Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

ZAHNÄRZTLICHE MITTEILUNGEN I WWW.ZM-ONLINE.DE AUSGABE 18 I 2022 Zahngesundheit per Video? Forschungs- und Publikationsethik „Publish or perish“ – zwischen Promotion und Plagiat: Was ist gute wissenschaftliche Praxis in der Zahnmedizin? SEITE 12 Zahnärztliches Praxis-Panel (ZäPP) geht in die fünfte Runde Wie die erhobenen Daten helfen, die Rahmenbedingungen der Versorgung zu verbessern. SEITE 30 Fortbildung „Regenerative Therapien – Teil 3“ Die Regeneration der Pulpa, die Regeneration von Weichgewebe und Parodontale Regeneration SEITE 46 zm16.9.2022, Nr. 18

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zm112, Nr. 18, 16.9.2022, (1693) Im Krisenmodus Regeneration. Sie stellen die jeweils neuesten Verfahren mit ihren Möglichkeiten und Grenzen detailliert vor. Kurz vor Redaktionsschluss erreichte uns eine weitere Nachricht, die mehr als nachdenklich stimmt. Das Dentalhistorische Museum im sächsischen Zschadraß – aus dem wir immer wieder einzelne Exponate wie in dieser Ausgabe vorstellen – wird vom 1. November bis Ende März nächsten Jahres schließen, um nicht in eine Energiekostenfalle zu laufen. Da das Museum kaum staatliche Unterstützung erhält, sieht sich Museumsleiter Andreas Haesler zu diesem drastischen Schritt gezwungen. Man muss es noch einmal betonen: In diesem Museum auf dem Gelände einer alten Lungenklinik verbirgt sich nicht weniger als die weltgrößte dentalhistorische Sammlung, die über Jahrzehnte mit akribischer Kleinarbeit und unermüdlichem Sammlergeist von Zahntechnikermeister Haesler zusammengetragen wurde. Umso bedauerlicher ist es, wenn die Sammlung aufgrund der hohen Energiekosten für die Öffentlichkeit über einen längeren Zeitraum nicht mehr zugänglich ist. Zwar will Haesler in dieser Zeit noch Gruppenführungen nach Voranmeldung anbieten, aber ob sich damit die anfallenden Kosten decken lassen, ist zweifelhaft. Daher mein Appell: Unterstützen Sie das Museum in diesen schwierigen Zeiten mit einer Spende. Die Daten finden Sie in diesem Heft. Die aktuelle Situation ist ein Grund mehr, sich für den Erhalt des dentalen Erbes stark zu machen. Viel Spaß bei der Lektüre. Sascha Rudat Chefredakteur Unmittelbar vor dem Redaktionsschluss dieser Ausgabe fand am 7. September der Protesttag gegen das GKVFinanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) statt. Vor allem die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte haben an diesem Tag ihre Praxen geschlossen, um auf mögliche Folgen des Gesetzes aufmerksam zu machen. Bei der Ärzteschaft ist es hauptsächlich der geplante Wegfall der Neupatientenregelung, der für Widerstand sorgt. Für die Zahnärzteschaft ist es dagegen die geplante Wiedereinführung der Deckelung/Budgetierung, die insbesondere auf die noch junge Versorgungsstrecke zur ParodontitisBehandlung gravierende Auswirkungen haben dürfte. Realistisch betrachtet dürfte das Gesetz nicht mehr zu stoppen sein. Jetzt gilt es, auf allen Kanälen dafür zu sorgen, dass das Schlimmste verhindert werden kann und noch Änderungen vorgenommen werden. Erklären Sie ruhig Ihren Patientinnen und Patienten mal, was dort geplant ist. Denn im aktuellen Krisenkanon hat das GKV-FinStG kaum den Weg in die breite Öffentlichkeit gefunden. Dafür nehmen andere Probleme wie die Energiekrise zu großen Raum ein. In unserer Titelgeschichte befassen wir uns dieses Mal mit der Plattform YouTube. Haben Sie gewusst, dass YouTube nach Google die zweitgrößte Suchmaschine ist? Millionen von Menschen suchen dort nach Informationen – selbstverständlich auch nach (zahn-)medizinischen Inhalten. Studien haben dies jetzt ausgewertet. Was man bei YouTube als Ergebnisse bekommt, ist bunt gemischt: Korrekte, sachliche Informationen wechseln sich ab mit Skurrilem und eben auch schlichtweg Unfug. Wenn Sie selbst zahnmedizinische Inhalte präsentieren wollen, erhalten Sie bei uns von Experten Tipps, worauf Sie achten müssen, um informative und ansprechende Videos zu gestalten. Eins vorweg: Mal eben schnell die Handykamera draufhalten, führt im Regelfall nicht zu einem hochwertigen Video, mit dem Sie sich in einem guten Licht darstellen. In dieser Ausgabe erhalten Sie darüber hinaus weitere Tipps, wie Sie erfolgreiches Onlinemarketing betreiben können. Auch hier gilt: Die Präsentation sollte professionell und individuell sein. Sonst wirkt das eher abschreckend als einladend. Im dritten und letzten Teil unserer Fortbildung zu „Regenerativen Therapien“ beschäftigen sich unsere Expertinnen und Experten mit der Regeneration der Pulpa, von Weichgeweben und der Parodontalen Foto: Lopata/axentis EDITORIAL | 03

