Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 07

ZAHNÄRZTLICHE MITTEILUNGEN | WWW.ZM-ONLINE.DE Reform des Risikostrukturausgleichs Wenn man die Fehlanreize im Gesundheitswesen bekämpfen will, muss der RSA stärker auf Prävention ausgerichtet werden. SEITE 68 Anhand der Zähne Tote identifizieren Der Vorteil der zahnmedizinischen Forensik ist die eindeutige Identifikation – doch oft fehlen der Polizei noch die richtigen Ansprechpartner. SEITE 70 Zahnärztebrüder bauen Zahnmobil Björn und Sören Clamors haben eine mobile Praxis ertüftelt und konstruiert, in der sie alle zahnärztlichen Leistungen durchführen können. SEITE 36 FORTBILDUNG „BRUXISMUS“ Wer ist ein Bruxer? AUSGABE 07 | 2024 zm 01.04.2024, Nr. 07

www.dental-s.de GEWOHNT & SICHER. ZUVERLÄSSIG. LANGLEBIG. ALLESNEU. JETZT AKTIONSPREIS SICHERN, SOLANGE VORRAT REICHT. PREIS ZZGL. M W S T . HANDFEST BEWÄHRTE BEDIENUNG HOCHWERTIG NEUESTE TECHNOLOGIE EFFIZIENT LED-LICHT SOLIDE & ROBUST MODERN Referenzen anfordern: 0 61 23 - 10 60 • Ansprechpartner: Walter Meyer 25.990€ Wir kaufen ihre gebrauchte Thomas M 1 Classic zurück.

EDITORIAL | 3 Mal die Zähne zusammenbeißen In welchem Bereich der Zahnmedizin wird derzeit weltweit am meisten geforscht? Dieser Frage geht eine neue Studie nach, die wir Ihnen vorstellen. Dabei gibt es interessante Daten und Fakten zu entdecken. Besonders erfreulich: Deutsche Forscherteams befinden sich inzwischen in der Spitzengruppe. Eine US-amerikanische Arbeitsgruppe ist wiederum in einer Übersichtsarbeit der Frage nachgegangen, ob sich ähnlich wie in anderen medizinischen Bereichen auch bei oralen Erkrankungen geschlechtsspezifische Unterschiede feststellen lassen. Wir stellen die Arbeit vor und zeigen, dass künftig mehr geschlechterspezifische Forschung nötig sein wird. Wirhoffen, Ihnen damit wieder eine Reihe informativer und spannender Themen bieten zu können. Viel Spaß bei der Lektüre Sascha Rudat Chefredakteur In dieser Ausgabe starten wir unsere zweiteilige „Frühjahrs“- Fortbildung zum Thema Bruxismus. In seiner Einleitung macht das Mitglied unseres Wissenschaftlichen Beirats, Prof. Dr. Florian Beuer, deutlich, dass bei der aktuellen Definition des Bruxismus der Zahnkontakt gar nicht mehr zwingend vorausgesetzt wird und die Diagnose Bruxismus weiter verbreitet ist als gemeinhin gedacht. Was das für die Auswahl von Restaurationsmaterialien bedeutet, erfahren Sie in dieser Fortbildung. So viel sei verraten: Ausweichen auf das stabilste Material ist dabei nicht das Mittel der Wahl. Im ersten Artikel der Fortbildung befasst sich Prof. Dr. Jens. C. Türp mit der richtigen Diagnostik und der evidenzbasierten Behandlung von Bruxismus, um mögliche Fallstricke zu umgehen. Der zweite Beitrag dieser Ausgabe beschäftigt sich mit Bruxismus bei Kindern und Jugendlichen. Während man früher Bruxismus im Milchgebiss lange nicht als Problem gesehen hat, weiß man heute um die langfristigen Folgen für das bleibende Gebiss. Im nächsten Heft geht es dann weiter mit den Themen Restaurationen bei Zahnverschleiß und Bruxismus in der Sportzahnmedizin. Viele neue Erkenntnisse sind garantiert. Außerdem haben wir mit dem Zahnarzt Christian Bartelt gesprochen, der seit einem halben Jahr für die FDP Mitglied des Bundestages ist. In unserem Interview berichtet er von der Arbeitslast, die er unterschätzt hat und wie er es schafft, weiterhin auch in seiner Praxis in MecklenburgVorpommern zu stehen. Daneben sprachen wir mit ihm über die verpasste Möglichkeit, Fraktionsobmann im Gesundheitsausschuss zu werden, Störfeuer der AfD und seine Zukunftspläne. Darüber hinaus berichten zwei Zahnärztebrüder aus Nordrhein-Westfalen, wie sie ein Zahnmobil nach ihren Vorstellungen gebaut haben, um darin Patienten wie in ihrer Praxis behandeln zu können. Ein Paradebeispiel für zahnärztliches Do it yourself mit hoher Expertise. Lassen Sie sich überraschen. Wie zeigen außerdem, wie man mit besonderem Engagement junge Menschen für den ZFA-Beruf begeistern kann. Der Zahnarzt Dr. Lars Petersohn arbeitet mit zwei weiterführenden Schulen in seiner Stadt zusammen, um Schülerinnen und Schüler die ZFA-Ausbildung nahezubringen. Wir geben Tipps, wie Sie selbst solch eine Kooperationen mit Schulen eingehen können. Daneben berichten zwei ZFAAzubis, die als Ausbildungsbotschafterinnen auf einer Bildungsmesse unterwegs waren. Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen, die zum Erfolg führen. Außerdem befassen wir uns in dieser Ausgabe mit den neuen Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung – und wie diese aus Sicht der Zahnmedizin zu bewerten sind. Foto: Lopata/axentis

4 | INHALT 12 Landeskinderquote für Zahnmedizinstudierende Um dem Nachwuchsmangel entgegenzuwirken, soll die Studienplatzvergabe flexibler werden. 16 Neue DGE-Ernährungsempfehlungen Mehr Obst und Gemüse, weniger Fleisch und maximal ein Ei pro Woche – was hält die Zahnärzteschaft davon? MEINUNG 3 Editorial 6 Leitartikel POLITIK 12 Vorstoß aus Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt Mitteldeutsche Zahnärztekammern fordern Landeskinderquote 14 Urteil des Bundessozialgerichts BSG bestätigt Honorarkürzung für TI-Verweigerer 16 Neue DGE-Ernährungsempfehlungen Maximal ein Ei 20 Zahnarzt Christian Bartelt zu seiner Arbeit im Bundestag „Den Workload als MdB habe ich unterschätzt“ 26 Fachärztetag in Berlin zur Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens Wie lange geht die Rundum-sorglosMentalität noch gut? 38 BMG setzt Card Link durch KZBV kritisiert neuen Einlöseweg für das E-Rezept 62 Pläne des Verteidigungsministeriums stoßen auf Widerstand Selbstverwaltung gegen Umstrukturierung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr 68 Risikostrukturausgleich der Krankenkassen Wirtschaftsforscher wollen Prävention beim RSA belohnen 73 Studie des Wissenschaftlichen nstituts der PKV (WIP) 63.000 Euro Mehrumsatz durch die PKV je Praxis ZAHNMEDIZIN 8 Karl-Häupl-Kongress 2024 in Köln „Universität und Praxis sind keine Parallelwelten“ 10 38. Berliner Zahnärztetag Cutting-Edge! Chirurgie in der Zahnmedizin 22 Aus der Wissenschaft Das Geschlecht als biologische Variable bei oralen Erkrankungen 33 Studie zum Publikationsverhalten Parodontologie ist weltweit Topthema in der zahnmedizinischen Forschung 70 Studie zur zahnmedizinischen Forensik Wie die Zahnmedizin Tote identifiziert Inhalt zm114 Nr. 07, 01.04.2024, (502)

