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107, Nr. 12, 16.6.2017, (1494)
„Erst vor wenigen Wochen rief eine Zahn-
ärztin an, die von einem Patienten in den
Arm gebissen wurde, weil sie seinen
Forderungen nicht gefolgt war. Eine andere
Zahnärztin wurde mit Instrumenten vom
Tray beworfen“, berichtet eine Angestellte
der Zahnärztekammer Niedersachsen. Ähn-
liches erzählen die Kollegen in Schleswig-
Holstein. Hier sah sich ein Zahnarzt auf dem
Ärzte-Bewertungsportal Jameda plötzlich
einem regelrechten Shitstorm ausgesetzt,
weil sich ein Patient über eine Rechnung ge-
ärgert hatte. „Unfreundlich und inkompent“
beschimpfte er den Zahnarzt und verteilte
Gewalt gegen Zahnärzte
„Ich weiß, wo du wohnst“
Pöbelnde Patienten und aggressive Angehörige finden sich nicht mehr nur in der
Notaufnahme und im Bereitschaftsdienst: „Beschimpfung wegen angeblicher
Fehlbehandlung“, „im Wartezimmer herumgebrüllt“ – sogar von Kämpfen
mit Patienten können Zahnärzte berichten. Sind dies Einzelfälle oder wird
die zunehmende Gewaltbereitschaft unterschätzt?
Foto: fpic – Fotolia
die schlechtesten Noten auch für Bereiche,
die mit der Behandlung nichts zu tun hat-
ten. Darüber hinaus forderte er öffentlich
andere Patienten dazu auf, eine andere
Praxis aufzusuchen. Erst die Ankündigung
des Zahnarztes eine Strafanzeige wegen
Verleumdung stellen zu wollen, ließ den
Patienten einlenken: Die Einträge wurden
gelöscht, die Rechnung bezahlt.
Immer wieder hört und liest man in den
Medien von solchen Fällen* – systematische
Untersuchungen zur Häufigkeit und zur
Ausprägung aggressiven Verhaltens gegen-
über Zahnärzten hierzulande fehlen jedoch.
Anders bei den Ärzten: Eine bundesweite
Befragung, veröffentlicht als Originalarbeit
im Deutschen Ärzteblatt [Vorderwülbecke F.
et al.: Aggression und Gewalt gegen Allge-
meinmediziner und praktische Ärzte, Dtsch
Arztebl Int, 2015], liefert erstmals Ergebnisse
zur Aggression und Gewalt gegen Allge-
meinmediziner und praktische Ärzte in
Deutschland. Demnach waren 73 Prozent
der Befragten in den vergangenen zwölf
Monaten mit aggressivem Verhalten von
Patienten konfrontiert.
Studie untersucht erstmals
Gewalt gegen Hausärzte
Die systematische Untersuchung war ange-
legt als Zufallsstichprobe in Form einer ein-
maligen postalischen Befragung von 1.500
Allgemeinmedizinern und praktischen Ärzten
mit anonymisierter Auswertung. Die Grund-
gesamtheit umfasste alle in Deutschland
zum Erhebungszeitpunkt im Oktober 2013
niedergelassen tätigen Fachärzte für Allge-
meinmedizin und praktische Ärzte.
Ziele der durch die Ethikkommission der Fa-
kultät für Medizin der Technischen Universität
München geprüften Untersuchung waren,
das allgemeine Sicherheitsgefühl zu er-
fassen, das Hausärzte in der Praxis, auf
Haus-/Heimbesuch und im Bereitschafts-
dienst (Praxis und Hausbesuch) erleben,
den Anteil von Hausärzten zu ermitteln,
die jemals in ihrer professionellen Tätigkeit
mit verschiedenen aggressiven Verhaltens-
weisen konfrontiert wurden,
die Häufigkeit solcher Vorfälle in den zwölf
Monaten vor der Befragung zu ermitteln
sowie den schwerwiegendsten aggressiven
Vorfall des jeweiligen Befragten mit Erfassung
der Tatumstände, von Merkmalen des Täters
und der Tatfolgen zu dokumentieren.
Per Fragebogen wurde ermittelt, ob Aggres-
sion jemals, in den vergangenen zwölf
Monaten und – wenn ja – wie häufig in den
vergangenen zwölf Monaten erlebt wurde.
Folgende Formen der Aggression wurden
dabei unterschieden:
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Praxis