

zm
107, Nr. 12, 16.6.2017, (1495)
Beleidigung/Beschimpfung
[= leichte Aggressionsform]
Bedrohung/Einschüchterung
[= mittelschwere Aggressionsform]
leichte körperliche Gewalt (Schubsen,
Bedrängen, Festhalten)
[= mittelschwere Aggressionsform]
ausgeprägte körperliche Gewalt (Beißen,
Schlagen, Treten, Würgen)
[= schwere Aggressionsform]
Bedrohung mit Gegenstand oder Waffe
[= schwere Aggressionsform]
Angriff mit Gegenstand oder Waffe
[= schwere Aggressionsform]
sexuelle Belästigung (anzügliche Bemer-
kungen und Gesten; Grapschen außer
Brüste und Genitalien)
[= mittelschwere Aggressionsform]
sexueller Missbrauch (Grapschen von
Brüsten und Genitalien; sexuelle Nötigung;
Vergewaltigung)
[= schwere Aggressionsform]
Sachbeschädigung/Diebstahl
[= mittelschwere Aggressionsform].
Zudem wurden Rufschädigung, Verleum-
dung, falsche Aussagen auf Ärzteportalen
im Internet und Stalking erfragt.
”
Patient dreht durch: Zahnarzt
gewürgt!
aus der Bützower Zeitung
vom 23.10.2013
Von den 1.500 Aussendungen wurden
1.408 Ärzte erfolgreich angeschrieben, 835
Teilnehmer sendeten ausgefüllte Frage-
bögen zurück. Da protokollgemäß bei der
Analyse das Geschlecht mitberücksichtigt
wurde, mussten vier Fragebögen ohne
Geschlechtsangabe aus der Auswertung
ausgeschlossen werden. Somit beruhen die
folgenden Ergebnisse auf den Angaben von
831 Teilnehmern – dies entspricht 59 Pro-
zent der erfolgreich Angeschriebenen.
40 Prozent der Antwortenden waren
Ärztinnen, 60 Prozent Ärzte. Die Ärztinnen
waren im Mittel seit 19 Jahren hausärztlich
tätig, die Ärzte seit 22 Jahren. Ärztinnen
waren etwas häufiger in Großstädten tätig
und führten durchschnittlich weniger Haus-
besuche durch als ihre männlichen Kollegen.
73 Prozent der Befragten
berichten von Gewalt
Aus den Ergebnissen geht hervor, dass
beinahe jeder Befragte in seiner Laufbahn
bereits Erfahrungen mit Aggression in
irgendeiner Form gemacht hat. In den
zwölf Monaten vor der Befragung war mehr
als die Hälfte leichter oder mittelstarker
Aggression ausgesetzt. Mehr als jeder
zehnte Hausarzt war in diesem Zeitraum
mit schwerer Aggression oder Gewalt kon-
frontiert. Die Ergebnisse im Detail:
Sicherheitsgefühl
beim Bereitschafts-
dienst sinkt:
In ihren Praxisräumen und bei
Heimbesuchen fühlt sich die überwiegende
Mehrheit der Antwortenden sicher oder
sehr sicher. Ärztinnen fühlen sich jedoch
seltener sehr sicher als Ärzte (58 versus 70
Prozent in den Praxisräumen und 63 versus
73 Prozent beim Heimbesuch).
”
Ein Zahnarzt berichtete, dass ihm
angedroht worden sei, man wisse,
wo er wohnt und dass er ein Wohnmobil
hat, da werde man die Reifen zerstechen.
Zahnärztekammer Niedersachsen
Bezogen auf Hausbesuche oder Bereitschafts-
dienste in der Praxis ist der Anteil der Teil-
nehmer, die „teils-teils“, „eher nicht sicher“
oder „gar nicht sicher“ ankreuzten, höher:
bei den Ärztinnen 16 Prozent (Hausbesuch)
und 31 Prozent (Bereitschaftsdienst in der
Praxis), bei den Ärzten 9 Prozent beziehungs-
weise 20 Prozent. Zu den Fragen nach dem
Sicherheitsgefühl bei den Hausbesuchen
während eines Bereitschaftsdienstes steigen
die entsprechenden Antworthäufigkeiten
auf 66 Prozent bei den Ärztinnen und 34
Prozent bei den Ärzten.
Nahezu jeder Befragte hat bisher
aggressives Verhalten erlebt:
9 Prozent der
Teilnehmer haben in ihrer Laufbahn nie
aggressives Verhalten erlebt, 27 Prozent
nie in den vergangenen zwölf Monaten.
Dementsprechend berichteten 91 Prozent
der Teilnehmer, irgendwann in ihrer haus-
ärztlichen Laufbahn mit aggressivem Ver-
halten in irgendeiner Form konfrontiert
gewesen zu sein, für die vergangenen zwölf
Monate gaben dies 73 Prozent an.
Leichte aggressive Vorkommnisse wurden
von 79 Prozent der Teilnehmer irgendwann
und von 54 Prozent in den vergangenen
zwölf Monaten erlebt. Ärztinnen waren hier
etwas häufiger betroffen als Ärzte (60 versus
51 Prozent). Bei mittelschweren Vorkomm-
nissen lagen die Zahlen bei 81 Prozent
(jemals aggressives Verhalten erlebt) und
58 Prozent (in den vergangenen zwölf
Monaten aggressivem Verhalten ausge-
setzt), bei schweren bei 23 Prozent (jemals)
und 11 Prozent (in den vergangenen zwölf
Monaten; ohne signifikanten Geschlechts-
unterschied).
Ein verletztes Schamgefühl seitens der
Patienten, empfundene Informationsdefizite,
aber auch die Sorge Angehöriger um Familien-
mitglieder sind oft der Auslöser für aggressives
Verhalten.
Beleidigungen sind ein Warnzeichen da-
für, dass der Patient die Contenance verliert
und in der Folge vielleicht auch körperlich
rabiat wird.
Werden diese Signale ignoriert, besteht
die Gefahr, dass die Situation eskaliert.
Wenn eine rhetorische Deeskalation
nicht funktioniert, denken Sie daran: Es
ist schwierig, wildfremde Menschen richtig
einzuschätzen. Sie wissen nicht, ob und
wann die Person in die Luft geht.
Kommt es zu Gewaltandrohungen: Gewalt-
täter haben immer ein Drehbuch im Kopf.
Funken Sie dazwischen! Das bringt den Täter
aus dem Konzept.
Versuchen Sie Zeit zu gewinnen: Ein
(simulierter) eingehender Anruf auf Ihrem
Handy oder ein Taschenalarm mit schrillem
Signalton überrascht oder erschreckt den
Täter. Der Alarm informiert zudem die
Öffentlichkeit.
Vorsicht vor Pfefferspray! Im schlimmsten
Fall wird Ihnen die Dose entwendet und Sie
werden selbst damit angegriffen.
Amwichtigsten ist, das Gefühl der eigenen
Hilfslosigkeit zu verarbeiten.
Auszug aus einem Podcast-Interview
auf via medici mit Dr. Martin Eichhorn,
Spezialist für Gewaltprävention im
medizinischen Bereich.
Richtiges Verhalten gegenüber aggressiven Patienten
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