zm112, Nr. 18, 16.9.2022, (1694) MEINUNG 3 Editorial 6 Leitartikel 8 Leserforum POLITIK 10 Protestaktion in Berlin ZFA und MFA demonstrieren erneut 20 Telematikinfrastruktur Das E-Rezept ist gestartet 28 Zahnärztetag Mecklenburg-Vorpommern Spannende Fortbildung mit Ostseeblick 30 Zahnärzte-Praxis-Panel (ZäPP) Start der fünften Runde – mit vielen Benefits für die Zahnärzteschaft 36 Bericht der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege (DAJ) „Ansätze wie die Gruppenprophylaxe sind jetzt von höchster Bedeutung“ PRAXIS TITELSTORY 22 YouTube und Zahngesundheit 23 Die Studienlage – Wie gut sind zahnmedizinische YouTube-Videos? 23 Statement von Prof. Johan Wölber – „Videos funktionieren nur unter bestimmten Voraussetzungen“ 24 Interview mit YouTube-Experte Michael Leber – „Authentizität und Herzlichkeit punkten“ 42 Onlinemarketing „Meine suchoptimierte Website erreicht die gewünschten Patienten“ 44 Onlinemarketing Gerade spezielle Behandlungen werden gegoogelt Inhalt Foto: Peer W. Kämmerer 86 Postoperative Komplikationen bei Weisheitszähnen Prävalenz und Risikofaktoren nach Extraktion des unteren dritten Molaren 36 Status quo der Gruppenprophylaxe Der schwierige Weg zurück zu einem mundgesunden Kita-Alltag nach zwei Pandemiejahren Foto: annanahabed – adobe.stock.com Titelfoto: cristovao31 – adobe.stock.com / vecteezy.com 04 | INHALTSVERZEICHNIS

zm112, Nr. 18, 16.9.2022, (1695) 82 Schnittstellenkommunikation Teil 3 Eine Führung, mehrere Standorte ZAHNMEDIZIN 46 Fortbildung „Regenerative Therapien“ – Teil 3 48 Die Regeneration der Pulpa 60 Weichgewebeaugmentation an Zähnen und Implantaten 72 Parodontale Regeneration 86 Aus der Wissenschaft Postoperative Komplikationen nach Extraktion des unteren dritten Molaren GESELLSCHAFT 12 Forschungs- und Publikationsethik in der Zahnmedizin „Publish or perish“ – zwischen Promotion und Plagiat 40 Exponate aus der Sammlung Proskauer/Witt Der zahnärztliche Pelikan 80 Von der Saale nach Stockholm Ein deutscher Kaufmannssohn wird Königlicher Hofzahnarzt in Schweden MARKT 90 Neuheiten RUBRIKEN 29, 85, 89 Bekanntmachungen 56 Termine 58 Formular 94 Impressum 114 Zu guter Letzt Foto: Rawpixel.com – adobe.stock.com 82 Zwei Praxisteams an verschiedenen Standorten Wie man beide zu einem neuen, größeren Wir führen kann TITELSTORY 22 YouTube und Mundgesundheit Unter welchen Voraussetzungen zahnmedizinische Videos funktionieren Foto: cristovao31 – adobe.stock.com / vecteezy.com INHALTSVERZEICHNIS | 05

zm112, Nr. 18, 16.9.2022, (1696) Foto: Knoff/KZBV Die Vertragszahnärzteschaft beteiligt sich konstruktiv an der Gesetzgebung Der Herbst steht vor der Tür und damit auch das sogenannte GKVFinanzstabilisierungsgesetz (GKVFinStG). Seit einigen Wochen rollt nun schon die Protestwelle seitens der Zahnärzteschaft, der Ärzteschaft, der Apotheker und sogar der Krankenkassen gegen den Gesetzentwurf durchs Land. Die KZBV wird zusammen mit den KVZen nicht müde, auf die fatalen Folgen des Gesetzes aufmerksam zu machen – sollte es denn so kommen wie derzeit geplant. Um eins deutlich zu machen: Es geht nicht um eine Blockadehaltung gegen eine grundlegende Reform der GKV-Finanzierung, diese ist mehr als überfällig. Dieses Gesetz ist jedoch leider völlig ungeeignet, die GKV-Finanzen zukunftsfest zu machen. Wir Vertragszahnärztinnen und -zahnärzte werden uns gerne konstruktiv an den Diskussionen zur Stabilisierung der GKV-Finanzen beteiligen und unser Know-how und unsere Expertise einbringen. Aktuell geht es darum, dieses nur kurzfristig wirkende Gesetz zu verbessern und gravierende Schäden für die Patientenversorgung abzuwenden. Das vorgeschlagene Mittel der Budgetierung und Deckelung halten wir für grundsätzlich nicht zielführend. Denn das Ziel von Kosteneinsparungen ohne Leistungskürzungen wird damit verfehlt. Die Zahnärzteschaft hat in der Vergangenheit unter Beweis gestellt, dass es auch ohne Deckelung nicht zu einer Explosion der Behandlungskosten kommt. Ganz im Gegenteil, der Anteil der zahnärztlichen Leistungen an den Gesamtkosten im GKV-System ist kontinuierlich gesunken. Gleichzeitig ist die Zahnärzteschaft Vorreiter bei Prävention und Prophylaxe im deutschen Gesundheitssystem. Auch diese Erfahrung bringen wir gerne in das Gesetzgebungsverfahren ein. Zwar hat auch der Gesetzgeber die Bedeutung von Prävention bereits erkannt, aber nicht ausreichend umgesetzt. Eine besondere Bedeutung kommt der im Juli 2021 etablierten PAR-Versorgungsstrecke zu. Sie ist für die Mund- und Allgemeingesundheit der Bevölkerung ein Quantensprung. Unbehandelt ist Parodontitis die häufigste Ursache für vermeidbaren Zahnverlust. Daneben sind die Wechselwirkungen der Parodontitis mit Herz-KreislaufErkrankungen, Diabetes, demenziellen Erkrankungen, Frühgeburten sowie schweren COVID-Verläufen längst bekannt. Mit der auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden modernen Parodontaltherapie kann es uns gelingen, die Mundgesundheit der Bevölkerung auf ein ganz neues Niveau zu bringen. Das GKV-FinStG in seiner jetzigen Form droht aber, diesen in mühevoller Kleinarbeit auf den Weg gebrachten Ansatz im Keim zu ersticken. Deshalb ist es unser Ziel, den Gesetzgeber davon zu überzeugen, insbesondere für diesen Bereich Anpassungen am geplanten Gesetz vorzunehmen. Um es klar zu sagen: Die Parodontitisbehandlung muss extrabudgetäre Leistung werden. Damit werden auch spätere Belastungen für das Gesundheitssystem insgesamt reduziert. Aber das geplante GKV-FinStG hat noch weitere Auswirkungen. Beim Protesttag am 7. September sind auch die Zahnmedizinischen Fachangestellten auf die Straße gegangen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Man muss es in aller Deutlichkeit sagen: Die ZFA sind essenziell für den Praxisbetrieb und die Gewährleistung der zahnmedizinischen Versorgung. Während der Corona-Krise hat die zahnmedizinische Versorgung nie gewackelt – vor allem auch