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107, Nr. 12, 16.6.2017, (1497)
(vor allem der befragten Ärztinnen), zeigt,
dass hier ein besonderer Problembereich in
der hausärztlichen Tätigkeit liegt.“
Gilt dies auch für den zahnärztlichen Not-
dienst? Eine Umfrage der Ärztekammer des
Saarlands, Abteilung Zahnärzte, mit ins-
gesamt 69 Teilnehmern, darunter 43 Zahn-
ärzte und 24 Zahnärztinnen, hat keinerlei
Gefahrenpotenzial erkennen lassen. „Noch
nie“ wurde der Mehrheit der Befragten von
Patienten mit Gewalt gedroht. Ein anderes
Bild zeichnet die Zahnärztekammer Sachsen-
Anhalt. Sie hat Ende 2016 ihre Mitglieder
gefragt, ob sie im Notdienst schon einmal
eine bedrohliche Situation erlebt haben.
Das Ergebnis: Jeder vierte Befragte bejahte
diese Frage – allesamt Frauen.
Sicher bei der Arbeit im Notdienst fühlt
sich demnach nur eine Zahnärztin, fast 73
Prozent sagen, es ginge so, ein Viertel fühlt
sich gar nicht sicher. Bei den Männern zeigt
sich ein völlig anderes Bild: 60 Prozent
fühlen sich total sicher, 40 Prozent sagen,
es ginge so. Knapp die Hälfte der befragten
Zahnärztinnen hat schon einmal von Kollegen
Berichte über bedrohliche Situationen im
Nachtdienst gehört – bei den Männern nur
jeder Fünfte. Wohl wegen dieser Unsicher-
heit hat mehr als jede zweite befragte Zahn-
ärztin Maßnahmen ergriffen, um sich im
Notdienst besonders zu schützen: vom an-
wesenden Ehemann über den beauftragten
Sicherheitsdienst und das Mitführen von
Tränengas bis hin zur Behandlung nur noch
mit Assistenz reichen dabei die Maßnahmen.
83,3 Prozent der Männer halten die Auf-
regung dagegen für übertrieben. Ähnlich
gegensätzlich fällt die Antwort auf die
folgende Frage aus: Gehen Sie davon aus,
dass es in den kommenden Jahren mehr
bedrohliche Situationen im nächtlichen
Notdienst geben wird? Ja, auf jeden Fall,
sagen knapp zwei Drittel der befragten
Zahnärztinnen, drei Viertel der Männer
glauben das hingegen nicht.
Sicher nur mit Ehemann
oder Tränengas
Müsste der zahnärztliche Notdienst vor die-
sem Hintergrund künftig anders organisiert
werden? Auch diese Frage stellte die ZÄK
Sachsen-Anhalt ihren Mitgliedern. Bejaht
wurde sie von einem Drittel der befragten
Frauen, mehr als 80 Prozent der Männer
hielten von dieser Idee jedoch nichts.
”
Patient stehend im Wartezimmer,
beklagt zunächst lange Wartezeit,
wird laut, wirft mir Falschbehandlung vor.
Verbal aggressiv, nähert sich mir, kein
Körperkontakt.
aus der Studie „Gewalt gegen
Allgemeinmediziner und praktische Ärzte“
Der nächtliche Notdienst spaltet damit die
Geschlechter – während jede vierte Zahn-
ärztin schon einmal bedrohliche Situationen
erlebt hat und sich nicht mehr sicher fühlt
und jede zweite Schutzmaßnahmen ergriffen
hat, sind die Männer deutlich entspannter.
Es sei unverantwortlich, junge Frauen den
nächtlichen Notdienst übernehmen zu
lassen, heißt es in einem Barometer-Bogen.
Man könne aber auch nicht verlangen, dass
die Partner oder Ehemänner mit dabei seien.
„Hier besteht Handlungsbedarf, zumindest
für die Nacht!“, schreibt eine Zahnärztin
und schlägt vor, Sperrzeiten nach Berliner
Vorbild einzuführen oder Notfallpatienten
an die Universitätsklinik zu verweisen.
Auch die Autoren der Studie zu Gewalt
gegenüber Hausärzten raten zu einem Um-
denken: „Während zum Beispiel in Austra-
lien bereits 2009 ein Sicherheitsprogramm
für Allgemeinärzte (General Practice – a safe
place) durch das Royal Australien College
of General Practi-
tioners (RACGP)
eingeführt wurde,
scheint die Proble-
matik in Deutsch-
land bislang in
der (Fach-)Öffent-
lichkeit eher nicht
wahrgenommen
worden zu sein.
Aufgrund der er-
hobenen Daten
erscheint es je-
doch angebracht,
das Thema in der
ärztlichen Aus-
und Weiterbildung
zu implementieren
und Konzepte zum professionellen Umgang
mit Aggression zu finden.“ Die in weiten Tei-
len Deutschlands übliche Praxis, Ärztinnen
und Ärzte im Bereitschaftsdienst alleine und
ohne jegliche Sicherheitsstruktur zu meist
unbekannten Patienten zu schicken, sollte
– so das Fazit der Untersuchung – „kritisch
hinterfragt werden“.
Ein Ansatz könnte den Autoren zufolge der
Einsatz von medizinisch geschulten Fahrern
sein, die auch die Besuche begleiten: „Gerade
auch im Hinblick auf den hohen Anteil von
Ärztinnen im hausärztlichen Nachwuchs
müssen hier Lösungen gefunden werden,
die eine verbesserte Sicherheit für die ein-
gesetzten Medizinerinnen und Mediziner
garantieren. Darüber hinaus ist eine weitere
wissenschaftliche Beschäftigung mit dem
Thema wünschenswert, um zum Beispiel
Auslöser von Aggression im hausärztlichen
Behandlungskontext zu erforschen.“ nh
* Mehrere Kammern und KZVen konnten
keine Angaben zum Thema „Gewalt gegen
Zahnärzte“ machen. So schreiben die KZV
Sachsen und die ZÄK Sachsen: „Nur sehr
selten erreichen uns Fallberichte von
psychischer und/oder physischer Gewalt. Aus
Notdiensten ist kein solcher Fall bekannt.“
Die KZVB kann ebenfall keine Häufung
derartiger Vorfälle erkennen: „Unserer
Einschätzung nach handelt es sich bislang –
wenn überhaupt – um Einzelfälle.“ Der KZV
Rheinland-Pfalz sind gar keine Fälle bekannt,
in denen Zahnärzte mit aggressivem Verhalten
konfrontiert wurden.
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