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107, Nr. 6, 16.3.2017, (654)
Der nächste Patient wartet schon. Zahnarzt
Dr. Jochen Deppe aus Gütersloh wirft einen
letzten Blick in die Patientenakte. Dann bit-
tet er seinen Patienten „herein“ und dieser
„betritt“ – den Monitor. Denn die nun fol-
gende Beratung verläuft online per Video-
Sprechstunde. „Grundsätzlich ist es wie
bei jeder Sprechstunde“, sagt Deppe. „Der
Patient wartet in einem virtuellen Warte-
zimmer. Wenn wir beide anwesend sind,
kann die Sprechstunde beginnen. Der
weitere Ablauf ist wie bei einem Chat über
Skype.“ Wichtig sei, dass der Chat genauso
konzentriert und ungestört stattfindet wie
die Unterredung im Sprechzimmer. „Ich
befrage den Patienten zu seinem Befinden,
ob er Fragen zum Ablauf der Behandlung
hat oder irgendetwas seiner Ansicht nach
nicht in Ordnung ist. Bejaht er dies, muss er
natürlich kommen“, erklärt Deppe.
Knapp die Hälfte aller Mediziner kann sich
vorstellen, Video-Sprechstunden mit Patien-
ten abzuhalten. Dies geht aus der neuesten
Studie der Stiftung Gesundheit hervor, die
deutschlandweit rund 10.000 Ärzte, Zahn-
ärzte und Psychologen zur Digitalisierung
des Arztberufs befragte. Während im Vor-
jahr nur rund ein Drittel der Video-Sprech-
stunde gegenüber aufgeschlossen war, ist es
nun mit 47 Prozent knapp die Hälfte.
Deppe ist seit einem Jahr dabei. Der 53-
Jährige sitzt in seinem Büro, vor sich den
Laptop – und seinen heutigen Patienten,
mit dem er dank Mikrofon und Kamera
einfach kommunizieren kann. Als Plattform
dient ihm das Online-Portal Patientus – der
führende Anbieter für Online-Videosprech-
stunden in Deutschland.
Sprechstunde per Webcam
Patientus bietet eine Software an, mit der
Ärzte und Patienten per Webcam mitein-
ander sprechen können. Für den Dienst
zahlen Ärzte 29 Euro im Monat – bei einer
Mindestlaufzeit von zwölf Monaten. Den
Premiumservice mit einer monatlichen Kün-
digungsfrist gibt es für 59 Euro im Monat.
Die Patienten nutzen den Service von Pa-
tientus kostenfrei – sie tragen bislang das Be-
ratungshonorar, das die Mediziner festlegen.
Registriert sind laut Dr. Felix Schirmann,
Leiter für Unternehmensentwicklung und
operatives Geschäft bei Patientus, „mehrere
hundert Zahnärzte und Ärzte“. Aktuell fin-
det man auf der Website allerdings lediglich
vier registrierte Zahnärzte.
Die Abläufe für einen Termin sind vergleich-
bar mit einer „normalen“ Sprechstunde in
der Praxis, erklärt Deppe: „Für die Video-
Sprechstunde vergeben wir einen Termin
und einen sechsstelligen Code, mit dem
sich der Patient bei Patientus einloggen
kann.“ Dafür muss keine eigene Software
installiert werden, der Patient meldet sich
über seinen Browser direkt auf der Website
an – dann erscheint auf Deppes Praxis-PC
der Schriftzug „Patient wartet im Warte-
zimmer“. Und die Video-Sprechstunde kann
beginnen.
„Das übliche Szenario für uns ist eine
Nachkontrolle nach einer umfangreicheren
Behandlung am Vortag“, führt Deppe aus.
Ein anderes Szenario ist die Diskussion von
Röntgenbefunden oder implantologischen
und prothetischen Planungen, „aber nur mit
Patienten, die wir kennen!“, betont der
Zahnarzt. „Die Beratung mir unbekannter
Patienten finde ich schwierig. Es ist eben
keine Untersuchung möglich und auch das
Kennenlernen – entscheidend für die Etablie-
rung einer vertrauensvollen Beziehung zwi-
schen Patient und Arzt – ist völlig anders.“
So sieht es auch der Gesetzgeber. In
Deutschland ist die ausschließliche Fern-
behandlung bisher verboten. Im E-Health-
Gesetz ist festgehalten, dass es sich bei
der Videosprechstunde um eine „telemedi-
zinisch gestützte Betreuung von Patienten
handelt, mit der eine wiederholte persön-
liche Vorstellung in der Praxis ersetzt wer-
den kann“. Die Konsultation per Video darf
Zahnarzt bietet Video-Sprechstunden an
Das Angebot ist super – das Honorar ein Witz!
Drei Fakten zur Digitalisierung im Gesundheitswesen. Erstens: Digitalisierung polarisiert – das Spektrum reicht von Early
Adoptern bis zu E-Health-Verweigerern. Zweitens: Die Digitalisierung wird nicht zu stoppen sein. Und drittens: Der Markt
für digitale Gesundheitsdienstleistungen boomt. Ein Zahnarzt testet die Video-Sprechstunde.
Dr. Jochen Deppe ist einer der wenigen Zahnärzte, die die Video-Sprechstunde anbieten – für
Nachkontrollen nach einer Behandlung am Vortag und für die Besprechung von Befunden.
Foto: Michael Schuh
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Praxis