dank der pflichtbewussten ZFA. Sie haben trotz anfänglich mangelnder Schutzausrüstung täglich in der Praxis ihre Frau und ihren Mann gestanden und später auch Infizierte in Schwerpunktpraxen behandelt. Was ist der Dank dafür? Hunderttausende ZFA und MFA aus der ambulanten Versorgung wurden beim staatlichen Pflegebonus völlig vergessen und hinter den Pflegeberufen ins zweite Glied gerückt. Nun kommt der nächste Dämpfer mit dem GKV-FinStG. Dies wird Auswirkungen auf die Versorgung der Patienten und damit auf die Mundgesundheit haben. Die Politik muss sich die Frage gefallen lassen, wie wir dem Fachkräftemangel begegnen und den Beruf der ZFA aufwerten sollen, wenn der Gesetzgeber für die Zahnärzteschaft das nachweislich gescheiterte Instrument der Budgetierung auspackt? Auch aus diesem Grund haben wir uns zusammen mit den KZVen mit unseren Vorschlägen zur Verbesserung des Gesetzes an die Länder und die Landesgesundheitsministerinnen und -minister als Mitglieder des Gesundheitsausschusses des Bundesrats gewandt, um es im parlamentarischen Verfahren doch noch zum Besseren zu verändern. Daneben sind wir nun im Austausch mit den Abgeordneten des Deutschen Bundestages, damit im parlamentarischen Verfahren die dramatischen Auswirkungen auf die Parodontitisbehandlung, die der Regierungsentwurf offenkundig nicht im Blick hatte, durch entsprechende Änderungen vermieden werden. Dr. Wolfgang Eßer Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung 06 | LEITARTIKEL

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zm112, Nr. 18, 16.9.2022, (1698) GKV-FINANZSTABILISIERUNGSGESETZ NUR WER VIEL LEISTET, WIRD AUCH VIEL GEFORDERT Zum Beitrag „Kabinettsentwurf zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz: Es droht die Budgetierung!“, zm 15-16/2022, S. 16–18. Die Kritik am GKV-Finanzstabilisierungsgesetz und der Zorn über des Ministers Art und Weise sind allerorten unüberhörbar – nur im Bundesgesundheitsministerium ist der Minister taub: Die KZBV und der GKV-Spitzenverband monieren die negativen Auswirkungen des Gesetzes auf die vertragszahnärztliche Patientenversorgung, der Minister beschwichtigt, es werde zu keinen Leistungskürzungen kommen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung spricht gar von einem „Schlag ins Gesicht der Patientinnen und Patienten“, wobei hier genau genommen ein Schlag ins Gesicht der Vertrags(zahn-)ärzte vorliegt. Denn natürlich wird es zu keinen Leistungskürzungen für die GKV-Versicherten kommen (man stelle sich nur die Schlagzeile in der Bild-Zeitung vor), denn die BEMA-Positionen stehen ja nun mal schon im Sozialgesetzbuch und jeder GKV-Versicherte hat einen gesetzlichen Anspruch darauf. „Nur“ die Honorierung der Vertragszahnärzteschaft für die erbrachten Leistungen wird nachträglich geringer. Der Minister geht stillschweigend davon aus, dass die Vertragszahnärztinnen und Vertragszahnärzte die gleichen Leistungen für weniger Geld erbringen werden. Inwieweit sich der gesamtgesellschaftliche Auftrag der Zahnärzteschaft zur Patientenversorgung aufrechterhalten lässt, wird aber auch darüber entschieden, inwiefern unsere Führungsriege ihrem politischen Auftrag zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Honorierung nachkommt. Die Nonchalance, mit der der Minister die vertragszahnärztlichen Honorare budgetiert – und somit kürzt, ist mittlerweile bezeichnend für unsere politische Führung. Sie reiht sich ein in die eklatante jahrzehntelange Ignoranz der notwendigen GOZ-Punktwert-Anpassung. Zwar lässt sich die Forderung der Zahnärzteschaft nach höheren Honoraren bekanntermaßen gesamtgesellschaftlich schwierig unterbringen (man stelle sich nur die Schlagzeile in der Bild-Zeitung vor), doch das politische Interesse am Wert der zahnärztlichen Versorgung in Deutschland zeigt sich eben vor allem am Willen der Honorierung selbiger. Vielleicht wünscht sich der Minister ja eine zahnmedizinische Versorgung nach britischem Vorbild? Die Zahnärzteschaft ist gefordert, ohne falsche Scham für ihre angemessene Honorierung einzutreten! Leider ist diesbezüglich der Lobbyismus unserer Standesvertretungen nicht so erfolgreich, wie es zum Beispiel jahrzehntelang die Lobby der deutschen Bauernschaft war. Aber eigentlich möchte ich versuchen, uns Zahnärzten etwas Trost zuzusprechen. Wenn die erneute Budgetierung kommt, zeigt dies erneut, welchen Stellenwert wir Zahnärzte im System haben. Das meine ich hier tatsächlich positiv! Denn nur wer viel leistet, der wird auch viel gefordert! Oder andersherum formuliert: Man kann bei keinem etwas einfordern, der nur unterdurchschnittlich performt (weshalb auch noch nie ein Politiker auf seine Diätenerhöhung verzichtete). Die Zahnärzteschaft wird es schaffen, die GKV-Mindereinnahmen durch GOZ-Mehreinnahmen auszugleichen. Das sind wir unserem Personal und uns selbst schuldig. Oder anders: Was kümmert`s die Eiche, wenn sich die Sau an ihr reibt? Dr. Dr. Friedrich Müller, M.Sc. M.Sc., Wiesbaden Die zm-Redaktion ist frei in der Annahme von Leserbriefen und behält sich sinnwahrende Kürzungen vor. Zudem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch in der digitalen Ausgabe der zm und bei www.zm-online.de zu veröffentlichen. Bitte geben Sie immer Ihren vollen Namen und Ihre Adresse an und senden Sie Ihren Leserbrief per Mail an: leserbriefe@zm-online.de oder per Post an: Redaktion Zahnärztliche Mitteilungen, Chausseestr. 13, 10115 Berlin. Anonyme Leserbriefe werden nicht veröffentlicht. Leserforum Foto: stock.adobel.com 08 | LESERFORUM