INHALT | 5 28 Azubi-Recruiting in der Zahnarztpraxis Warten Sie nicht ab, gehen Sie in die Schulen und zu den Bildungsmessen. Und nehmen Sie Ihr Team mit! TITELSTORY 39 Fortbildung Bruxismus Zwei Beiträge: „Bruxismus – Risiken, Diagnostik und Therapie“ und „Bruxismus bei Kindern und Jugendlichen“ TITELSTORY 39 Fortbildung „Bruxismus“ 40 Bruxismus – Risiken, Diagnostik, Therapie 48 Bruxismus bei Kindern und Jugendlichen PRAXIS 28 Azubi-Recruiting für die Zahnarztpraxis Nicht abwarten. Abholen! 56 Verkauf innerhalb der Familie So optimieren Sie Ihre Steuern auch für vermietete Immobilien GESELLSCHAFT 36 Zahnärztebrüder bauen Zahnmobil „Wir tauften es ‚BumV‘“? 64 Widerstandskämpfer und „Staatsfeinde“ im „Dritten Reich“ Walter Rank (1901–1978): „Staatsfeind“ in der NS-Zeit – aber kein „Opfer des Faschismus“? 74 Ausstellung im Wilhelm-FabryMuseum in Hilden 20.000 Kilometer unter dem Roten Kreuz MARKT 79 Neuheiten RUBRIKEN 19 News 25 Bekanntmachungen 59 Formular 60 Termine 77 Impressum 94 Zu guter Letzt Titelfoto: PD Dr. M. Oliver Ahlers zm114 Nr. 07, 01.04.2024, (503)

In dieser zm-Ausgabe finden Sie eine Beilage, die ausnahmsweise einmal nicht werblich daherkommt, sondern sich über den Tellerrand des Alltäglichen hinweg mit der Zukunft der Zahnmedizin beschäftigt. Es ist ein „Impulspapier“, initiiert und produziert vom Quintessenz-Verlag, entstanden in Zusammenarbeit mit Vertretern der Wissenschaft und der Standespolitik und den zahlreichen Autoren, die Sie auch aus der zm kennen. Es geht um die Entwicklungen in der Zahnmedizin der letzten Dekaden und das, was wir in einer Bestandsaufnahme für die Zukunft daraus lernen können. In der Corona-Krise und der für unseren Berufsstand zunächst einmal frustrierenden Debatte um die Frage der Bedeutung der Zahnmedizin gab es so etwas wie den Augenblick des Erwachens: Genau zu dem Zeitpunkt, als uns die Politik die Systemrelevanz absprach, setzte auch im Berufsstand ein Umdenken ein. Allen Zahnärztinnen und Zahnärzten, die in der aufgeheizten Atmosphäre der Ängste und im Nichtwissen über die tatsächliche Gefährlichkeit des Virus ohne Rücksicht auf das eigene Gesundheitsrisiko Patienten behandelten und die zahnmedizinische Versorgung am Leben erhielten, wurde plötzlich klar, dass das, was wir tun, schon lange keine Medizin für den Zahn mehr ist, sondern im besten Wortsinn „Orale Medizin“, die sich um eine anatomische Region kümmert, die zu den ersten immunologischen Barrieren gegen das Eindringen von Pathogenen in den Körper gehört. So hat schlussendlich die gesundheitspolitische Respektlosigkeit gegenüber unserem Berufsstand das Nachdenken über eine aktuelle Standortbestimmung der Zahnmedizin beschleunigt. Die DGZMK schrieb in ihrem kurz nach Beginn der Pandemie im Juni 2020 veröffentlichten Positionspapier zur „Perspektive Zahnmedizin 2030“: „Wir sind daher der Überzeugung, dass nur ein absoluter Fokus auf den Terminus 'Orale Medizin' eine tragfähige Vision für unser Fach für das Jahr 2030 sein kann.“ Plötzlich fügten sich all die Entwicklungen der letzten Dekaden in ein stimmiges Gesamtbild: Die über lange Jahre gewachsene Rolle der Prävention und der parallel dazu verlaufende Rückgang konservierender Leistungen, die ebenfalls über Jahrzehnte immer umfangreicher gewordene wissenschaftliche Literatur zu den systemischen Implikationen der Vorgänge in der Mundhöhle, die Erkenntnisse über das orale Mikrobiom und die Wechselwirkung mit schweren Allgemeinerkrankungen, Berichte über neue Konzepte der Früherkennung von Erkrankungen wie den Diabetes in der Zahnarztpraxis – all diese über lange Jahre selten in ihrer Gänze betrachteten Entwicklungen verdichteten sich im Begriff der „Oralen Medizin“. Was unterscheidet nun die Praxis für Orale Medizin von der heutigen Zahnarztpraxis? Brauchen wir neue Strukturen, Unternehmensformen? Brauchen wir neues Kapital oder größere Versorgungskonglomerate wie investorengetrageneMVZ? Die Antwort lautet: Nein. Im Gegenteil: Die Wissenschaft zeigt uns zunehmend komplexere biologische Zusammenhänge, die stärker als je zuvor die Diversität und Individualität des Holobionten Mensch betonen. Das ist eine Absage an all jene mechanistischen Narrative, die Erkrankungen mit standardisierten Methoden versorgt sehen wollen, „Medizinfabriken“, in denen beliebige Behandler beliebige Patienten zu jeder Tages- und Nachtzeit in gleichbleibender, weil normierter „Qualität“ versorgen. In der Zahnmedizin waren Diagnostik und Therapie schon immer stark auf die patientenindividuellen Voraussetzungen abgestimmt, die wissenschaftlichen Erkenntnisse bestätigen jetzt diese Orientierung. Deshalb sind wir überzeugt davon, dass die tradierten inhabergeführten Praxen mehr denn je die wirklich adäquate und beste Versorgungsform für die Orale Medizin der Zukunft sein werden. Was ändert sich in der Praxis für Orale Medizin? Es ändert sich kurzfristig gar nichts, weil der Terminus keine irgendwie geartete Zielvorgabe ist, sondern einfach die Entwicklung unserer Fachdisziplin über längere Zeiträume beschreibt. Natürlich wird sich das Rad der Entwicklung weiterdrehen und es werden sich im Bewusstsein des neuen Selbstverständnisses spannende neue Chancen der Betätigung ergeben, beispielsweise bei der Früherkennung von Allgemeinerkrankungen oder in der Beratung über den Einfluss der Ernährung auf die (orale) Gesundheit. Das alles sind gute Nachrichten für uns – wir wünschen Ihnen eine inspirierende Lektüre der Beilage. Martin Hendges Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung Prof. Dr. Christoph Benz Präsident der Bundeszahnärztekammer Orale Medizin: Eine Zukunft mit spannenden Chancen Foto: Jan Knoff, Cologne, BZÄK/axentis.de 6 | LEITARTIKEL

