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107, Nr. 12, 16.6.2017, (1493)

offensichtlich schwierig, eine kritische Zahl

an deutschsprachigen Autoren zu finden.

Wohl vor diesem Hintergrund begann

Schmedicke, vermehrt Orginalarbeiten aus-

ländischer Autoren zu übersetzen und

zusammenzufassen – ein Umstand, der dem

Organ die Kritik einbrachte, ein (bloßes)

„Übersetzungsblatt“ zu sein.

Ebenfalls 1846 veröffentlichte Schmedicke

das „Zahnärztliche Rezepttaschenbuch“, das

er als „Sammlung erprobter Arzneiformeln“

auf dem Gebiet der Zahnheilkunde bezeich-

nete. Hierbei handelte es sich um das

erste Arzneimittellehrbuch für Zahnärzte.

Das Werk enthielt nicht nur eine Rezept-

sammlung, sondern auch eine Systematik

zahnärztlicher Arzneimittel.

Neben dem Praktiker, Redakteur und Autor

ist auch der Standes- und Interessenpolitiker

zu würdigen: Schmedicke war Initiator der

allerersten deutschen zahnärztlichen Ver-

einigung – des am 24. Januar 1847 konsti-

tuierten „Vereins der Zahnärzte zu Berlin“.

Schwerpunkte der Organisation waren die

Förderung der Kollegialität, die Besprechung

praxisrelevanter Fälle und standespolitische

Aktivitäten. Schmedicke gehörte dem – zeit-

weilig von seinem späteren Schwiegervater

geleiteten – Vereinsvorstand bis zu seinem

Tod als (stellvertretender) Sekretär an, und

„Der Zahnarzt“ fungierte hierbei als Vereins-

organ [Maretzky/Venter, 1974].

Auch Schmedickes Entschluss, mit Beginn

des Sommersemesters 1850 in Anbindung

an die Universität in Berlin Lehrveranstal-

tungen im Fach Zahnheilkunde anzubieten,

war standespolitisch motiviert: Er hielt die

Ausbildung und Prüfung der Zahnärzte für

nicht mehr zeitgemäß, trat (vergeblich) für

eine Anhebung der schulischen Voraus-

setzungen und die Errichtung zahnmedizi-

nischer Lehrstühle ein und wurde so zum

ersten Zahnarzt in Deutschland, der der-

artige Fachveranstaltungen abhielt – darun-

ter einen Repetitionskursus der gesamten

Zahnheilkunde und einen praktischen

Kursus für zahnärztliche Technik. Auch diese

Aufgaben nahm er bis zu seinem Tod wahr

[Visser, 1937].

An der 1859 erfolgten Gründung des „Cen-

tral-Vereins deutscher Zahnärzte“ (CVdZ,

seit 1933 DGZMK) hatte Schmedicke eben-

falls wesentlichen Anteil. Den Anstoß zur

Gründung der ersten überregionalen zahn-

ärztlichen Organisation in Deutschland gab

der Lüneburger Zahnarzt David Fricke. Die-

ser bat Schmedicke um den Abdruck eines

nationalen Aufrufs zur Teilnahme an einer

Gründungsversammlung. Schmedicke ver-

öffentlichte besagten Brief in der Februar-

Ausgabe von „Der Zahnarzt“ – und bereits in

der Juni-Ausgabe konnte er eine Einladung

zur Gründungsversammlung in Berlin ab-

drucken. Schmedicke war es auch, der im

August 1859 die Gründungsversammlung

leitete. Zum Vorsitzenden wurde hier der

renommierte Arzt und Zahnarzt Prof. Dr.

med. Moriz Heider aus Wien gewählt, wäh-

rend Schmedicke zum Vereinssekretär be-

stimmt wurde. Allerdings war das Verhältnis

von Heider und Schmedicke ausgesprochen

schwierig: Der anspruchsvolle Heider hatte

bereits 1849 öffentlich kritisiert, dass „Der

Zahnarzt“ kaum Originalarbeiten biete und

wissenschaftlichen Kriterien nicht stand-

halte. Dementsprechend trat Heider in der

Folge für die Gründung eines neues Vereins-

organs ein, während Schmedicke wohl

auf die Übernahme des „Zahnarztes“ als

Vereinszeitschrift gehofft hatte [Maretzky/

Venter, 1974].

Dass Schmedicke in Heiders Haltung einen

Affront sah, zeigt sich in der Tatsache,

dass er noch im selben Monat den „Verein

Deutscher Zahnärzte“ (VDZ) initiierte, der

nachfolgend in direkte nationale Konkur-

renz mit dem CVdZ trat [Holzhauer, 1962;

Groß/Schäfer, 2009]. Im Oktober 1859 gab

Schmedicke dem Vorstand des CVdZ dann

offiziell seinen Austritt bekannt, „weil eine

Theilnahme meinerseits an der Ausführung

seines Vorhabens, ein neues zahnärztliches

Journal zu gründen, mit meinen Pflichten als

Herausgeber der Monatsschrift ,Der Zahn-

arzt‘ nicht in Einklang zu bringen ist“ [Groß/

Schäfer, 2009]. Allerdings erwies sich der

„Verein Deutscher Zahnärzte“ nicht als echte

Konkurrenz für den CVdZ: Die letzte Ver-

sammlung des VDZ fand im September

1862 in Dresden statt, und mit dem frühen

Tod von Schmedicke im Jahr 1863 hörte der

Verein auf zu existieren [Holzhauer, 1962;

Groß/Schäfer, 2009].

Zu einer Versöhnung mit Heider kam es ver-

mutlich nicht mehr. Noch 1862 richtete

Heider an Schmedicke die folgenden Worte:

„Nach dem Gesagten wird es Sie hoffentlich

nicht mehr in Erstaunen setzen, dass es der

Central-Verein Deutscher Zahnärzte für seine

erste Aufgabe erachtete, eine Zeitschrift zu

gründen und zu seinem Organ zu machen,

welche vor Ihrer Zeitschrift wenigstens das

voraus hatte, keine Vergangenheit zu haben,

an welche sich eine den deutschen Namen

kompromittierende Erinnerung knüpft“

[Groß/Schäfer, 2009].

Unbeschadet der Dissonanzen mit Heider

erfuhr Schmedicke in seinem kurzen Leben

breite fachliche Anerkennung: So verlieh

ihm der 1856 in Hamburg gegründete

„Zahnärztliche Verein“ 1859 die Ehren-

mitgliedschaft und im Februar 1860 wurde

er zudem vom Fürsten zu Hohenzollern-

Sigmaringen zum Hofzahnarzt ernannt.

Der Praktiker, Redakteur, Fachautor und

Standespolitiker Schmedicke war seinen

zahnärztlichen Kollegen mit seinen Initiati-

ven zeitlich deutlich voraus. Und auch

wenn sich „Der Zahnarzt“ und der „Verein

Deutscher Zahnärzte“ letztlich nicht gegen

die jeweilige Konkurrenz – die „Deutsche

Vierteljahrsschrift für Zahnheilkunde“ und

den CVdZ – behaupten konnten, erfüllten

sie doch eine wesentliche Schrittmacher-

funktion für das zahnärztliche Zeitschriften-

und Vereinswesen und damit für die Verwis-

senschaftlichung des Faches Zahnheikunde.

Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Dr. phil.

Dominik Groß

RWTH Universität Aachen Medical School

Wendlingweg 2, 52074 Aachen

Die Literaturliste kann auf

www.zm-online.de

abgerufen oder in der Redaktion angefordert

werden.

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