zm112, Nr. 18, 16.9.2022, (1700) PROTESTAKTION IN BERLIN ZFA und MFA demonstrieren erneut Schulter an Schulter haben ZFA und MFA am 7. September in Berlin Tarifverbindlichkeit und einen Mindestlohn gefordert. Eine riesige Berufsgruppe fühlt sich komplett von der Politik ignoriert. Unterstützung bekam sie von der Zahnärzteschaft und der Ärzteschaft. Der Verband medizinischer Fachberufe (VmF), der zu der Protestaktion vorm Brandenburger Tor in Berlin aufgerufen hatte, befürchtet, dass das geplante GKVFinanzstabilisierungsgesetz (GKVFinStG) die Versorgungsleistungen für Patientinnen und Patienten und somit die Arbeit des Personals in niedergelassenen Zahnarzt- und Arztpraxen weiter einschränkt. „Wir sind anscheinend sehr leidensfähig, fast schmerzfrei, könnte man sagen“, erklärte Sylvia Gabel als ZFA-Vertreterin des VmF. Da immer noch viele ZFA nicht einmal 12 Euro brutto bekämen, „sind wir arm – und das auch später!“ Im Alter drohe damit das Aufstocken durch die Grundsicherung vom Amt. „So bekommt man den Fachkräftemangel nicht in den Griff!“, warnte Gabel. Unterstützung bekamen die Medizischen und Zahnmedizinischen Fachangestellten von zahnärztlichen und ärztlichen Standesorganisationen und Verbänden. Dr. Jörg Meyer, Vorsitzender des Vorstands der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Berlin, der in Vertretung des Vorstandsvorsitzenden der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Wolfgang Eßer, an der Protestaktion teilnahm, erklärte: „Unsere hochqualifizierten ZFA sind das Rückgrat des Praxisbetriebs. Ihre Arbeit ist essenziell für die Gewährleistung der Versorgung, die trotz aller Belastungen während der Pandemie sichergestellt war. Als Dank dafür wurden jedoch Hunderttausende ZFA und MFA beim staatlichen Pflegebonus völlig ignoriert und hinter die Pflegeberufe ins zweite Glied gerückt. Nun folgt mit dem GKV-FinStG der nächste Dämpfer.“ STATT EINES BONUS KOMMT DAS GKV-FINANZGESETZ Sein Kollege Dr. Karsten Heegewaldt, Präsident der Zahnärztekammer Berlin, lobte bei der Veranstaltung den Schulterschluss von ZFA und MFA zusammen mit den Verbänden und der Standespolitik und adressierte seinen Dank noch einmal explizit an die ZFA: Diese hätten in der CoronaPandemie ihren Dienst am Patienten geleistet, noch bevor es ausreichend Schutzkleidung wie Masken gab „und noch bevor man wusste, wie sich das Virus überträgt. Das muss endlich honoriert werden! Ohne sie wären wir in den Praxen gar nichts!“, stellte er klar. Harald Schrader, Bundesvorsitzender des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ), sieht die PARBehandlungen durch das GKV-FinStG in Gefahr. Selbst bereits laufende Behandlungen müssten aufgrund der geplanten Budgetierung im nächsten Jahr wahrscheinlich abgebrochen werden. Dabei sei die Behandlung auf bis zu drei Jahre angelegt. „Von 40 Millionen betroffenen Deutschen, leiden 15 Millionen unter einer schweren Parodontitis“, erinnerte er. Dr. Juliane von Hoyningen-Huene, Vizepräsidentin von Dentista, beschrieb die Dramatik so: Früher sei die Frage gewesen, ob man genügend Patienten findet, heute dagegen, ob man genug Personal hat. „Es gibt viel zu wenige Fachkräfte und mit dem ausbleibenden Bonus, der Budgetierung und dem neuen GKV-Finanzstabilisierungsgesetz wird das in Zukunft nicht besser“, warnte sie. LL Dr. Jörg Meyer (KZV Berlin, links) und Dr. Karsten Heegewaldt (Zahnärztekammer Berlin) übten den Schulterschluss mit den ZFA und warnten vor den Auswirkungen des GKV-FinStG. Foto: zm-sr 10 | POLITIK

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zm112, Nr. 18, 16.9.2022, (1702) FORSCHUNGS- UND PUBLIKATIONSETHIK IN DER ZAHNMEDIZIN „Publish or perish“ – zwischen Promotion und Plagiat Matthis Krischel, Julia Nebe Jeder zweite Zahnarzt in Deutschland schließt sein Studium mit einer Promotion ab und kommt mit Fragen der Forschung und Forschungsethik in Berührung. Was sind die korrekten ethischen Richtlinien für Forschung am Menschen? Wie zeichnet sich gute wissenschaftliche Praxis aus? Wo beginnen Fehlverhalten und Plagiarismus? Und welche Wertigkeit haben eigentlich deutsche Publikationen? Eine Standortbestimmung. Vor einigen Jahren gingen Plagiatsvorwürfe gegen prominente Politiker durch die Presse: Dem Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wurde 2011, der Bundesbildungsministerin Annette Schavan 2013 vorgeworfen, in ihren Doktorarbeiten fremde Textpassagen ohne Nennung der Quelle verwendet zu haben. Nach eingehenden Untersuchungen entzogen die Universität Bayreuth beziehungsweise die HeinrichHeine-Universität Düsseldorf den Spitzenpolitikern die Doktorgrade. Beide traten in der Folge zurück. Den Affären folgte eine breite Diskussion über den Status der guten wissenschaftlichen Praxis (GWP) in Deutschland, an vielen Universitäten wurden strukturierte Promotionsprogramme aufgelegt, die obligat auch Kurse in GWP einschließen. Im vergangenen Jahrzehnt scheint das Interesse der Öffentlichkeit etwas abgeflaut zu sein: Zwar trat Franziska Giffey 2021 nach