Table of Contents Table of Contents
Previous Page  30 / 100 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 30 / 100 Next Page
Page Background

zm

107, Nr. 1, 1.1.2017, (30)

Titan ist ein metallisches Element und findet

sich an Position 22 im Periodensystem. Es ist

das allgemein siebthäufigste Metall [Barks-

dale, 1968]. Die wichtigste Verbindung mit

bis zu 95 Prozent des global verwendeten

Titans ist das TiO

2

. Es ist weit verbreitet in

Form von Mikro- beziehungsweise Nano-

partikeln in Verbrauchsgütern, zum Beispiel

in Kosmetikartikeln oder auch in Lebens-

mitteln, um beispielsweise UV-Schutz oder

Weißfärbung zu vermitteln. Als typische

Titandosis über Lebensmittelaufnahme wird

für einen erwachsenen US-Amerikaner der

Wert von 1mgTitan / kgKörpergewicht / Tag

angegeben [Weir, 2012].

Titan kommt ebenso in leichten Legierun-

gen zum Einsatz, die eine hohe Korrosions-

beständigkeit und Biokompatibilität aufwei-

sen müssen. Aus diesen Gründen werden

Titanlegierungen oder auch Reintitan in

vielen metallischen Implantaten verwendet

[Fage, 2016]. Die hierbei häufigsten Formen

sind die TiAl

6

V

4

-Legierung beziehungsweise

Reintitan. Wichtig hierbei ist zu wissen, dass

auch das sogenannte „Reintitan“ Verunrei-

nigungen durch andere Metalle wie zum

Beispiel Nickel enthalten kann [Harloff,

2010]. Insgesamt findet in der Mundhöhle

Titanexposition über Zahnpasta, Lebens-

mittel und dentale Titanimplantate statt.

Titanmaterialien im Bereich

der Osteosynthese

Ursprünglich wurden nur Osteosynthese-

materialien aus rostfreiem Edelstahl

(V4A-Stahl) nach ISO 5832–1 verwendet.

Zu deren Hauptanteil Eisen kommen noch

etwa 18 Prozent Chrom, etwa 15 Prozent

Nickel und rund 3 Prozent Molybdän. Die-

ser Implantat-Edelstahl ist allerdings nicht

korrosionsfrei. Obwohl er an sich durch eine

Passivschicht geschützt ist, können Reibung

an den Schraubenlöchern, Bewegung bei

Lockerung, das pH-Absinken imWundmilieu

oder auch direkte zelluläre Effekte zur Frei-

setzung löslicher Produkte führen. Deswegen

bildet sich oft eine bindegewebige „Kapsel“

aus – manchmal mit seröser Flüssigkeit. In

diesem Umfeld könnten Korrosionsprodukte

auch eine allergische Sensibilisierung oder

Infektentstehung erleichtern.

Ab den 1980er-Jahren wurde von verschie-

denen Arbeitsgruppen [Arens, 1996; Gerber,

1980] im Zellkultur- und Tierversuch der

vergleichsweise toxische und wachstums-

hemmende Effekt von verschiedenen Metal-

len, darunter Eisen, Chrom und Nickel, im

Gegensatz zur hohen „Verträglichkeit“ von

Reintitan beschrieben.

So wurden dementsprechend vor allem in

Europa Titan und seine Legierungen ver-

mehrt bei Osteosynthese eingesetzt. Neben

der vergleichsweise geringeren periimplan-

tären „Gewebereaktion“ werden auch die

selteneren Artefakte und der geringere

Ferromagnetismus durch Titan in der Kern-

spintomografie als Vorteile genannt. Dazu

kommt das bessere Elastizitätsmodul, wo-

durch bei ähnlichen Belastungen Reintitan

fast zweimal elastischer als Stahl erscheint.

Ein „knochenähnlicheres“ Schwingen sollte

prinzipiell eine bessere Frakturheilung er-

möglichen [Gyaneshwar, 2016].

Von orthopädisch-chirurgisch tätigen Kollegen

wird andererseits berichtet, dass bei Titan-

implantaten mehr Schraubenbruch-Gefahr

besteht – beispielsweise beim Festziehen

oder noch eher bei Metallentfernung.

Aspekte der Titanverträglichkeit

Peter Thomas, Burkhard Summer, Gerhard Iglhaut

Der vorliegende Beitrag ergänzt den Fortbildungsteil aus zm 24/2016 mit dem

Aspekt eines weiteren, in den Organismus eingebrachten „Fremdkörpers“.

Die Autoren diskutieren Titan, das allgemein als inert gilt und die Reaktionen

des umliegenden Gewebes darauf. Ihr Fazit: Eine Titanallergie ist bislang nicht

belegt, Unverträglichkeiten sind jedoch durchaus beschrieben.

30

Fortbildung: Toxikologie und Allergologie

Foto: Iglhaut