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106, Nr. 24 A, 16.12.2016, (1516)
B
relativen Anstieg in dieser inhomogenen
Gruppe, in der alle Präparate zusammen-
gefasst sind, die primär oftmals nicht vom
Zahnarzt verordnet wurden. Dies erklärt
sich aus der Tatsache, dass eine vom Zahn-
arzt beobachtete unerwünschte Arzneimit-
telwirkung nicht immer eindeutig dem vom
Zahnarzt applizierten Präparat zuzuordnen
ist und daher die vom Haus- oder Facharzt
verschriebene Medikation ebenfalls mitge-
meldet wird.
Neben vereinzelten Meldungen mit nicht
gesichertem Kausalzusammenhang sind aus
zahnärztlicher Sicht zwei Präparate-Gruppen
besonders zu erwähnen: Die Wirkstoffgruppe
der neuen oralen Antikoagulantien (NOAKs)
und die Wirkstoffgruppe der antiresorptiven
Substanzen.
Neue orale Antikoagulantien (NOAKs):
Zu
dieser Gruppe neuer gerinnungshemmender
Wirkstoffe gehören die neu entwickelten,
hochselektiven Faktor-Xa-Antagonisten (Ri-
varoxaban, Apixaban und Edoxaban) sowie
der Thrombinantagonist Dabigatran (= ein-
ziger Vertreter seiner Klasse). Im Jahr 2015
wurden jeweils unter Behandlung mit Riva-
roxaban zwei schwere Blutungsereignisse,
einmal zwei und einmal drei Tage nach
Zahnextraktion gemeldet.
Alle NOAKs sind gegenüber den herkömm-
lichen Vitamin-K-Antagonisten (Phenpro-
coumon und Warfarin) selektiver antikoagu-
latorisch wirksam und daher zumindest
theoretisch besser steuerbar. Regelmäßige
INR-Bestimmungen, so wie bei Vitamin-
K-Antagonisten üblich zur Kontrolle und
Steuerung der Einstellung, entfallen. Die ge-
rinnungshemmende Wirkung setzt schneller
ein und ist nach Absetzen der neuen Präpa-
rate beim Nierengesunden innerhalb von
24h reversibel. Dabigatran und auch Riva-
roxaban werden jedoch zu 80 Prozent be-
ziehungseise zu 67 Prozent renal aus-
geschieden, so dass bei eingeschränkter
Nierenfunktion ein Kumulationsrisiko mit
erhöhter Blutungsgefahr besteht. Die
nicht ausreichende Beachtung einer einge-
schränkten Nierenfunktion, insbesondere
bei Patienten im fortgeschrittenen Alter,
dürfte einer der Hauptgründe für Blutungs-
komplikationen unter Behandlung mit Riva-
roxaban und Dabigatran sein. Für Apixaban
gilt dies hingegen nur eingeschränkt (nur
etwa 25 Prozent renale Elimination). Als
Hauptnachteil aller NOAKs galt bis vor
Kurzem die fehlende klinische Verfügbarkeit
eines Antidots zur notfallmäßigen Beendigung
der gerinnungshemmenden Wirkung.
Antidots zur Antagonisierung von NOAKs:
Gegen Dabigatran:
Zur Antagonisierung
von Dabigatran (Pradaxa®) im akuten Blu-
tungsfall ist seit Beginn des Jahres 2016
das Antidot Idarucizumab (Praxbind®) aus-
schließlich zur stationären Anwendung
zugelassen. Der Wirkstoff Idarucizumab ist
ein monoklonales Antikörperfragment, das
spezifisch an Dabigatran bindet und damit
einen Komplex bildet. Dies führt zur Aufhe-
bung der gerinnungshemmenden Wirkung
innerhalb weniger Minuten. Die empfohlene
Dosis Idarucizumab beträgt 5 g in Form von
zwei aufeinanderfolgenden Injektionen oder
Infusionen in eine Vene. Falls notwendig,
kann eine zweite 5-g-Dosis in der gleichen
Form appliziert werden.
Gegen Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban:
Zur Antagonisierung aller anderen NOAKs
(Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban) die –
anders als Dabigatran – pharmakologisch
als direkte Faktor-Xa-Antagonisten wirken,
befindet sich das Antidot Andexanet alfa,
das pharmakologisch als modifizierter Faktor
Xa wirkt, noch in der klinischen Entwick-
lung. Andexanet selbst hat keine enzyma-
tische Aktivität und wirkt nicht wie ein
Gerinnungsfaktor, sondern bindet Faktor-
Xa-Inhibitoren. Der Hersteller bezeichnet
Andexanet daher auch als Köder („decoy“).
In den ersten klinischen Studien konnte ge-
zeigt werden, dass auch Andexanet alfa die
Blutgerinnung innerhalb weniger Minuten
normalisieren kann (für Apixaban in der
ANNEX A-Studie, für Rivaroxaban in der
ANNEXA R-Studie, jeweils an gesunden Pro-
banden im Alter von 50 bis 74 Jahren, die
probeweise einige Tage Antikoagulantien
eingenommen hatten). In der laufenden
ANNEXA 4-Studie wird derzeit geprüft, ob
Andexanet alfa tatsächlich auch klinische
Blutungen stoppen kann. Bei positivem Aus-
Ein Leitlinienvorhaben zur zahnärzt-
lichen Chirurgie und Behandlung von
Patienten unter Antikoagulantien-
therapie ist angemeldet und in Arbeit.
Unter Federführung der DGZMK wird
derzeit eine S3-Leitlinie entwickelt, die
voraussichtlich im Sommer 2017 zur
Verfügung stehen wird.
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Quelle: AWMF
Antikoagulation kommt
S3-Leitline zur
Haut
Herz-Kreislauf
Magen-Darm
übrige
ZNS
Nebenwirkungen nach Organsystemen bis 31.12.2015
Haut
36%
Herz-Kreislauf
12%
Magen-Darm
22%
übrige
14%
ZNS
16%
Abbildung 3: Über die Hälfte der in 2015 gemeldeten UAWs manifestierte sich an der Haut und
im Gastrointestinaltrakt.
Quelle: AKZ/Schindler
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