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zm114 Nr. 07, 01.04.2024, (506) 8 | ZAHNMEDIZIN KARL-HÄUPL-KONGRESS 2024 IN KÖLN „Universität und Praxis sind keine Parallelwelten“ Beim diesjährigen Karl-Häupl-Kongress ging es um die Schnittstellen zwischen der Zahnmedizin in Universität und Praxis. Es sollten „die Synergien der Behandlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden“, wie Dr. Dr. Georg Arentowicz, Mitglied des Vorstands der Zahnärztekammer Nordrhein, betonte. Das Thema traf auf breites Interesse: Rund 900 Teilnehmer waren am 9. März in den großen Festsaal des Kölner Gürzenich gekommen. In seiner Begrüßungsrede ging Dr. Ralf Hausweiler, Präsident der Zahnärztekammer Nordrhein, auf die aktuellen gesundheitspolitischen Herausforderungen ein. Angesichts einer „völlig falschen, ideologisch geprägten Gesundheitspolitik“ gehe es inzwischen um „nicht mehr oder weniger als die langfristige Existenz unserer Praxen“, sagte Hausweiler. Mit Ideologie ist noch kein einziger Patient geheilt worden Der Ärger unter den Kolleginnen und Kollegen sei groß – nicht zuletzt wegen der ausufernden Bürokratie und der ausbleibenden GOZ-Punktwertangleichung. „Und anstatt – wie versprochen – gegen die dringend notwendige Regulierung der i-MVZ vorzugehen, baut Minister Lauterbach eine staatliche Parallelstruktur auf. Gesundheitskioske und kommunale MVZ schlucken Millionen für eine völlig überflüssige Struktur, die wir zur Bekämpfung der Volkskrankheit Parodontitis bei unseren Patienten so dringend bräuchten“, sagte Hausweiler und fügte hinzu: „Mit Ideologie ist auch noch kein einziger Patient geheilt worden!“ Mit dem sukzessiven Wegfall von früher angewandten Kontraindikationen für Implantate bei Patientenkollektiven mit Diabetes, Osteoporose und Rheumaerkrankungen habe sich ein Paradigmenwechsel hin zu einer personalisierten Implantologie vollzogen, erklärte Prof. Dr. Dr. Knut Achim Grötz (Wiesbaden) in seinem Vortrag zur Implantatversorgung von Risikopatienten. Diese Versorgung gliedere sich nicht selten in Etappen, in denen sich Generalist und Spezialist „die Bälle zuspielen“. So könne beispielsweise die besonders risikobehaftete Augmentationschirurgie oder auch Implantatinsertion beim operativen Spezialisten in universitären oder außeruniversitären Zentren erfolgen, während ab der prothetischen Versorgung bis zur dauerhaften Nachsorge die Praxis des Hauszahnarztes übernimmt. „Insofern sind in der Implantologie die Schnittstellen und Unterschiede von Universität und Praxis keine Parallelwelten, sondern medizinische Sektoren, die sich zum Besten unserer Patienten gegenseitig ergänzen“, betonte Grötz. br Der diesjährige Karl-Häupl-Kongress Online findet am 30. November 2024 statt. Thematisch wird es um das Verhältnis zwischen Leitlinien und individueller Patientenbehandlung gehen. Überschrift: „Sinnvolle Behandlungsstrategien: Wie weit dürfen Leitlinien eingrenzen?“ Informationen dazu unter https://fortbildungen.khi-direkt.de/ khk2024/page7.html. Dr. Ralf Hausweiler, Präsident der Zahnärztekammer Nordrhein, begrüßt die Teilnehmer des KarlHäupl-Kongresses. Foto: Zahnärztekammer Nordrhein / Anne Orthen

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zm114 Nr. 07, 01.04.2024, (508) 10 | ZAHNMEDIZIN 38. BERLINER ZAHNÄRZTETAG Cutting-Edge! Beim Berliner Zahnärztetag Mitte März drehte sich alles um die Frage, wie invasive Behandlungen trotzdem möglichst substanzschonend, erfolgreich und möglichst schmerzlos durchgeführt werden können. Er gehört zu den Dingen, die sich wohl nie gänzlich vermeiden lassen, die aber ein Patient auch im Hinblick auf seine Behandlung wohl am besten beurteilen kann: der Schmerz. Die schmerzarme Behandlung bleibt eine „Visitenkarte“ der Praxis: Macht der Patient hier gute Erfahrungen, berichtet er auch gern darüber. Der Mainzer MKG-Chirurg und Buchautor Prof. Dr. Peer W. Kämmerer widmete seinen Einführungsvortrag daher dem Schmerzmanagement. Der Schmerz soll gar nicht erst entstehen Viel Potenzial in der Schmerzreduktion sieht Kämmerer in der präemptiven Analgesie: „Präemptiv bedeutet, ich schalte den Schmerz aus, bevor es zum Schmerz kommt.“ Das Konzept wird seit einer Stellungnahme von drei medizinischen Fachgesellschaften aus dem Jahr 2021 empfohlen. Die präoperative Gabe von Schmerzmitteln führt sowohl während des Eingriffs als auch postinterventionell zu weniger Schmerz beim Patienten und senkt auch den Schmerzmittelbedarf. Bei der Lokalanästhesie brach Kämmerer eine Lanze für die intraligamentäre Anästhesie (ILA): Sie dauere zwar länger als die Leitungsanästhesie, sei aber von der Wirkung her nicht schlechter und bringe weniger Risiken im Hinblick auf mögliche Nervschädigungen oder Blutungen mit. Darüber hinaus habe eine Studie gezeigt, dass sich wegen des schnelleren Wirkeintritts bei der ILA auch die Behandlungszeiten bei der Extraktion eines UK-Seitenzahns verkürzen: „Zähneziehen intraligamentär sechs Minuten, Zähneziehen bei Leitungsanästhesie elf Minuten." „Zuhören kostet nicht mehr Zeit, sondern spart Zeit ein“ Um die positive Kommunikation mit Patienten ging es im Vortrag der Berliner MKG-Chirurgin und wissenschaftlichen Leiterin des Kongresses Dr. Dr. Anette Strunz und ihrer Koreferentin Dr. Anke Handrock. Zu den ersten Schritten im Arzt-Patienten-Kontakt gehört die Anamnese. Der Rat der Referentinnen: „Hören Sie gut zu und lassen Sie den Patienten ausreden.“ Studien hätten belegt, dass dieses Vorgehen nicht Zeit kostet, sondern im Gegenteil Zeit einspart. Für die Beratung und Aufklärung empfahlen die Referentinnen eine gute Dokumentation, gerade im Hinblick auf mögliche Haftungsfragen. Sollte es im Nachhinein zu Problemen kommen, sei die zentrale Frage „Hat sich ein eingriffstypisches Risiko verwirklicht, über das nicht aufgeklärt wurde?“ Die Dokumentation der Patientenaufklärung sei auch deshalb so wichtig, weil sich Patienten im Nachgang tatsächlich an viele Informationen aus dem Aufklärungsgespräch nicht mehr erinnern können. Studien zufolge werden 80 Prozent der vermittelten Informationen innerhalb von 30 Minuten vergessen. Von den restlichen 20 Prozent merkten sich die Probanden nur die Hälfte richtig, so dass letztlich nur zehn Prozent der vermittelten Informationen beim Patienten korrekt ankamen. Dem könne man zwar mit speziellen Techniken entgegensteuern, nichtsdestotrotz bleibe die Dokumentation der Aufklärung essenziell wichtig, betonten Strunz und Handrock. br Kongressatmosphäre im Berliner Estrel Convention Center: Der Kieferorthopäde Dr. Björn Ludwig (Traben-Trarbach) referiert zur Chirurgie in der Kieferorthopädie. Foto: Stephan Alt / Quintessence Publishing

