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106, Nr. 24 A, 16.12.2016, (1500)

B

cher Literatur vor. Aus den vielfältigen

Untersuchungen geht hervor, dass die Fluo-

ridanwendung in üblichen Mengen allge-

meinmedizinisch absolut unbedenklich ist

[Gülzow, 1995; Bundesinstitut für gesund-

heitlichen Verbraucherschutz und Veterinär-

medizin, 2002; American Dental Associati-

on, 2005; Canadian Dental Association,

2012]. Es wurden weder Zusammenhänge

zur Häufigkeit von Erkrankungen oder zum

Auftreten von Todesfällen gefunden. Erst ab

einer langfristigen Einnahme von rund 8

ppm Fluorid im Trinkwasser werden bei

älteren Personen Verdichtungen der Kno-

chenstruktur dokumentiert, und in Gebie-

ten mit einem Fluoridgehalt des Wassers

von etwa 20 ppm und mehr (Indien, Süd-

afrika) wurde eine Skelettfluorose beschrie-

ben [Gülzow, 1995].

Zur Kariesprophylaxe werden Fluoridprä-

parate und Anwendungsmengen einge-

setzt, mit denen die erwähnten Folgen nicht

in Erscheinung treten können. Exemplarisch

für die wissenschaftlich belegte Unbedenk-

lichkeit der Fluoridanwendung zur Karies-

prophylaxe sei die American Dental Associa-

tion zitiert, die (mit Bezug auf die Trinkwas-

serfluoridierung) formuliert: „Of the

thousands of credible scientific studies on

fluoridation, none has shown health

problems associated with the consumption

of optimally fluoridated water“ [American

Dental Association, 2005].

Prinzipiell kann Fluorid zur Kariesprophylaxe

lokal auf die Zahnoberfläche aufgetragen

werden (zum Beispiel mittels Zahnpaste)

oder systemisch, wie über Trinkwasser oder

Fluoridtabletten verabreicht werden. Bei der

systemischen Anwendung können während

der Zahnentwicklung aus dem im Plasma

auf 0,01 bis 0,025 ppm verdünnten Fluorid

geringe Anteile in den sich entwickelnden

Zahnschmelz eingebaut werden. Bei der

lokalen Fluoridanwendung an den bereits in

der Mundhöhle vorhandenen Zahnflächen

können hingegen deutlich höhere Fluorid-

konzentrationen wirksam werden. Die

karieshemmende Wirkung der Fluorid-

anwendung beruht auf dessen lokal an der

Zahnoberfläche eintretenden Effekten [Lussi

et al., 2012]. Daher wird der lokalen Fluori-

dapplikation eindeutig der Vorzug gegeben

[DGZMK, 2013]. Der Erfolg sogenannter

systemischer Fluoridanwendungen ist eben-

falls auf den lokalen Kontakt der entspre-

chenden Fluorid-Vehikel (Kochsalz, Wasser,

Tabletten) mit der Zahnoberfläche zurück-

zuführen.

Die untere toxische Grenze von Fluorid

(Probably Toxic Dose PTD) wird mit 5 mg

Fluorid pro kg Körpergewicht angegeben

[Whitford, 1992 und 2011]. Symptome

können Übelkeit, Schwindel und Erbrechen

sein. Als Gegenmittel wird die orale Gabe

von Kalzium beziehungsweise aus Praktika-

bilitätsgründen von Milch angegeben,

eventuell nach vorherigem Veranlassen des

Erbrechens [Whitford, 2011]. Über den

Erfolg oder die Notwendigkeit dieser Maß-

nahmen besteht jedoch keine Evidenz, da

die Empfehlungen theoretisch abgeleitet

und nicht in hinreichender Anzahl praktisch

umgesetzt werden müssen. Dies kann ein

Berechnungsbeispiel zur Fluoridbelastung

nach Verzehr einer Tube Kinderzahnpaste

durch ein dreijähriges Kind veranschauli-

chen (Abbildung 1).

Akute Toxizität

Es ist erkennbar, dass in diesem Szenario

keine toxikologisch relevanten Fluoridmen-

gen aufgenommen werden. Sofern das drei-

jährige Kleinkind eine gesamte Tube

Erwachsenenzahnpaste verzehren sollte,

wird die PTD mit den erwähnten unange-

nehmen Symptomen überschritten. Von

ernsthaften Konsequenzen wäre aber auch

dieses Szenario weit entfernt.

Die letale Fluorid-Dosis wird mit einer

Schwankung von 32 bis 64 mg/kg Körper-

gewicht angegeben [Whitford, 2011]. Mit-

hin ist ein großer Abstand zwischen hypo-

thetisch verzehrter Fluoridmenge und der

letal-toxischen Grenze vorhanden.

Dass diese Feststellung keine der Problema-

tik unangemessene Beschwichtigung dar-

stellt, sondern der Alltagsrealität entspricht,

kann einem Report des American Associati-

on of Poison Control Centers entnommen

werden. Im Jahresbericht 2014, mit dem

potenziell Meldungen von 320 Millionen

Personen erfasst werden können, sind zwar

19.421 Meldungen des Verschluckens

fluoridhaltiger Zahnpaste aufgeführt, es

wurde aber – wie auch in vielen Jahres-

berichten zuvor – kein letaler Ausgang regis-

triert [Mowry et al., 2015]. Nur in wenigen

Einzelfällen (27 Fälle) wurden beachtens-

werte Symptomatiken geschildert.

Chronische Toxizität

Während die Problematik akuter toxikologi-

scher Zwischenfälle durch Aufnahme von

Fluorid, das zur Kariesprävention angewen-

det wird, in praxi nicht vorkommt, sind Fol-

gen der Fluoridanwendung im Sinne chro-

nisch-toxikologischer Effekte vorhanden.

Der Effekt betrifft hierbei die besonders

Diese Abbildung zeigt eine deutliche Fluorose beim Kind.

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Fortbildung: Toxikologie und Allergologie