktiv.
Foto: Frühbuss
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