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12 | POLITIK VORSTOẞAUS THÜRINGEN, SACHSEN UND SACHSEN-ANHALT Mitteldeutsche Zahnärztekammern fordern Landeskinderquote Wie bindet man zahnärztliche Nachwuchskräfte im eigenen Bundesland? Zum Beispiel, indem die Universitäten des Bundeslandes Studienplätze in der Zahnmedizin zu einem festen Anteil an Bewerberinnen und Bewerber vergeben, die später in der Gegend arbeiten wollen. Für diese Maßnahme machten sich die Landeszahnärztekammern Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen in einer gemeinsamen Stellungnahme stark. Die drei mitteldeutschen Standesorganisationen greifen damit nach eigener Aussage einen Vorschlag der ostdeutschen Ministerpräsidenten auf. Diese hatten sich kürzlich für eine „Landeskinder- oder Landarztquote“ bei Studienplätzen in der Medizin ausgesprochen. In ihrer gemeinsamen Erklärung setzen sich die mitteldeutschen Kammern dafür ein, die Zahnmedizin in solche Überlegungen miteinzubeziehen. Das aktuelle zentrale Vergabeverfahren für Studienplätze an staatlichen Hochschulen führt aus Sicht der Kammern zu zwei Problemen: Zum einen erhielten dadurch viele Studierende aus anderen Bundesländern einen Studienplatz in Mitteldeutschland und verließen die Region nach ihrem Abschluss schnell wieder. Umgekehrt müssten Anwärterinnen und Anwärter aus Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt auf weit entfernte Studienorte ausweichen und kämen später häufig nicht wieder in ihre Heimat zurück. Die einen verschwinden, die anderen kehren nicht zurück „Nach unserem Kenntnisstand verlassen im Durchschnitt etwa 50 Prozent der Studierenden Sachsen nach dem Studium. Und von denen, die bleiben, zieht es einen großen Teil in die Ballungszentren“, beschreibt Dr. Thomas Breyer, Präsident der LZK Sachsen, die Situation in seinem Bundesland. In Sachsen-Anhalt entschließt sich nur rund ein Viertel eines Jahrgangs, im Bundesland zu bleiben, geht aus dem Versorgungsatlas der dortigen KZV hervor. Was könnte die Nachwuchskräfte zum Bleiben bewegen? Breyer: „Aus Veranstaltungen mit Studierenden wissen wir, dass finanzielle Unterstützung, eine gut ausgebaute Infrastruktur, kulturelle Angebote sowie soziale Kontakte und die Nähe zur Familie große Bedeutung für junge Menschen haben und sie zum Bleiben motivieren würden." Die Vergabe der Studienplätze an heimischen Hochschulen zukünftig stärker am Bedarf der Bundesländer auszurichten, sollte aus Sicht der drei Kammern daher als Maßnahme dringend in Betracht gezogen werden. Sie schreiben: „Junge Menschen sollen sich auch für eine längere berufliche Tätigkeit im ländlichen Raum verpflichten können, um einen begehrten Studienplatz oder eine finanzielle Unterstützung während der Ausbildung zu erhalten.“ Spielräume beim Thema Hochschulzulassung auf Landesebene gebe es bereits. „Schon heute dürfen Länder und Hochschulen einen Teil ihrer Studienplätze anhand selbst gewählter Kriterien neben dem Notendurchschnitt im Abitur (Numerus clausus) vergeben.“ Diese Möglichkeiten sollten konsequenter genutzt werden. Dr. Carsten Hünecke, Präsident der LZK SachsenAnhalt, betont in diesem Zusammenhang: „Über geeignete Wege, mehr Studierende nach ihrem Examen im Land zu halten, darf es von vornherein keine Denkverbote und Ausschlusskriterien geben. Das geht vom Bewerbungsverfahren bis zu Förderungen zur Berufsaufnahme hier im Land nach dem Examen.“ Immer mehr Patienten drängen in immer weniger Praxen Veränderungen bei der Studienplatzvergabe können aus Sicht der drei Kammern dem drohenden Versorgungsnotstand im Bereich Zahnmedizin, insbesondere in den ländlichen Regionen Mitteldeutschlands, entgegenwirken. Die Zeit drängt, mahnen sie, denn alle drei Bundesländer stünden vor den gleichen Herausforderungen: „In der ehemaligen DDR wurden in den 1970er- und 1980er-Jahren zahlreiche Zahnmediziner ausgebildet. Diese machen heute in manchen Gegenden bis zur Hälfte aller berufstätigen Zahnärzte und Praxisinhaber aus. Sie werden absehbar während der nächsten fünf bis zehn Jahre in Rente gehen – oft ohne ihre Praxis an Nachfolger übergeben zu können. Dieses Praxissterben vor allem Die „Landeskinder- oder Landarztquote“ sollte auch bei Studienplätzen in der Zahnmedizin Eingang finden, fordern die Landeszahnärztekammern Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Foto: Framestock - stock-adobe.com zm114 Nr. 07, 01.04.2024, (510)

