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107, Nr. 9, 1.5.2017, (1115)
Geld verdienen. Ich möchte mich dort vor
allem in den nächsten Jahrzehnten wohl-
fühlen. Also: Ist die Praxis eine Wohlfühl-
praxis? Wie ist der erste Eindruck, wenn ich
die Tür öffne? Ist der Empfang freundlich –
nicht nur von der Ausstattung her? Wird mir
an der Garderobe geholfen, werde ich ins
Wartezimmer und in den Behandlungsraum
geführt? Das Praxisklima muss man in den
ersten fünf Minuten fühlen!
Das Klima muss man
fühlen!
Ein zusätzliches Hilfsmittel dazu ist eventuell
eine kurze, anonyme Patienten- und Personal-
befragung, wobei auch die Terminvergabe
und die Wartezeiten hinterfragt werden soll-
ten. Gibt es zu den mündlichen Patienten-
aufklärungen auch einen ansprechenden und
patientenverständlichen Internetauftritt? Ein
funktionierendes Recall-System?
Diese vielen weichen Beurteilungsfakten
kommen oft zu kurz, wenn der Praxiswert
mit Zahlen und Fakten ermittelt wird – was
natürlich sein muss. Eine Wohlfühlpraxis –
für die Patienten wie für die Praxisbeteiligten
– lässt sich nämlich nicht durch das häufig
zitierte „Aufhübschen“ erreichen! Hohe
Priorität in der Praxisbewertung hat die Fra-
ge: Was leistet die Praxis, welche Behand-
lungsgebiete werden angeboten? Kinderbe-
handlung, Altenzahnheilkunde bis hin zur
Implantologie? Oder Prophylaxe, die sowohl
beim Kind als auch beim Erwachsenen einen
besonderen Stellenwert haben sollte. Auch
nimmt die Zahl sogenannter Angstpatienten
ständig zu und damit die Nachfrage nach
Sedierungsmöglichkeiten. Aus diesem Spek-
trum ergibt sich dann die Antwort auf die
Positionierung der Praxis: Wie unterscheidet
sie sich von anderen Praxen am Ort?
Die Behandlungsmöglichkeiten müssen
aber auch entsprechend dargestellt wer-
den eine Praxis ohne ansprechende Home-
page ist heute nicht mehr zeitgemäß. Da-
mit zusammen hängt der Einsatz von
qualifiziertem Personal, ebenso die Anzahl
der Behandlungsräume: Eine Praxis mit
nur zwei Behandlungsräumen dürfte kaum
Abnehmer finden, wobei in Bezug auf die
Räumlichkeiten und deren Ausstattung un-
ter anderem die immer weiteren „Ausufe-
rungen“ der Hygienerichtlinien zu berück-
sichtigen sind. Ist diese Analyse gründlich
durchgeführt, ergeben sich nahezu auto-
matisch Ansatzpunkte, die Optimierungs-
bedarf aufzeigen. Warum nicht in neue Be-
handlungsfelder einsteigen: Fortbildungs-
angebote gibt es zuhauf.
Investitionen in den letzten Praxisjahren
sollten nicht generell gescheut werden, aber
unbedingt mit dem Steuerberater diskutiert
werden und immer unter der Prämisse erfol-
gen, den Praxiswert zu steigern.
Dazu braucht man, wie gesagt, Zeit, Hilfe
von außen, und möglicherweise auch Man-
power, vor allem, wenn man nicht noch
mehr arbeiten will (oder kann).
Was liegt da näher, als die Arbeit auf mehr
Schultern zu verteilen – auf zur Kooperation.
Wichtige Vorteile:
Die Behandlungsschwerpunkte können
verteilt werden.
Der/die „Neue“ kann sich langsam mit
dem Patientenstamm und dessen Vorstel-
lungen vertraut machen (und umgekehrt).
Es kommt zu keiner plötzlichen Abwan-
derung von Patienten beim Praxisverkauf.
Der „Alte“ kann als „Mentor“ seine lang-
jährige Praxiserfahrung einbringen.
Das bedeutet, Sie brauchen ein individuelles
Konzept für sich und den Partner. Gesucht
wird nicht nur der beste, sondern auch der
passende Partner.
Mir erscheint das Kooperationsmodell als ein
wichtiger Schlüssel zur erfolgreichen Praxis-
übergabe – auch bei dem heiklen Thema der
Weitergabe von Patientendaten, die sich
dann sehr einfach handhaben lässt. Ich habe
in unseren Seminaren und vielen Gesprächen
aber immer auch von Problemen gehört,
deshalb sei auf Stolpersteine bei der Koope-
ration hingewiesen.
Wichtig ist:
Die Partner müssen auf gleicher Augen-
höhe zusammenarbeiten.
Wichtige Praxisentscheidungen (Personal!)
müssen gemeinsam gefällt werden.
Alle Praxiszahlen müssen transparent für
den Partner sein.
Die Gewinnverteilung muss entsprechend
geregelt werden.
Das bedingt einen guten Vertrag, jeder
Vertrag muss ein Unikat sein (nicht aus dem
Internet herunterladen!).
Ohne die Hilfe eines Fachjuristen läuft gar
nichts.
Beim Einbiegen in die Zielgerade werden
dann besonders die betriebswirtschaftlichen
Fakten und Möglichkeiten der Praxis unter-
sucht: Der potenzielle Übernehmer sollte
zunächst die Rentabilität der Praxis im Visier
haben, die einfach zu ermitteln ist und
schnell wichtige Aufschlüsse liefern kann:
Liegt die Rentabilität unter 25 Prozent
dürfte die Praxis nicht zu vermitteln sein. 25
Prozent bis 35 Prozent weisen auf Optimie-
rungspotenziale hin und 35 Prozent bis
45 Prozent kennzeichnen eine gute Praxis.
Eine 35 bis 45 prozentige
Rentabilität ist gut
Diese Untersuchung sollte die letzten drei
Praxisjahre umfassen, Vergleiche mit KZBV-
Durchschnittszahlen gehören dazu. Exper-
ten raten zu umfangreichen Praxiswertgut-
achten, die bisweilen sehr kostspielig sind,
andererseits auch nur einen wichtigen An-
haltspunkt, aber keine Garantie für den zu
erzielenden Unternehmerpreis geben.
Möglicherweise reicht auch eine Kurz-Wert-
schätzung (auch die nur vom Experten),
wenn bereits eine Wertvorstellung vor-
handen ist und diese überprüft werden soll,
wenn die Beteiligten Kosten sparen
möchten,
wenn kurzfristig ein Ergebnis vorliegen
soll oder muss,
um sich mittel- oder langfristig auf die
Abgabe vorzubereiten oder
um Verbesserungspotenziale aufzudecken.
All diese Aspekte – harte und weiche Fakten
– ergeben eine gute Basis, um erfolgreiche
Verkaufsgespräche zu führen. Dazu gehören
schließlich noch ein bisschen Elan – Sorgen-
falten stören –, ein bisschen Glück und die
Freude auf den wohlverdienten Ruhestand.
Dr. Fritz-Josef Willmes
Rathausplatz 3/1, 88483 Burgrieden
info@zukunftspraxis-50plus.deDr. Fritz-Josef Willmes, Ehrenpräsident der
Bundeszahnärztekammer, ist zugleich Vorsit-
zender der„Zukunftspraxis 50 plus“.
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