dem Entzug ihres Doktortitels durch die FU Berlin (wiederum lautete der Vorwurf Plagiat) vom Amt der Bundesbildungsministerin zurück, noch im gleichen Jahr trat sie jedoch als Spitzenkandidatin im Berliner Landtagswahlkampf an und wurde zur Regierenden Bürgermeisterin gewählt. Trotz einer scheinbar des Themas müden Öffentlichkeit bleiben Fragen der Forschungsethik für die Wissenschaft, auch für die Zahnmedizin, von großer Bedeutung. Im Jahr 2017 promovierte mit 47,7 Prozent etwa jeder zweite Zahnarzt [Hachmeister, 2019, 8]. Zu den Aufgaben der universitären Zahnmedizin gehört die Forschung am und mit Menschen. Und sowohl Doktorarbeiten als auch Forschungsergebnisse werden veröffentlicht. Grund genug, einen Blick auf Fragen der Forschungs- und Publikationsethik zu werfen. EIN MEDIZINSKANDAL ENTFACHT DIE DEBATTE Eine breite Debatte über die Regeln, die bei der Forschung am Menschen eingehalten werden sollen, wurde Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland durch einen Medizinskandal ausgelöst: Der Breslauer Dermatologe Albert Neisser (1855–1916) hatte beim Versuch, eine Impfung gegen die Syphilis zu entwickeln, neun jungen, auch minderjährigen Frauen Serum injiziert, das er aus dem Blut syphilitischer Personen gewonnen hatte. Einige VersuchsFoto:mnirat – adobe.stock.com 12 | GESELLSCHAFT

personen erkrankten in der Folge an Syphilis. Eine Aufklärung der Patientinnen im Vorfeld hatte nicht stattgefunden [Krischel, 2021, 369; Maio, 2018, 371]. Aufgrund der fehlenden Einwilligungen wurde Neisser vom Königlichen Disziplinarhof für Nicht-richterliche Beamte zu einer Geldstrafe verurteilt [Wagner, 2009, 45]. Flankiert war der Fall durch ein breites öffentliches und mediales Echo, in dem auch Stimmen von genereller Medizinkritik und Antisemitismus mitschwangen. Die Ärztin und Medizinethikerin Barbara Elkeles bemerkte dazu: „Im Fall Neisser waren sich die Standesgenossen [...] einig. Fast sämtliche ärztlichen Stimmen betonten, dass der Fall von der Presse und im Parlament stark aufgebauscht worden sei. Angesichts der eindeutig gegen die Schulmedizin gerichteten Technikkritik sahen die Ärzte darin einen ungerechtfertigten und nicht sachkundigen Eingriff von Laien in innerärztliche Angelegenheiten. [...] Im Jahre 1914 wurde Neisser von der Rockefeller Foundation gebeten, über die Hintergründe der öffentlichen Reaktionen auf seine Serumversuche zu berichten. In seinem [...] Antwortschreiben wies er auf die Unschädlichkeit der Versuche und seine lauteren und wissenschaftlichen Beweggründe hin. Das Fehlen der Einwilligung als Grund für die Disziplinarstrafe erwähnte er nur beiläufig“ [Elkeles 1996a, 196]. IN DER FOLGE ENTSTEHEN ETHISCHEN STANDARDS Das preußische Kultusministerium nahm diesen Fall zum Anlass, um eine „Anweisung an die Vorsteher an Kliniken, Polikliniken und sonstigen Krankenanstalten“ [Schmiedebach, 1999, 51] herauszugeben. Ab diesem Zeitpunkt war die Durchführung von Heil- und Immunisierungsversuchen an Menschen nur noch erlaubt, wenn es sich dabei „1)[nicht] um minderjährige oder aus anderen Gründen nicht vollkommen geschäftsfähige Personen handele, wenn 2) die Person nicht ihre Zustimmung in unzweideutiger Weise erklärt habe und wenn 3) dieser Erklärung nicht eine sachgemäße Belehrung über möglicherweise nachteilige Folgen vorausgegangen sei“ [Elkeles, 1996, 209]. DR. MATTHIS KRISCHEL Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin Centre for Health and Society, Medizinische Fakultät Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf matthis.krischel@hhu.de Foto: privat zm112, Nr. 18, 16.9.2022, (1703) ZAHNERSATZ MIT QUALITÄTSVERSPRECHEN Sicherheit wird hier zum Wohlgefühl! QSDental geprüft AusVerantwortungfür Qualität &Sicherheit ® Wie Sie wissen, gibt es nichts Schöneres als glückliche Patienten. Für diese Aufgabe stehen Ihnen dieQS-Dental geprüften zahntechnischen Meisterlabore als fachlich versierter und lokaler Partner für Ihre Praxis immer kompetent zur Seite. Gerade in diesen Zeiten schenken Sie sich und Ihren Patienten noch mehr Sicherheit und Qualität! Geprüfte Meisterlabore arbeiten mit einem speziell auf die Branche abgestimmtenQualitätssicherungskonzept, das die Qualität steigert und mehr Sicherheit bietet. Sie können sich hier stets bester Ergebnisse sicher sein – zumWohle aller Ihrer Patienten. Noch ohne QS-Labor? Gehen Sie auf Nummer sicher. Sie wollen ein QS -Labor in Ihrer Nähe kennenlernen? Prima. Dann informieren Sie sich unter: WWW.QS-DENTAL.DE Besuchen Sie uns auf der IDS! Köln• 14. bis 18. März 2023 GESELLSCHAFT | 13