POLITIK | 13 zm114 Nr. 07, 01.04.2024, (511) in ländlichen Gebieten gefährdet die wohnortnahe Versorgung schon jetzt akut. Immer mehr Patienten drängen in immer weniger Praxen.“ Für Thüringen bedeutet das zum Beispiel, dass aktuell pro Jahr mindestens 100.000 Patientinnen und Patienten auf der Suche nach einer Zahnarztpraxis sind. Das geht aus Zahlen der dortigen KZV hervor. Auch in Sachsen-Anhalt ist die Lage kritisch. Hier werden nach Angaben der betreffenden KZV bis Ende 2030 über 600 Zahnärztinnen und Zahnärzte altersbedingt aus der Versorgung ausscheiden. Der Anteil der Praxisabgaben, für die keine Nachfolge gefunden wird, sei jedoch schon jetzt sehr hoch. Zwischen 2020 und 2023 habe die Quote im Schnitt bei rund 60 Prozent gelegen. Und in Sachsen? Hier wurde in den vergangenen Jahren laut Statistik der KZV Sachsen nur etwa jede dritte Praxis übernommen. sth INTERVIEW MIT DR. CHRISTIAN JUNGE, PRÄSIDENT DER LZK THÜRINGEN „WAS ZÄHLT, IST DIE LANGFRISTIGE PERSPEKTIVE FÜR UNSEREN NACHWUCHS“ Wie es zu der gemeinsamen Aktion der drei Landeszahnärztekammern kam und wie es jetzt weitergeht, erklärt Dr. Christian Junge, Präsident der Landeszahnärztekammer Thüringen. Dr. Junge, warum haben sich die Landeszahnärztekammern Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen zu diesem gemeinsamen Statement entschieden? Dr. Christian Junge: Der Vorstoß der ostdeutschen Ministerpräsidenten zeigt, dass die Gesundheitsversorgung in unseren Ländern nun endlich auch für die Politik zu einem wichtigen Thema wird. Der Druck in den Wahlkreisen vor allem aus dem ländlichen Raum wurde zuletzt immer größer. Die richtigen Konzepte für eine wohnortnahe zahnmedizinische Betreuung werden nun zu einer wichtigen Wahlentscheidung bei den mitteldeutschen Landtagswahlen in diesem und im nächsten Jahr – nicht nur für uns Zahnärztinnen und Zahnärzte oder unsere Praxisteams, sondern vor allem für Millionen Wählerinnen und Wähler in Stadt und Land. Gibt es Statistiken darüber, wie viele Absolventinnen und Absolventen eines Jahrgangs nach ihrem Zahnmedizinabschluss in Thüringen bleiben beziehungsweise das Bundesland verlassen? Es gibt keine verbindlichen Zahlen. Viele Gespräche mit Zahnärzten ergeben jedoch die Einschätzung, dass nur etwa ein Fünftel der Zahnmedizinabsolventen der Universität Jena dauerhaft für ihr Berufsleben in Thüringen verbleibt. Liegen Ihrer Kammer Rückmeldungen von Absolventinnen und Absolventen vor, unter welchen Rahmenbedingungen sie im Land bleiben würden? Unsere vielfältigen Veranstaltungen und Gespräche mit Studierenden und neu Niedergelassenen zeigen immer wieder, dass die Gesamtheit der Rahmenbedingungen entscheidend ist. Finanzielle Zuschüsse durch das Land oder Förderungen durch unsere zahnärztlichen Körperschaften können eine grundlegende Standortwahl lediglich unterstützen und absichern. Viel wichtiger aber ist die langfristige Perspektive: Welche Entwicklungsperspektive bietet sich in Berufs- und Privatleben? Dazu zählen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Region und der Arbeitsmarkt für Assistenzkräfte ebenso wie eine funktionierende Infrastruktur vor allem für junge Familien mit Kindern, Nahverkehr, Breitbandanbindung, Schulen, Sportvereine, ausreichend Wohnraum, kulturelle Angebote sowie ein lebenswertes soziales Umfeld, gegebenenfalls mit Nähe zur Familie. Ist die Landeskinderquote ausreichend, um ein Praxissterben zu verhindern, oder müssen kurzfristig noch andere Bedingungen verbessert werden? Eine Landeskinder- oder Landzahnarztquote können den bereits heute bestehenden Bedarf allenfalls mittel- bis langfristig und auch nur teilweise auffangen. Kurzfristig muss das Land vor allem die rentennahen Jahrgänge von Praxisinhabern länger im Berufsleben halten. So kann Thüringen die absehbaren Versorgungsengpässe wenigstens etwas abmildern. Dazu muss insbesondere die praxisferne und unnötige Bürokratie abgebaut werden. Unsinnig sind beispielsweise die mehrfachen Praxiskontrollen durch das Landesamt für Verbraucherschutz sowie die kommunalen Gesundheitsämter. Die Erfahrungen aus den Vorjahren zeigen leider regelrechte Wellen vorgezogener Praxisschließungen und Renteneintritte bei neuen Belastungen für Zahnarztpraxen. Als Beispiele fallen mir die Einführung der EU-DSGVO und die notwendigen, aber teuren Investitionen in die digitale Telematikinfrastruktur ein. Welches Feedback haben Sie auf das Statement bekommen? Haben Sie zum Beispiel etwas aus den relevanten Ministerien Ihrer Länder gehört? Auf die Pressemitteilung selbst hat die Landeszahnärztekammer Thüringen kein Feedback erhalten. Die Forderung ist jedoch gemeinsam mit vielen anderen Themen der Thüringer Heilberufe am 14. März 2024 bei einem Parlamentarischen Frühstück im Thüringer Landtag mit der Thüringer Gesundheitsministerin Heike Werner und den Gesundheitspolitischen Sprechern der Parteien erörtert worden. Sind weitere Schritte geplant, etwa begleitend zu den bald beginnenden Wahlkämpfen? Die Landeszahnärztekammer Thüringen wird am 23. Mai 2024 gemeinsam mit der Landesärztekammer Thüringen in einer gesundheitspolitischen Podiumsdiskussion den Auftakt zu ihren Aktionen vor der Landtagswahl setzen. Überdies ist die Kammer gemeinsam mit der KZV weiterhin eng in die Initiative #Gesundheitskollaps der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Apotheker und deren Teams in Thüringen eingebunden. Am 23. April wird das eben erwähnte Positionspapier „Ambulante Versorgungsstrukturen jetzt stärken!“ in der Thüringer Landesvertretung in Berlin auch den Bundestagsabgeordneten aus dem Freistaat überreicht und besprochen.

zm114 Nr. 07, 01.04.2024, (512) 14 | POLITIK URTEIL DES BUNDESSOZIALGERICHTS BSG bestätigt Honorarkürzung für TI-Verweigerer Arzt- und Zahnarztpraxen müssen die Telematik-Infrastruktur (TI) nutzen und damit einen Versicherten-Stammdatenabgleich vornehmen. Und das bereits seit Anfang 2019, urteilte das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. Ausreichend geregelt" sei die Datensicherheit gewesen. Auch habe der Gesetzgeber Ärzte und Zahnärzte hier mit in die Pflicht nehmen dürfen, den Missbrauch von Gesundheitskarten zu verhindern. In einem weiteren Verfahren zu den Kosten nahm der Kläger die Revision zurück. Im Streit um die Anbindungspflicht wies der BSG-Vertrags(zahn)arztsenat die Klage einer Gynäkologischen Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) aus Rheinland-Pfalz ab. Sie hatte ihre Praxis für den Versicherten-Stammdatenabgleich nicht bis zum Jahresbeginn 2019 an die TI angeschlossen. Daraufhin kürzte die KV das Honorar der BAG für das Quartal I/2019 um ein Prozent. Das Sozialgesetzbuch sieht eine solche Kürzung bis zum Anschluss an die TI vor. Mit ihrer Klage hatte die BAG gerügt, dass bis zum Patientendatenschutzgesetz vom 20. Oktober 2020 die Datensicherheit nicht gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gewährleistet worden sei. Insbesondere sei noch nicht „ein hohes Datenschutzniveau“ vorgegeben gewesen, das sich „am Stand der Technik“ orientiert. Auch die Frage, inwieweit Ärzte oder Gerätehersteller für Datenschutzverstöße verantwortlich sind, sei ungeklärt gewesen. Erst mit dem Patientendatenschutzgesetz seien diese Mängel ausgeräumt worden. Insbesondere habe der Gesetzgebereinedatenschutzrechtliche Verantwortlichkeit allein der Ärzte und Zahnärzte festgelegt. Demgegenüber hatte die KV RheinlandPfalz argumentiert, die Datensicherheit sei durch die europäische DatenschutzGrundverordnung (DSGVO) auch 2019 schon ausreichend vorgegeben gewesen. Der Stand der Technik sei durch die Einbindung des Bundesamts für die Sicherheit der Informationstechnik (BSI) gewährleistet gewesen. Wie hierzu nun das BSG betonte, seien technische Mängel in der Vorinstanz vom Sozialgericht Mainz nicht festgestellt worden. Zu prüfen sei daher allein das gesetzliche Regelungskonzept. Dass dies hinsichtlich der Datensicherheit unzureichend gewesen sei, sei „nicht ersichtlich“. Das gesetzliche Konzept habe die Datensicherheit ausreichend gewährleistet, befanden die Kasseler Richter – „auch wenn der Gesetzgeber später weitere Regelungen erlassen und konkretisiert hat“. So sei bereits für 2019 die Gesellschaft für Telematikanwendungen (gematik) verpflichtet gewesen, Vorgaben zur Datensicherheit zu machen. Das BSI habe dies überwacht. Auch die datenschutzrechtliche Verantwortung sei geregelt gewesen. Nach der DSGVO habe diese schon 2019 „bei den Leistungserbringern“, also bei den Ärzten und Zahnärzten gelegen. Im Übrigen lasse die DSGVO eigene „bereichsspezifische Regelungen“ ausdrücklich zu. Hier sei die Verarbeitung der Versichertendaten auch sachlich gerechtfertigt. Denn der Datenabgleich über die TI solle den Missbrauch verlorener oder gestohlener Gesundheitskarten verhindern. Dabei habe der Gesetzgeber die Vertrags(zahn)ärzte mit in die Pflicht nehmen dürfen. Auch die ihnen zugewiesene Haftung sei zumutbar, weil diese laut DSGVO nur bei „schuldhaften Verstößen“ greife. In einem weiteren Streit um die Erstattung der laufenden Kosten nahm der vom Medi-Verbund unterstützte Kläger die Revision zurück. Medi strebe ein Muster-Urteil lieber in anderen Verfahren an, bei denen es im Gesamtpaket auch um die Kosten der Erstausstattung geht, hieß es. Entsprechende, noch beim Sozialgericht Stuttgart anhängige Klagen will Medi nun möglichst rasch zum BSG bringen. Martin Wortmann Bundessozialgericht Az.: B 6 KA 23/22 R (Anbindungspflicht) und B 6 KA 24/22 R (Betriebskosten) Urteile vom 6. März 2024 Foto: zwehren_stock.adobe.com

