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zm

106, Nr. 24 A, 16.12.2016, (1502)

B

Arbeiten in Richtung des geringeren IQ.

Hierzu ist jedoch anzumerken, dass die auf-

geführten Fluoridkonzentrationen im Trink-

wasser die zur Kariesprävention empfohle-

nen Dosierungen teilweise extrem über-

schreiten. Ein Zusammenhang zur Trinkwas-

serfluoridierung oder anderen systemischen

kariespräventiven Fluoridierungsmaßnah-

men ist nicht vorhanden, und zur Anwen-

dung fluoridhaltiger Mundpflegeprodukte

erst recht nicht.

Zudem wird kritisch angemerkt, dass in

großen Teilen Chinas zur Beheizung und

zum Kochen fluoridhaltige Kohle, teilweise

in den Wohnräumen, verfeuert wird,

wodurch neben dem Fluorid im Trinkwasser

eine zusätzliche Fluoridquelle besteht

[Zheng et al., 2007; DenBesten und Li,

2011]. Ebenso wird auf Überlagerung der

Studien-Ergebnisse mit hohen Blei- und

Arsengehalten einiger Trinkwässer hinge-

wiesen.

Die erwähnte Übersichtsarbeit wird in einer

weiteren Arbeit (aus der Feder eines der Co-

Autoren genau dieser Übersichtsarbeit) als

Beleg – und zwar als einziger Beleg – für

neue Kenntnisse zu negativen Begleiter-

scheinungen hohen Fluoridgehaltes im

Trinkwasser aufgeführt [Grandjean und

Landrigan, 2014]. In dieser Arbeit wird in

einem einführenden Satz erwähnt, dass

neurologisch assoziierte Verhaltensauffällig-

keiten wie Autismus und ADHS zunehmend

festgestellt werden würden. Ein inhaltlicher

Zusammenhang zur Anwendung von Fluo-

rid zur Kariesprophylaxe wird in dieser

Arbeit nicht hergestellt. Dennoch wird seit

Erscheinen dieses Artikels ein derartiger

Zusammenhang in einschlägigen Foren

postuliert. In einigen Veröffentlichungen –

leider auch in zahnmedizinischen Publikati-

onsorganen – wird ein weiterer Bogen zu

fluoridhaltigen Zahnpasten geschlagen

[SAT1 Ratgeber, 2016; ZWP-online, 2016].

Ein derartiger Zusammenhang wird nicht

einmal in der hier kritisierten Originalveröf-

fentlichung in den Raum gestellt. Es muss

ausdrücklich betont werden, dass ein

solcher Zusammenhang, der das Produkt

journalistischer Effekthascherei zu sein

scheint, fachlich völlig unbegründet ist.

Was tun?

Eine sehr gute, akribisch recherchierte

Grundlage zur Anwendung von Fluorid zur

Kariesprophylaxe stellen die in der entspre-

chenden Leitlinie formulierten zahnmedizi-

nischen Empfehlungen dar [DGZMK,

2013]. Diese Empfehlungen stimmen mit

den Aussagen weiterer internationaler Leit-

linien überein. Ab Durchbruch des ersten

Milchzahnes soll eine fluoridhaltige Kinder-

zahnpaste zur Zahnpflege angewendet

werden. Die Menge ist auf einen dünnen

Film zu begrenzen, der auf die Kinderzahn-

bürste aufgetragen wird. Ab dem Alter von

zwei Jahren kann eine größere Menge ver-

wendet werden („Erbse“).

Zusammenfassung

Der Stoffwechsel von Fluorid im menschli-

chen Organismus ist seit langem bekannt.

In praxi weisen die zur Kariesprophylaxe an-

gewendeten Fluoridverbindungen keine

akute Toxizität auf. Es kann jedoch als Aus-

druck einer chronischen Fluoridierungsfolge

zur Schmelzfluorose kommen. In erster Linie

wird die Fluorose mit der systemischen

Fluoridanwendung in Zusammenhang

gebracht. Die Erscheinungsformen sind in

der weit überwiegenden Zahl der Fluorose-

fälle aber fragliche, sehr milde oder milde

Ausprägungsgrade.

Für weitere auf

kariespräventive Maßnahmen zurück-

führbare chronische Fluorid-Effekte existie-

ren keine wissenschaftlich haltbaren Belege.

Die in der jüngeren Vergangenheit in

einschlägigen Foren vorgebrachten Beden-

ken, systemische Fluoridaufnahme sei mit

kognitiven Einschränkungen oder Verhal-

tensauffälligkeiten bei Kindern verbunden,

sind wissenschaftlich fragwürdig bezie-

hungsweise nicht belegt. Ein Zusammen-

hang zur kariesprophylaktischen Fluorid-

anwendung besteht nicht. Ab Durchbruch

des ersten Milchzahnes soll eine regelmäßi-

ge Zahnreinigung mit einer fluoridhaltigen

Kinderzahnpaste erfolgen.

Prof. Dr. Ulrich Schiffner

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Zentrum für Zahn-, Mund- u. Kieferheilkunde

Poliklinik für Zahnerhaltung und Präventive

Zahnheilkunde

20246 Hamburg

Matinistrasse 52

schiffner@uke.uni-hamburg.de

Prof. Dr. Ulrich Schiffner

Studium der Zahnheilkunde an der Universität Hamburg,

1980 Approbation, 1981 Promotion, seit 1982 am

Zentrum ZMK des UKE, 1988 bis 1992 Vorstandsmitglied

der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung DGZ, 1993

Habilitation, 1994 Oberarzt, 1996 Professur, 2002 bis

2006 1. Vorsitzender des AK für Epidemiologie und Public

Health der DGZMK, 2004–2008 Präsident der Deutschen

Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde DGK, seit 2008 Fort-

bildungsreferent der Deutschen Gesellschaft für Kinder-

zahnheilkunde. Fortbildungskurse zur Kariesprävention

Forschungsschwerpunkte: Kariesätiologie und -prophylaxe,

Epidemiologie, Deutsche Mundgesundheitsstudien

Foto: privat

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der BZÄK/DGZMK.

Fluoride: Stoffwechsel

und Toxikologie

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Fortbildung: Toxikologie und Allergologie