zm112, Nr. 18, 16.9.2022, (1704) Die genannten forschungsethischen Standards wurden 1931 noch durch die „Richtlinien für neuartige Heilbehandlungen und für die Vornahme wissenschaftlicher Versuche am Menschen“ ergänzt, die unter anderem eine Ausnutzung sozialer Notlagen ausschloss, um die Einwilligung von Versuchspersonen zu erreichen. Die in vielen Fällen tödlichen Humanexperimente in den rechtsfreien Räumen der nationalsozialistischen Konzentrationslager verhinderten die im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts erarbeiteten ethischen Normen jedoch nicht. Diese Versuche waren einer der Hauptanklagepunkte im 1946 bis 1947 geführten Nürnberger Ärzteprozess [Krischel, 2021; Roelke, 2017]. Mit den Urteilen dieses Prozesses wurden mit den „Nürnberger Prinzipien“ zehn Punkte konsentiert, die die Versuchssubjekte zukünftig besser schützen sollten. Gefordert wurden unter anderem „die freiwillige Teilnahme der Versuchspersonen und die vollständige Aufklärung über den Versuchsablauf [...], das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit der Risiken [...] sowie die die Möglichkeit für die Versuchsperson, den Versuch jederzeit zu beenden“ [Groß, 2014a, 50]. Der Kodex diente in der Folgezeit als eine wichtige Quelle für die im Jahr 1964 vom Weltärztebund auf den Weg gebrachte Deklaration von Helsinki. Die dort formulierten ethischen Grundsätze fungieren nach regelmäßigen Überarbeitungen bis heute als Referenzpunkt in forschungs- und bioethischen Fragen [Groß, 2014a; Krischel, 2021]. DAS NEGATIVBEISPIEL: DIE VIPEHOLM-STUDIE Auch in der Zahnmedizin gibt es ein wichtiges Beispiel für ethisch verwerfliche Forschung am Menschen. Dass die Vipeholm-Studie in den Jahren 1945 bis 1955 durchgeführt wurde, zeigt noch einmal, dass die alleinige Existenz von forschungsethischen Kodizes nicht ausreicht; sie müssen diskutiert und zur Aneignung von Haltungen eingesetzt werden. Was war passiert? 1945 gab die schwedische Regierung eine Studie über die Rolle von Ernährung (und Süßigkeiten) bei Zahnkaries in Auftrag. Finanziert wurde das Projekt mit einer halben Million Schwedischer Kronen (125.000 US-Dollar). Ein Teil des Geldes stammte aus öffentlichen Mitteln, ein anderer Teil wurde aus einer Forschungsstiftung der Schwedischen Zuckerindustrie sowie von SchokoladenAutoren Redaktion Reviewer Vorläufiges Review (Umfang, Sprache, Abstract) Redaktionelle Bearbeitung (z.B. Layout) Redaktionelle Entscheidung Peer Review („double blind“) 2. Runde Review Veröffentlichung Wiedereinreichung der überarbeiteten Fassung Veröffentlichungsgebühr (online Publikationen) Finale Überprüfung Einreichen eines Papers („online submission“) überarbeiten Ablehnung Ablehnung Annahme Schaubild zum Publikationsprozess (eigene Darstellung der Autoren nach abjournals, 2022) Quelle: Krischel, Nebe 14 | GESELLSCHAFT

und Süßwarenherstellern gestellt; heute ein klarer Interessenkonflikt [Krasse, 2001]. Durchgeführt wurde die Studie an den Patienten des Vipeholm-Krankenhauses, einer Institution für Menschen mit geistigen Entwicklungsstörungen im schwedischen Lund. Diese Institution bot „ideale Studienbedingungen“ an den Angehörigen einer vulnerablen Gruppe, wie der schwedische Journalist Thomas Kanger in einem CNNInterview zusammenfasste: „These ,idiots‘, which was a medical classification at the time, were gathered from smaller wards all over the country. [...] In the beginning they had 650 people and it grew up to over a thousand“ [LaMotte, 2019]. AUS EINER VITAMINSTUDIE WIRD EINE ZUCKERSTUDIE Ursprünglich als Vitaminstudie begonnen wurde das Forschungsvorhaben nach zwei Jahren ohne Wissen der Regierung in eine Zuckerstudie umgewandelt, noch einmal zwei Jahre später untersuchte man allgemeiner den Einfluss von kohlenhydratreicher Ernährung auf die Zahngesundheit. Die Versuchspersonen aßen dabei große Mengen an Süßigkeiten (Schokolade/Karamell/Toffees) und anderen zucker- und kohlenhydratreichen Speisen [Krasse, 2001]. Die Versuche führten zu vielen Fällen von Karies, die Gebisse zahlreicher Studienteilnehmer wurden zerstört. Bereits 1954 wurden erste Studienergebnisse unter dem Titel „The Effect of Different Levels of Carbohydrate Intake on Caries Activity in 436 Individuals Observed for Five Years“ veröffentlicht. Eine kritische Betrachtung dieser Studie sollte jedoch Jahrzehnte auf sich warten lassen [Petersson, 1993; Innovations Report, 2006]. WELCHE REGELN GELTEN ALS „GUTE WISSENSCHAFTLICHE PRAXIS“? Die Diskussion über erstrebenswerte Normen geht aber über die Forschung am Menschen hinaus. Dabei bilden formalisierte Regeln wie die „Gute wissenschaftliche Praxis“ und das Vermeiden von wissenschaftlichem Fehlverhalten wichtige Leitplanken. Auch grundsätzliche Fragen, wie Wissenschaft organisiert werden kann, stellen Wissenschaftstheoretiker und -soziologen schon seit geraumer Zeit. Einen solchen „Normen-Kodex der Wissenschaftler“ [Lenk/Maring, 2017, 720] formulierte etwa der US-amerikanische Soziologe Robert K. Merton (1910–2003) bereits 1942. Diese Merton’schen Normen, die auch unter dem Akronym „CUDOS“ firmieren, ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. zm112, Nr. 18, 16.9.2022, (1705) 'J?9B4". 2C#><0K4". -4<:I0?4". H4<>JK+ =K0I *4I9B4 6:4<@)9B4% F&&4< "C< E 89B<J>>4% 1&0!0 2$ -'%# ) .("' .,+ /20* ;"J,4<?0I A3"/ FF 7 =?>494& FF 5IC? ()I>% G0"! 4J"#09B% <"J-5>B1I C4"0 HH 8 @BA5:5& HH 6IEB D0? HC"/0&4"> /4">0I4< 14?>0C<0>J3"4" 7; 0J>5'A5 405> J"0J>5'A5 25BA1E>1AJ4"5"/ 5J"B 05> J""4-1AJ-5" (4"4&5>5 D1#A5A J&&5>/ 5K1I +1B 9J5 ;5#5BAJK5" +4II5"% $=; FJ5 J051I5 @>K*"!E"K !E> C5#5BAJKE"K J"0J>5'A5> 25BA1E>1AJ4"5" 1II5> 3>A, ()I>% F&&4<% H4?>% G )5J" $J:DAD*>A5" = )5J"5 @J"+J>'!5JA ? .4II5 -JBE5II5 )4"A>4II5 $=; (5D> E"A5> ! GESELLSCHAFT | 15