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16 | POLITIK NEUE DGE-ERNÄHRUNGSEMPFEHLUNGEN Maximal ein Ei Mehr Obst und Gemüse und weniger Fleisch und Milch – die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat ihre Empfehlungen aktualisiert. Ist das gut oder schlecht für die Zahngesundheit? Wir haben zwei Experten gefragt. Neu an den lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen für Deutschland („Gut essen und trinken“) der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) ist, dass neben der Empfehlung zu einer gesunden Ernährung auch Nachhaltigkeit, Umweltbelastung sowie die in Deutschland üblichen Verzehrgewohnheiten berücksichtigt werden, meldet sie anlässlich ihres Jahreskongresses in Kassel. Danach sollen pflanzliche Lebensmittel – wie Obst und Gemüse, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Nüsse und pflanzliche Öle – in der Ernährung verstärkt eine Rolle spielen. Konkret empfiehlt die DGE, dass eine gesundheitsfördernde und ökologisch nachhaltigere Ernährung zu mehr als drei Vierteln aus pflanzlichen Lebensmitteln und zu knapp einem Viertel aus tierischen Lebensmitteln bestehen soll. Der Anteil tierischer Lebensmittel fällt laut den neuen Empfehlungen geringer aus als bisher. Sie berücksichtigen beispielsweise täglich zwei Portionen Milch und Milchprodukte, eine Portion weniger als bei den vorherigen Empfehlungen. Maximal 300 Gramm Fleisch und Wurst die Woche Zudem sei es ausreichend, wöchentlich maximal 300 Gramm Fleisch zm114 Nr. 07, 01.04.2024, (514) Foto: Iryna – stock.adobe.com

POLITIK | 17 zm114 Nr. 07, 01.04.2024, (515) WIR DEUTSCHEN ESSEN 52 KILO FLEISCH PRO JAHR! Nach Angaben des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft (BZL) hat sich der langfristige Trend zu einem geringeren Fleischverzehr auch im Jahr 2022 fortgesetzt: Mit 52 Kilogramm pro Person sank der Pro-Kopf-Verzehr im Vergleich zum Vorjahr um rund 4,2 Kilogramm und war damit so niedrig wie noch nie seit Beginn der Verzehrsberechnung im Jahr 1989. In Summe aßen die Menschen rund 2,8 Kilogramm weniger Schweinefleisch, 900 Gramm weniger Rind- und Kalbsfleisch sowie 400 Gramm weniger Geflügelfleisch. Möglicher Grund für einen sinkenden Fleischverzehr könnte die anhaltende Tendenz zu einer pflanzenbasierten Ernährung sein, heißt es. Im Vergleich zum Vorjahr wurden 9,8 Prozent weniger Schweine- und 8,2 Prozent weniger Rindund Kalbfleisch produziert. Die Nettoerzeugung von Geflügelfleisch sank um 2,9 Prozent. DREI FRAGEN AN PROF. DR. JOHAN WÖLBER, POLIKLINIK FÜR ZAHNERHALTUNG – BEREICH PARODONTOLOGIE, DRESDEN „Da können wir als Zahnärzteschaft richtig viel Gesundheit fördern!“ Wie sind die neuen DGE-Empfehlungen aus zahnmedizinischer Sicht zu bewerten? Prof. Dr. Johan Wölber: Aus ernährungs- und zahnmedizinischer Sicht sind die neuen DGE-Empfehlungen sehr zu begrüßen. Allgemein sind sie klarer und verständnisfreundlicher formuliert und halten sich nicht an den damaligen „Prozentangaben“ für einzelne Makronährstoffe auf. Wenn man sie beachtet, kann man im Vergleich zur derzeitigen Durchschnittsernährung sehr viel mehr Gesundheit im Mund und für den gesamten Körper erreichen. Aus speziell zahnmedizinischer Sicht sind sowohl sehr gute Empfehlungen gegen Karies als auch gegen parodontale Entzündungen formuliert. Dies beinhaltet sowohl ein ganz klares Statement, Zucker und gezuckerte Getränke sowie ballaststoffarme Weißmehle eindeutig zu vermeiden. Auch die Empfehlung zu Obst und Gemüse („5 am Tag“) wird ergänzt durch den Hinweis, lediglich zwei Obstportionen am Tag zu konsumieren. Der stärkere Fokus sollte auf Gemüse liegen. Aus parodontaler Sicht sind sehr viele anti-entzündliche Empfehlungen gegeben: Fokus auf Ballaststoffe, Mikronährstoffe, Fisch/ Omega-3 Fettsäuren und Reduktion von Tierfleischkonsum. Auch die Empfehlung zu (ungezuckerten!) Milchprodukten ist sowohl gegen Karies als auch gegen parodontale Entzündungen sinnvoll. Gibt es Aspekte, die im Sinne der Zahnmedizin noch fehlen oder besser verankert sein sollten? Nicht wesentlich, sie müssten halt nur umgesetzt werden. Es ist zu hoffen, dass diese Empfehlungen die Praktikabilität für die Menschen verbessert. Ein weiterer Schritt ist natürlich, dass die Empfehlungen auch von zahnärztlichen Teams in der Beratung adressiert und thematisiert werden. Das Thema Ernährungsberatung in der Zahnarztpraxis muss stärker unterstützt werden. Gleichzeitig bedarf es aber auch der Verhältnisprävention – wie können Lebenswelten so gestaltet werden, dass es Menschen einfacher gemacht wird, gesunde Entscheidungen im Sinne der Empfehlungen zu treffen? Derzeit sind wir stark von Werbung für krankmachende prozessierte Stoffe (wie Süßigkeiten) umgeben. Wie beurteilen Sie die Empfehlungen im Hinblick auf die Wechselwirkungen von Allgemein- und Zahnmedizin? Das ist ein zentraler Punkt. Viele dieser Empfehlungen wirken nicht nur präventiv gegen orale Erkrankungen (wie Karies und parodontale Erkrankungen), sondern auch gegen Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, bestimmte Krebsarten, Typ-II-Diabetes und viele andere Erkrankungen. Es sind vor allem die nicht-übertragbaren Erkrankungen, die heutzutage die Haupttodesursache in Industrienationen darstellen. Wenn zahnärztliche Teams aufgrund von oralen Erkrankungen Hinweise auf Fehlernährung sehen (letztendlich starke Abweichungen von diesen DGE-Empfehlungen), liegt darin eine unglaublich präventive Chance, dieser Fehlernährung mit Ernährungsberatung entgegenzuwirken. Da können wir als Zahnärzteschaft richtig viel Gesundheit fördern. Das Gespräch führte Gabriele Prchala. Foto: privat

