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107, Nr. 9, 1.5.2017, (1116)
Dr. Michael Nitzschke ließ sich 1991 in
Berlins nördlicher Mitte – heute eine
1a-Immobilienlage – als Oralchirurg nieder.
Bis er 60 wurde verbrachte er 25 Jahre lang
mindestens 40 Stunden pro Woche hier.
Dann gab er die Praxis ab. Doch statt „das
Altenteil zu genießen“, ließ er sich beim
Käufer für 30 Stunden pro Woche anstellen.
Der Freitag wird allerdings seinem Namen
gerecht: Nitzschke hat frei, macht Sport und
gibt seinem Körper so nach jahrzehnte-
langer einseitiger zahnärztlicher Arbeits-
haltung etwas zurück.
Dutzende Bewerber, aber
gepasst hat keiner
„Total angenehm“ sei das neue Leben:
Banken, Kreditabzahlung und Personal-
angelegenheiten – alles nicht mehr seine
Sorgen. Mit dem Älterwerden hatte sich zu-
vor der subjektive Druck Jahr für Jahr erhöht.
Letztlich, das wusste er, sind für die Gewinn-
ermittlung der Praxis die letzten drei Inhaber-
jahre relevant. Als er sich erstmals Gedanken
um einen Nachfolger machte, war es für
Nitzschke schon fünf vor zwölf: Der Ver-
kaufswert drohte bereits zu sinken.
Die Suche nach einem Partner für die neue
Konstellation war schließlich viel schwieriger,
als er gedacht hatte. Bewerber gab es Dut-
zende. Gepasst hat keiner. Je nach Bieter
sollte aus der Praxis mit dem chirurgisch-
implantatprothetischem Profil mal eine
Kinderzahnarztpraxis, mal eine KFO-Praxis
werden. Oder in Raten abgezahlt werden.
Das alles aber wollte Nitzschke nicht. Des-
halb wandte er sich an einen Makler, der für
ihn den passenden Kandidaten – liquide
und mit dem geeigneten Profil – suchte und
auch fand.
Ein Jahr dauerte die Übergabe. Während der
Substanzwert aufgrund der asymptotischen
Abschreibung vielleicht noch 10.000 Euro
Fall 2: Angestellt in der Ex-Praxis
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Die erfolgreiche Praxisabgabe
betrug, lag der Goodwill als eigentlicher
Wert der Praxis deutlich höher.
Ideen des Kollegen muss
man akzeptieren lernen
Die alten Mitarbeiter wurden übernommen
und aus steuerlicher Sicht war es zudem
attraktiv, die Praxis zu Beginn eines Jahres zu
veräußern. „Eine Mischung aus Alt und
Neu“ – so beschreibt der Oralchirug seine
alte Praxis jetzt. Wände wurden komplett
anders gestellt, Räume umfunktioniert, ein
digitaler Workflow installiert. Begonnen
wurden die Umbauten allerdings erst vom
neuen Besitzer. Für Nitzschke stand nämlich
Rollentausch vom Chef zum Angestellten: Das Beispiel des Oralchirurgen
Dr. Michael Nitzschke zeigt, dass das Modell der Anstellung in der vormals
eigenen Praxis bei der Abgabe viele Vorteile mit sich bringt – vorausgesetzt,
man schafft es, sich zurückzunehmen, um dem Neuen die Führung zu überlassen.