zm112, Nr. 18, 16.9.2022, (1706) fokussieren dabei die folgende vier Prinzipien [Merton 1973]: \ „1. Communism (Gemeinschaftsorientierung oder Kommunitarismus): Die wissenschaftlichen Erträge sind das Ergebnis kooperativer Bemühungen. Ergo sollte jedes Mitglied der Scientific Community Zugang zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und das Recht auf Teilhabe erhalten. \ 2. Universalism (Universalismus): Die Bewertung wissenschaftlicher Forschung und der damit verbundenen Geltungsansprüche und Zuschreibungen muss unabhängig von der betreffenden Person, ihrem Sozialprofil und ihrem gesellschaftlichen Status erfolgen – nach objektiven Gesichtspunkten und auf der Basis sachlicher Argumente. \ 3. Disinterestedness (Uneigennützigkeit): Triebfeder der Wissenschaft sollten wissenschaftliche Neugier, der Wunsch nach Erkenntnisgewinn und das Interesse am Wohlergehen der Menschheit sein – nicht etwa Eigennutz, persönliche Präferenzen und subjektive Meinungen. \ 4. Organized scepticism (Systematischer Zweifel): Wissenschaftliche Überzeugungen sollten jederzeit überprüft und ggf. revidiert werden können, da sie falsch oder fehlerhaft sein können. Erst nach sorgfältiger Prüfung und Kenntnis aller Fakten kann ein abschließendes Urteil gefällt werden“ [Groß, 2018, 23]. Doch nicht nur die – vielleicht hehren – Ziele der Merton’schen Normen, auch die „bodenständigen“ Regeln der GWP, wie sie in Deutschland etwa von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) formuliert und durchgesetzt werden, sind im Alltag für manche Forscher eine zu hohe Hürde. Aber was verbirgt sich hinter den Begriffen von wissenschaftlichem Fehlverhalten (scientific misconduct), Fraud (Fehler) und Plagiat? Und worauf sollte der Doktorand oder die Doktorandin bei der Erstellung und Publikation der eigenen Promotion dringend achten? FEHLVERHALTEN, FEHLER ODER PLAGIAT? Erstmals 1998 veröffentlichte die DFG ihre Empfehlungen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis. In ihrer aktuellen Auflage definiert die DFG GWP als (Selbst-) Verpflichtung „lege artis zu arbeiten, strikte Ehrlichkeit im Hinblick auf die eigenen und die Beiträge Dritter zu wahren, alle Ergebnisse konsequent selbst anzuzweifeln sowie einen kritischen Diskurs in der wissenschaftlichen Gemeinschaft zuzulassen und zu fördern“ [DFG, 2019, 9]. Die genannten Prinzipien spiegeln dabei die „grundlegenden Werte und Normen wissenschaftlichen Arbeitens“ [DFG, 2019, 9] wider. Die Verletzung stellt einen Verstoß gegen die geltenden Wissenschaftsnormen und damit gegen den Grundsatz der wissenschaftlichen Redlichkeit dar [Groß, 2014b, 46]. Lege artis zu arbeiten bedeutet also unter anderem, „wissenschaftliches Fehlverhalten“ zu vermeiden. Davon ist zu sprechen, wenn „vorsätzlich oder grob fahrlässig“ eine Normverletzung vorliegt [DFG, 2019, 2]. Hierzu gehören neben Falschangaben, wie etwa das Erfinden, (Ver-) Fälschen und/oder Unterdrücken von Daten oder Forschungsergebnissen vor allem ein „unberechtigtes Zu-eigen-machen fremder wissenschaftlicher Leistungen“ [DFG, 2019, 3], also das Plagiat. Ebenfalls als Fehlverhalten zählt das Annehmen von „Ehrenautorschaften“; das heißt, als (Ko-)AutorIn einer Publikation zu fungieren, obwohl „kein genuiner, nachvollziehbarer Beitrag zum wissenschaftlichen Inhalt der Publikation geleistet wurde“ [DFG, 2019, 3]. Rat in Zweifels- oder Konfliktfällen zum Thema gute wissenschaftliche Praxis beziehungsweise wissenschaftliche Integrität geben Betroffenen die sogenannten „Ombudspersonen“. Diese an Forschungs-und Hochschuleinrichtungen eingesetzten Vertrauenspersonen (mit wissenschaftlichem Hintergrund, zum Beispiel entpflichtete Professoren) beraten in Deutschland Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei Fragen zum oben genannten Themenfeld [DFG, 2019, 14, 17]. So implementierte die DFG bereits Ende der 1990er-Jahre ein solches Beratungsgremium den „Ombudsman für die Wissenschaft“ [Ombudsman für die Wissenschaft, 2022]. Als weitere vertrauliche Beratungsinstitution fungieren auch die an vielen Hochschulstandorten etablierten „Kommissionen zur Aufklärung wissenschaftlichen Fehlverhaltens“. Sie widmen sich ebenfalls der Prüfung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens und Fragen guter wissenschaftlicher Praxis [DFG, 2018; Groß, 2014b, 50; HHU, 2020, 25f.]. WIE HÄLTST DU ES MIT DER TRANSPARENZ? Dabei sind fehlendes Problembewusstsein sowie der Druck, der zu wissenschaftlichem Fehlverhalten führen kann, im deutschen Wissenschaftssystem oftmals hausgemacht. Erst mit der Einführung des Curriculums Ethik und Geschichte der Zahnmedizin darf erwartet werden, dass Forschungs- und Publikationsethik unterrichtet werden. Während an vielen Fakultäten strukturierte Promotionsprogramme eine Ausbildung in GWP vorsehen, kann das Niveau von Standort zu Standort stark variieren. JULIA NEBE, M.A. Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin Centre for Health and Society, Medizinische Fakultät, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf julia.nebe@hhu.de Foto: pirvat 16 | GESELLSCHAFT

