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107, Nr. 12, 16.6.2017, (1496)
Aggressive Vorfälle kommen am meisten
in der Praxis vor:
Absolut gesehen (also
ohne Berücksichtigung der am jeweiligen
Ort verbrachten Arbeitszeit) sind aggressive
Vorfälle in der Praxis besonders häufig (85
Prozent jemals und 63 Prozent in den ver-
gangenen zwölf Monaten). Beim Hausbesuch
(33 Prozent beziehungsweise 14 Prozent),
beim Heimbesuch (23 Prozent beziehungs-
weise 9 Prozent), während des Bereitschafts-
dienstes in den Praxisräumen (30 Prozent
beziehungsweise 16 Prozent) oder beim
Hausbesuch im Rahmen des Bereitschafts-
dienstes (39 Prozent beziehungsweise 19
Prozent) waren diese deutlich seltener.
Am häufigsten kommt es zu Beleidigungen
und Beschimpfungen:
Beleidigungen und
Beschimpfungen waren mit Abstand die am
häufigsten berichteten Vorfälle. So gaben
73 Prozent der Teilnehmer an, irgendwann
einmal, und 48 Prozent, im vergangenen
Jahr in der Praxis beleidigt oder beschimpft
worden zu sein. Sachbeschädigung oder
Diebstahl (54 Prozent beziehungsweise 34
Prozent) sowie Rufschädigung oder Ver-
leumdung im Internet (48 Prozent bezie-
hungsweise 31 Prozent) wurden ebenfalls
häufig genannt. Sexuellen Belästigungen
waren insbesondere Ärztinnen ausgesetzt
(25 Prozent beziehungsweise 15 Prozent).
Drei Viertel berichten von körperlicher
Gewalt:
449 Teilnehmer machten weiter-
gehende Angaben zu dem Vorfall, den
sie selbst als den gravierendsten in ihrer
ärztlichen Laufbahn empfanden. 310 Teil-
nehmer schilderten die Vorfälle in einem
Freitextfeld mehr oder weniger genau. 67
Schilderungen betrafen Beleidigungen, 54
Bedrohungen, 74 körperliche Gewalt oder
Randalieren, 45 Gewalt mit Waffen oder
Gegenständen und 70 verschiedene andere
Ereignisse.
”
Wurde bei einem Hausbesuch im
Bereitschaftsdienst vor Jahren von
einem männlichen Patienten (Alkoholiker)
mit abgebrochener Bierflasche und Besen-
stiel bedroht.
aus der Studie „Gewalt gegen
Allgemeinmediziner und praktische Ärzte“
Aus Arztsicht wurden 38 Prozent der 449
Vorfälle als leicht, 41 Prozent als mittel-
schwer, 16 Prozent (73 Fälle) als schwer
und 4 Prozent (19 Fälle) als sehr schwer
angesehen. In 13 Prozent der Fälle waren
die betroffenen Ärztinnen/Ärzte ängstlich,
in 6 Prozent sehr ängstlich. 58 Prozent der
Vorfälle ereigneten sich in der Praxis, 19
Prozent beim Hausbesuch während des
Bereitschaftsdienstes und 12 Prozent bei
normalen Hausbesuchen.
Die Täter sind meist männlich, alkoholi-
siert und/oder psychisch erkrankt:
In vier
von fünf Vorfällen waren die Täter männlich.
Die Täter kamen aus den unterschiedlichsten
Altersgruppen. Alkohol, Drogen, psychische
Erkrankungen oder eine Kombination von
zwei beziehungsweise allen dreien dieser
Faktoren spielten in etwa der Hälfte der
Fälle (51 Prozent) eine Rolle, in weiteren 15
Prozent konnte dies zumindest nicht ausge-
schlossen werden.
In 90 Fällen (20 Prozent) führte der Vorfall
zu einer Meldung beziehungsweise Anzeige
bei der Polizei, in zwölf Fällen (3 Prozent)
entstand ein seelischer, in zwei Fällen (< 1
Prozent) ein körperlicher Schaden. 81 Be-
troffene (18 Prozent) änderten aufgrund
des Vorfalls ihren Umgang mit Patienten.
Kein Zusammenhang zwischen Arzt-
merkmalen und Vorfällen:
In den multi-
variaten Regressionsanalysen zeigte sich
kein Zusammenhang zwischen den Arzt-
merkmalen Geschlecht, Alter, Migrations-
hintergrund sowie Art und Ort der Praxis
mit dem Bericht eines schwerwiegenden
aggressiven Vorkommnisses. Lediglich eine
finanziell eher schwache Praxisklientel war
mit einer solchen Erfahrung leicht assoziiert.
Ein geringeres Sicherheitsgefühl war da-
gegen unabhängig von den einzelnen
Tätigkeitsorten deutlich mit den Arztmerk-
malen weibliches Geschlecht und dem Er-
lebnis eines schwerwiegenden aggressiven
Vorkommnisses in der Vergangenheit asso-
ziiert. Höheres Alter und eine Großstadtlage
der Praxis zeigten mit drei beziehungsweise
zwei Tätigkeitsorten eine signifikante Asso-
ziation.
Muss der Notdienst anders
organisiert werden?
„Hausärztinnen und -ärzte in Deutschland
sollten sich darauf vorbereiten, dass sie im
Verlauf ihrer Tätigkeit mit hoher Wahrschein-
lichkeit Formen von Aggression gegenüber-
stehen werden“, schlussfolgern die Studien-
autoren. Als besonders problematisch iden-
tifizieren sie den Bereitschaftsdienst: „Geht
man davon aus, dass das befragte Kollektiv
circa ein Zehntel seiner Arbeitszeit im Bereit-
schaftsdienst verbracht hat, sind aggressive
Vorkommnisse dort jedoch relativ gesehen
am häufigsten“, heißt es im Fazit der Studie.
Und weiter: „Die Verknüpfung des Ergeb-
nisses, dass schwere Aggressionsformen im
Bereitschaftsdienst (Hausbesuch) relativ
häufiger vorkommen mit den Schilderun-
gen eines schlechten Sicherheitsgefühls
Aggressive Vorfälle
in der Praxis sind
besonders häufig. 42
Prozent der Ärztinnen
und 30 Prozent der
Ärzte fühlen sich dort
nicht „sehr sicher“.
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Praxis