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107, Nr. 9, 1.5.2017, (1068)

3-D-Gesichtsrekonstruktion eines mittelalterlichen Mönchs

In einem großen Projekt haben

Forscher anhand des ausgegrabenen

Schädels das Gesicht eines Mönchs

aus der Karolinger Zeit rekonstruiert

– und dokumentiert, wie es um seine

Zahngesundheit bestellt war.

Im Oktober 2016 untersuchten Anthropo-

logen auf dem „Mönchsfriedhof“ des hes-

sischen Klosters Lorsch den Schädel eines

dort im elften beziehungsweise zwölften

Jahrhundert bestatteten Mönchs. Bis auf

den Verlust einiger Schneidezähne, eines

Eckzahns und des rechten Jochbogens war

das bereits 1999 freigelegte Cranium voll-

ständig und sehr gut erhalten. Das Kör-

perskelett konnte bei den Ausgrabungen

nicht geborgen werden.

Der Befund: Parodontitis,

Karies und Zahnstein

Die Datierung ergab ein Alter von 1133

±24 Jahren BP. Das heißt, der Mann hat im

Zeitraum zwischen 888 und 966 nach

Christus gelebt und wurde den Berech-

nungen zufolge 35 bis 40 Jahre alt.

Erkrankungen hatte er ausschließlich im

Kieferbereich: Neben einer Parodontitis,

die als leichter Randwulst am Kieferkno-

chen im Bereich der Backen- und Schnei-

dezähnen des Unterkiefers sichtbar ist,

hatte sich zusätzlich an den Schneidezäh-

nen Zahnstein gebildet.

Im Oberkiefer waren jeweils der zweite

Backenzahn rechts und der zweite Vorba-

ckenzahn links von Karies befallen.

Während die Kariesläsion amMolar relativ

klein ausfällt und nicht tief in den Zahn

hineinreicht, ist die Krone des zweiten

Vorbackenzahns vollständig zerstört.

An den vorhandenen Eckzähnen sind außer-

dem horizontal verlaufende Rillen im Zahn-

schmelz erkennbar. Diese Unregelmäßigkei-

ten entstanden bei der Bildung des Zahn-

schmelzes und lassen sich auf Wachstumsun-

regelmäßigkeiten – wahrscheinlich bedingt

durch Nahrungsmangel, Fieber, Infektions-

krankheiten und andere Krisensituationen –

zurückführen. Wegen ihrer Position gehen

die Wissenschaftler davon aus, dass die Rillen

im Alter zwischen eineinhalb und vier Jahren

entstanden sind.

Noch bis zum 14. Mai zeigt das Unesco-

Weltkulturerbe Kloster Lorsch die Sonderaus-

stellung „Begraben und Vergessen? Knochen

erzählen Geschichte“, die auf der Basis neuer

archäologisch-anthropologischer Untersu-

chungen erstmals die Menschen in den Blick

nimmt, die im Mittelalter in der Reichsabtei

Karls des Großen lebten, arbeiteten und dort

begraben wurden. Höhepunkt: die 3-D-

Gesichtsrekonstruktion des Lorscher Mönchs

aus der Hochphase des Klosters um 900.

Vom Schädel zum Gesicht. Oben: Die Gitternetzstruktur zeigt die rekonstruierten Weichteile des

Gesichts. Unten: CT-Scan zur 3-D-Volumendatenerfassung des Mönchschädels.

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