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107, Nr. 12, 16.6.2017, (1424)
Während es vor dieser Altersgrenze darauf
ankommt, ob man durch einen Arbeitgeber
oder eigene finanzielle Mittel Zugang zu
einer guten Krankenversicherung hat, steht
Medicare jedem Senior zu – unabhängig
von Einkommen und Vermögen.
Als Medicare 1965 ins Leben gerufen wurde,
gab es einen konkreten Grund dafür, dass
die Zahnbehandlung älterer Bürger keine
Priorität hatte: Fast die Hälfte der 65- bis
74-Jährigen besaß keinen einzigen eigenen
Zahn mehr. Dies hat sich aber in den ver-
gangenen Jahrzehnten grundlegend geän-
dert. Laut dem „National Center for Health
Statistics“ hatten zwischen 2011 und 2012
87 Prozent der Senioren in dieser Alters-
gruppe noch eigene Zähne. Der Trend setzt
sich bis ins hohe Alter fort: Unter Pflege-
heimbewohnern verfügen immer noch
mehr als 60 Prozent über eigene Zähne.
Die Medicare-Versicherung ist dieser neuen
Realität allerdings nicht angepasst worden.
Das trifft insbesondere Senioren mit be-
scheidenem Einkommen hart:
Rund ein Fünftel der über 65-Jährigen
leidet unter unbehandelter Karies (laut
National Health and Nutrition Examination
Survey 2011–2012).
Bei Senioren unter beziehungsweise
nahe der Armutsgrenze (11.880 Dollar pro
Ein-Personen-Haushalt) liegt die Rate für un-
behandelte Karies mit 40 beziehungsweise
33 Prozent wesentlich höher.
Weniger als die Hälfte der über 65-Jährigen
sucht wenigstens einmal im Jahr einen
Zahnarzt auf (ermittelte die Johns Hopkins-
Universität im vergangenen Jahr). Unter Se-
nioren nahe der Armutsgrenze sinkt diese
Rate auf erschreckende 27 Prozent.
Nur zwölf Prozent der Rentner sind durch
eine Zahnversicherung abgedeckt (so eben-
falls Johns Hopkins).
Obwohl unbestritten ist, dass unbehandelte
Zahnerkrankungen schwerwiegende gesund-
heitliche Konsequenzen mit sich bringen,
bleibt die Zahnversorgung ein Stiefkind der
amerikanischen Gesundheitspolitik. Das hat
sich auch mit der umfassenden Gesund-
heitsreform unter Präsident Obama nicht
geändert. Im Ringen um Reformprioritäten
wurde in der Seniorenversicherung einer
besseren Abdeckung von Medikamenten-
kosten und Vorsorgeuntersuchungen Vor-
rang eingeräumt. Die Zahnversorgung blieb
dagegen wieder einmal außen vor.
Amerikanische Senioren im traditionellen
Medicare-Programm bezahlten im Jahr 2012
durchschnittlich 737 Dollar für Zahnbehand-
lungen aus eigener Tasche, berichtet Tricia
Neuman, die das Programm für Medicare-
Politik bei der Kaiser Family Foundation leitet.
Die finanzielle Belastung sei aber wesentlich
höher für diejenigen, die Kronen, Implantate
Foto: leezsnow - iStockphoto.com
Zahnversorgung für Senioren in den USA
Eine Frage des Geldes
Viele Amerikaner freuen sich auf ihren 65. Geburtstag – der Tag,
an dem sie endlich Medicare beitreten dürfen, der öffentlichen
Krankenversicherung für Senioren. Doch die Freude wird getrübt:
Medicare kommt nicht für die zahnärztliche Versorgung ihrer
Klientel auf. Dann bleibt die Karies vielfach unbehandelt.
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Politik