zm114 Nr. 07, 01.04.2024, (516) 18 | POLITIK und Wurst sowie ein Ei, zum Beispiel ein Frühstücksei, zu essen. Bei Fisch sollte es bei ein bis zwei Portionen wöchentlich bleiben. Zu pflanzlichen Lebensmitteln rät die DGE noch stärker als bisher: Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen, Linsen sowie Nüsse werden mit einer eigenen Empfehlung stärker hervorgehoben. Obst und Gemüse stellen weiterhin die mengenmäßig wichtigste Gruppe dar. Die Empfehlung, fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag zu essen, bleibt in den neuen Empfehlungen – diese sollten je nach Erntesaison verzehrt werden. Allerdings entfallen die ergänzenden einzelnen Portionsangaben von drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst. Möglichst kein Salz und kein Fett Als Trinkmenge werden rund 1,5 Liter pro Tag angeraten, am besten Wasser oder andere kalorienfreie Getränke wie ungesüßter Tee. Zuckergesüßte und alkoholische Getränke sind laut DGE nicht gut. Zucker, Salz und Fett sollten möglichst gemieden werden. Sie steckten oft in verarbeiteten Lebensmitteln wie Wurst, Gebäck, Süßwaren, Fast Food und Fertigprodukten. Wer davon viel isst, habe ein höheres Risiko für Übergewicht, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes, warnt die DGE. Auch auf ausreichende Bewegung und sein Gewicht sollte man achten. Vegan, mit Calcium, Jod und Vitamin B2 Auch eine vegetarische Ernährung – mit Milch, Milchprodukten und Eiern – ist machbar, so die DGE. Statt Fleisch, Wurst und Fisch könne man mehr Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, grünes Blattgemüse sowie Nüsse und Ölsaaten essen. Wenn man pflanzliche Milchalternativen verwendet, sei auf die Versorgung mit Calcium, Vitamin B2 und Jod zu achten. Wie die DGE betont, zeigen die aktualisierten Empfehlungen eine Idealsituation auf. Grundsätzlich gelte aber: Bereits kleine Veränderungen in der täglichen Ernährung sind schon ein Schritt in die richtige Richtung – hin zu einer gesundheitsfördernden und umweltschonenderen Ernährung. pr Der DGE-Ernährungskreis mit den neuen Empfehlungen: Je größer eine Lebensmittelgruppe ist, desto mehr sollte daraus gegessen werden. Foto: Deutsche Gesellschaft für Ernährung 2024 STATEMENT VON BZÄK-VIZEPRÄSIDENT KONSTANTIN VON LAFFERT „AUS FACHLICHER SICHT WENIG HILFREICH“ „Die neuen Ernährungsempfehlungen der DGE setzen verstärkt auf pflanzliche Lebensmittel. Die Einteilung von Lebensmitteln in solche 'pflanzlichen Ursprungs' und solche 'tierischen Ursprungs', wie sie die DGE vornimmt, betrachtet die BZÄK aus fachlicher Sicht als wenig hilfreich. Denn kein Lebensmittel ist aufgrund seiner Herkunft als gut oder schlecht einzustufen. Als Beispiele seien hier Zucker, Weizenmehl und Palmfette genannt, die allesamt pflanzlich sind, aber niemand würde empfehlen, dass man davon mehr essen sollte. Die DGE-Empfehlungen gelten für gesunde Erwachsene im Alter von 18 bis 65 Jahren. Hier stellt sich die Frage, was mit Kranken, Kindern oder Senioren ist, die eine gesunde Ernährung benötigen? Dass diese Zahl nicht gering ist, zeigen beispielsweise die hohen Prävalenzwerte für Diabetes mellitus in Deutschland. Ein zentraler Aspekt bei den Ernährungsempfehlungen der DGE ist, dass dabei die Nachhaltigkeit und die Umweltbelastungen der Lebensmittelproduktion berücksichtigt werden sollen. Hierzu ist anzumerken, dass die von der DGE ausgesprochenen Ernährungsempfehlungen nicht 'für alle gesund', sondern allenfalls für einen Teil der Allgemeinbevölkerung praktikabel und sinnvoll sind. Sie verfolgen im Sinne der fachlich umstrittenen 'Planetary Health Diet' eine klimapolitische Motivation. Den Aspekt des Klimaschutzes teilweise über die gesundheitlichen Belange der Bevölkerung zu stellen, erscheint problematisch.“ Foto: lopata/axentis.de

NACHRICHTEN | 19 zm114 Nr. 07, 01.04.2024, (517) 73 Prozent der neuen Zahnis sind Frauen Im Fachbereich Zahnmedizin steigt der Anteil der Studentinnen weiter. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts haben sich im Sommersemester 2023 und im Wintersemester 2023/2024 insgesamt 1.573 Studierende für Zahnmedizin eingeschrieben. Davon waren 1.153 (73,2 Prozent) Frauen. Zurzeit gibt es an deutschen Hochschulen 12.793 Zahnmedizinstudierende, der Frauenanteil liegt bei 8.877 (69,3 Prozent). LL Verdienstmedaille posthum Posthum ehrte die Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg Dr. Dr. Heinrich Schneider mit der Ehrennadel der deutschen Zahnärzteschaft in Silber. Er erhielt die Auszeichnung für sein 30-jähriges standespolitisches Engagement in zahlreichen Ehrenämtern unter anderem als Mitglied des Finanzausschusses der baden-württembergischen KZV. Die Ehrung wurde vom Bruder des im Dezember 2023 Verstorbenen, Dr. Friedrich Schneider, entgegengenommen. LL NEWS NACH VERSTOSS GEGEN DIE HAUSORDNUNG Ordnungsgeldverfahren gegen AfD-Mann eingeleitet Die Verletzung der Hausordnung des Bundestages zieht ein Ordnungsgeldverfahren für den AfD-Abgeordneten Kay-Uwe Ziegler nach sich. Er hatte widerrechtlich den Vorsitz im Gesundheitsausschuss beansprucht. „In der heutigen Sitzung des Ältestenrats hat Bundestagspräsidentin Bärbel Bas angekündigt, ein Ordnungsgeldverfahren gemäß § 44e Abs. 2 des Abgeordnetengesetzes wegen einer nicht nur geringfügigen Verletzung der Hausordnung des Bundestages durch den Abgeordneten Kay-Uwe Ziegler in Höhe von 1.000 Euro einzuleiten“, heißt es in einer Pressemitteilung des Parlaments. Der AfD-Abgeordnete Ziegler hatte vor Beginn der Sitzung des Ausschusses für Gesundheit am 13. März 2024 das Namensschild der amtierenden Ausschussvorsitzenden, Kirsten KappertGonther (Bündnis 90/Die Grünen), gegen sein eigenes ausgetauscht und deren Platz eingenommen. Anschließend weigerte er sich 15 Minuten lang, den Platz wieder zu räumen. sth Heinrich Schneider war viele Jahre Vorstandsmitglied der Landeszahnärztekammer, Vorsitzender der Bezirkszahnärztekammer (BZK) Tübingen, Mitglied der LZK-Vertreterversammlung und Delegierter der Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer. Foto: LZK BW Foto: BalanceFormCreative – stock.adobe.com GEMEINSCHAFT STELLT POSITIONSPAPIER VOR Heilberufe in Thüringen gehen mit 6 Forderungen an die Politik Ambulantisierung, Finanzierung, Fachkräfte, Nachwuchs, Bürokratie, Digitalisierung: Die Gemeinschaft der Heilberufe in Thüringen hat den Landespolitikern ein gemeinsames Positionspapier mit sechs Forderungen zu diesen Baustellen übergeben. 1. Ambulantisierung: „Wir fordern die angekündigte Ambulantisierung umzusetzen, um Kosten im Gesundheitswesen zu sparen und stationäre Strukturen zu entlasten.“ 2. tragfähige Finanzierung: „Wir fordern eine tragfähige Finanzierung, die auch in der ambulanten Gesundheitsversorgung mindestens einen Ausgleich für Inflation und Kostensteigerungen schafft.“ 3. Fachpersonal stärken: „Wir fordern eine spürbare Anerkennung des medizinischen, zahnmedizinischen und pharmazeutischen Fachpersonals durch die Förderung und Stärkung von Ausbildung und Qualifizierung sowie eine bessere Einbindung in die Versorgungsprozesse.“ 4. Nachwuchsoffensive: „Wir fordern die signifikante Erweiterung der Studienplatzkapazitäten bei den Heilberufen sowie die Förderung und Stärkung der Ausbildung in den Gesundheitsberufen.“ 5. Entbürokratisierung: „Der Bürokratieabbau im Gesundheitswesen muss zeitnah umgesetzt und die Versorgung mit zielgenauen Maßnahmen sowohl bei der Praxis- und Apothekengründung als auch im Versorgungsalltag entlastet werden.“ 6. sinnvolle Digitalisierung: „Anspruch der Digitalisierung im Gesundheitswesen muss es sein, bestehende Versorgungsprobleme zu lösen und heilberufliche Kooperationen zum Nutzen der Patienten zu ermöglichen. Die dazu notwendige Technik muss nutzerfreundlich, funktionstüchtig und vollständig refinanziert sein. Daten zur Patientensteuerung müssen in heilberuflicher Hand bleiben.“ ck

20 | POLITIK ZAHNARZT CHRISTIAN BARTELT ZU SEINER ARBEIT IM BUNDESTAG „Den Workload als MdB habe ich unterschätzt“ Nach knapp einem halben Jahr im Deutschen Bundestag zieht Zahnarzt Christian Bartelt (FDP) ein Zwischenfazit über sein Leben als Politiker in Berlin: über die Arbeit im Gesundheitsausschuss, die Störaktionen der AfD und wie es ihm gelingt, sich in den sitzungsfreien Wochen in seiner Einzelpraxis auf dem Land bei Behandlungen zu „erden“. Herr Bartelt, Sie sind jetzt seit knapp sechs Monaten Mitglied des Deutschen Bundestags. Wo hat sie der Alltag als MdB überrascht? Christian Bartelt: Tatsächlich hatte ich den Zeitaufwand wirklich unterschätzt, den es in Anspruch nimmt. Ich bin von einer 45-Stunden-Woche ausgegangen. Dass es teilweise zwischen 60 und 80 Stunden pro Woche sind, hatte ich so nicht auf dem Zettel. Aber es ist trotzdem machbar. Hinzu kam im Herbst vergangenen Jahres dann ja noch die Herausforderung, ein Büro neu zu organisieren. Ja, aber was das angeht, habe ich einfach das riesige Glück gehabt, dass ich sowohl das Büro als auch die Angestellten von meinem Vorgänger Hagen Reinhold übernehmen konnte. Ich bin damit in fertige und gut funktionierende Strukturen gekommen. Nachdem Sie zwischenzeitlich öffentlich als Nachfolger ihres ebenfalls ausgeschiedenen Parteikollegen Lars Lindemann als FraktionsObmann im Gesundheitsausschuss gehandelt worden waren, ging die Funktion Mitte März an Kristin Lütke. Was sagen Sie zu der Entscheidung? Das war eine klare Sache der Mehrheitsverhältnisse in der Abstimmung der AG Gesundheit, in der ich noch nicht stimmberechtigt war und deren Vorsitzende Frau Lütke ist. Aber das spielt für mich insofern keine Rolle, weil ich letzten Endes gerade was die Berichterstattung und den Zuschnitt der Fachlichkeit angeht, bekommen habe, was ich immer wollte. Ich bin jetzt verantwortlich für den ganzen ambulanten Bereich, das heißt für die Freien Berufe wie niedergelassene Zahnärzte und niedergelassenen Ärzte. Das kompensiert das auf jeden Fall. Bedeutet die Entscheidung auch, dass Pflege aus Sicht der Fraktion eine größere Rolle als Zahnmedizin spielt? Frau Lütke ist ja als Unternehmerin im Pflegebereich tätig. Nein. Das ist ja das Kuriose an der ganzen Geschichte. Denn Frau Lütke übernimmt gar nicht das Thema Pflege. Sie hat beruflich damit zu tun, aber nicht als Bundestagsabgeordnete. Das ist eine Compliance-Geschichte, mit der vorher auch argumentiert wurde, warum ich nicht die Zahnarztthemen übernehmen sollte. Dabei ist es ein Themenfeld, in dem ich mich gut auskenne. Ein großes Thema aus Sicht der Zahnärzteschaft – und neulich Gegenstand im Gesundheitsausschuss – ist Private Equity. Die FDP ist ja klassischerweise investorenfreundlich, hier kollidiert diese Haltung jedoch mit den Vorstellungen der Zahnärzteschaft. Wie lässt sich dieser Widerspruch auflösen? Da bin ich auch sehr ambivalent. Als Mecklenburger haben wir mit investorenbetriebenen MVZ so gut wie keine Berührungspunkte, aber ich sehe tatsächlich die Notwendigkeit, dass KZVen und Kammern mehr Eingriffsmöglichkeiten haben. Auch innerhalb der Fraktion gibt es dazu kontroverse Meinungen. Vorrangig muss es natürlich ums Patientenwohl gehen. Und Studien zum Abrechnungsverhalten von investorenbetriebenen MVZ und Berichte zu den Arbeitsbedingungen der dort angestellten Kollegen, mit denen nicht so gut umgegangen wird, geben zu denken. Aber grundsätzlich gehören iMVZ zum breiten Feld der Versorgung mit dazu. Bis zum Ende der Legislatur stehen alle Reformen unter dem Finanzierungsvorbehalt des FDP-Finanzministers. Was ist gesundheitspolitisch überhaupt noch umsetzbar bis zum Beginn des Wahlkampfs im Herbst? Na, was auf jeden Fall umsetzbar ist und was umsetzbar sein muss, ist ein eigenes Bürokratieentlastungsgesetz. Da haben wir endlich auch vom Bundesgesundheitsminister die Zusage bekommen, dass es ein eigenes Gesetz und nicht irgendwo in anderen Gesetzen mit beigemengt wird – und wir die eine oder andere Kröte für die Umsetzung hätten schlucken müssen. Insofern bin ich sehr gespannt. Andere Regelungen, wie etwa die Krankenhausreform stehen ja nicht zwingend unter dem Finanzierungsvorbehalt, sondern sind eher von der Zustimmung der Länder abhängig. Eine Dauer-Herausforderung für den Politikbetrieb sind die Störfeuer der AfD. Jüngst sorgte etwa die Aktion von Kay-Uwe Ziegler für Wirbel, der sich kurzerhand selbst zum Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses erklärte. Wie schwer behindern Vertreter der AfD aus Ihrer Wahrnehmung den demokratischen Prozess auf Bundesebene? Es gehört einfach zum Kalkül der AfD, mit solchen Aktionen zum einen den normalen Ablauf zu behindern und sich zum anderen anschließend in den sozialen Medien als Opfer präsentieren und so Wähler akquirieren zu können. Wir haben Der 1976 geborene Zahnarzt Christian Bartelt gehört seit September 2023 dem Deutschen Bundestag an, als er das Amt des freiwillig ausgeschiedenen Abgeordneten Hagen Reinhold (FDP) übernommen hat. Foto: Deutscher Bundestag/ Inga Haar zm114 Nr. 07, 01.04.2024, (518)

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