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zm112, Nr. 18, 16.9.2022, (1708) Zudem wird eine Vielzahl von (zahn-)medizinischen Qualifikationsarbeiten kumulativ, also auf der Basis einer oder mehrerer Zeitschriftenartikel, verfasst. Die darin verwendeten Forschungsergebnisse wurden vielfach im Team erarbeitet. Welcher Doktorand jedoch welche Daten auswertet, bleibt oft unklar. Das Ergebnis: fehlende Trennschärfe und mangelnde Transparenz bei der Datenauswertung [Barthélémy, 2015]. Hinzu kommt, dass im Wissenschaftsbetrieb die Redewendung „publish or perish“ („veröffentliche oder gehe unter“) zunehmend an Relevanz gewonnen hat. So steigt der informelle Druck für Doktoranden und Wissenschaftler, in einer immer kürzen Zeit eine immer größere Anzahl an Publikationen in anerkannten Fachzeitschriften zu platzieren. Die thematische Passgenauigkeit einer Zeitschrift wird dabei manchmal dem Impact Factor untergeordnet. Das Renommee eines Wissenschaftlers wird gelegentlich an seinem H-Index gemessen [Elsing, 2011]. Der H-Index (oder Hirsch-Index) gibt Auskunft darüber, wie viele Veröffentlichungen eines Autors wie häufig zitiert worden sind. Bei einem H-Index von 5 sind mindestens fünf Publikationen mindestens fünf Mal zitiert worden. Dabei ist irrelevant ob eine Publikation 100 Mal, und 100 weitere Publikationen höchstens vier Mal zitiert wurden. Das Aufteilen von Daten auf mehrere Veröffentlichungen (Salamitaktik) sowie die Selbstzitation können den H-Index steigern. UND WIE OFT BIST DU SO ZITIERT WORDEN? Der Impact Factor misst die Anzahl der Zitationen von Beiträgen einer Zeitschrift in den vergangenen zwei Jahren geteilt durch die Anzahl der veröffentlichten Beiträge. Erscheinen in einem Journal etwa in 24 Monaten 50 Beiträge und die Zeitschrift wird 25 Mal zitiert so erhält sie einen Impact Factor von 0,5. Aufgrund unterschiedlicher Zitiergewohnheiten unterscheiden sich die Impact-Faktoren von Zeitschriften aus unterschiedlichen Wissenschaftszweigen allerdings teils drastisch. In den Geisteswissenschaften, wo Buchkapitel und Bücher bis heute eine wichtige Rolle spielen, wird er bis heute nicht angewendet. Ebenfalls kritisch zu bewerten ist, dass der Rang einer Zeitschrift gemäß dem Impact Factor durch das privatwirtschaftliche Unternehmen Clarivate Analytics (früher Thomson Reuters) festgelegt wird. Die kostenpflichtige firmeneigene Datenbank Journal Citation Reports informiert über den jeweiligen „Wert“ der Zeitschriften [Universität Regensburg, 2019]. Foto:saad – adobe.stock.com Kollateralschaden Karies: Die Vipeholm-Studie aus den Jahren 1945 bis 1955 gilt heute als ein Beispiel für ethisch verwerfliche Forschung am Menschen in der Zahnmedizin. Versuche, bei denen die TeilnehmerInnen große Mengen an Süßigkeiten zu sich nehmen mussten, führten zu vielen Fällen von Karies, zahlreiche Gebisse wurden zerstört. 18 | GESELLSCHAFT

Wer biomedizinische Literatur sucht, wird schnell an PubMed verwiesen. Dabei handelt es sich um eine englischsprachige Suchmaschine, die vor allem die bibliografische Datenbank Medline durchsucht, in der wiederum mehr als 5.200 Zeitschriften mit ihren Inhalten gesammelt werden [Medline, 2020]. PubMed wurde 1996 von der US-amerikanischen National Library of Medicine entwickelt und wird bis heute dort betreut [National Library of Medicine, 2022]. Die Wurzeln der Datenbank reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück, als in den USA mit dem Index Medicus [Greenberg/ Gallagher, 2009] eine umfänglich Bibliografie der medizinischen Literatur begonnen wurde. Die PubMedDatenbank enthält über 34 Millionen Verweise zu biomedizinischer und biowissenschaftlicher Literatur und stellt damit eine der wichtigen Recherchemöglichkeiten für Studierende, (Zahn-)Mediziner und Wissenschaftler in den Lebenswissenschaften dar [Greenberg/Gallagher, 2009]. Andere wichtige Datenbanken sind das Web of Science des kommerziellen Anbieters Clarivate und Scopus des Wissenschaftsverlags Elsevier. Deutschsprachiger Literatur ist jedoch in vielen Datenbanken unterrepräsentiert. Dies trifft besonders stark für PubMed zu. So sind in der Regel deutsche Zeitschriften mit einem Fokus auf Standespolitik wie die Zahnärztlichen Mitteilungen oder das Deutsche Ärzteblatt nicht gelistet, auch die wissenschaftlich orientierte Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift ist in PubMed nicht vertreten. Allgemein ist eine Schwerpunktsetzung hin zu englischsprachigen Zeitschriften klar zu erkennen, was wiederum dazu führt, dass Deutsch als Wissenschaftssprache zumindest in der (Zahn-)Medizin und den Lebenswissenschaften zunehmend unter Druck gerät. WIE INTEGER MUSS WISSENSCHAFT SEIN? Probandenschutz, das Vermeiden von wissenschaftlichem Fehlverhalten und der bewusste Umgang mit Publikationsorganen stellen wichtige Aspekte der zahnmedizinischen Forschung dar. Immer noch schließt jeder zweite Zahnarzt in Deutschland eine Promotion ab und kommt so mit Fragen der Forschung und Forschungsethik in Kontakt. Im Bereich der Forschung am Menschen sind mittlerweile gesetzliche Regelungen etabliert, die Konsultation von Forschungsethikkommissionen ist für Zahnärzte gemäß ihrer Berufsordnung obligat [BZÄK, 2019]. In vielen anderen Bereichen der Forschung sind die Grundsätze der GWP als Normen der Wissenschaft etabliert. Dabei wird die „sozial normierte und kontrollierte Umsetzung [von Erwartungen] in eine Handlungspraxis“ [Lenk/Maring, 2017, 722] angestrebt, das heißt, die Gesellschaft gibt der Wissenschaft gewisse Freiheiten zur Selbstregulation, erwartet jedoch im Gegenzug, dass diese Selbstregulation funktioniert. Besonders wichtig ist dies in Zeiten zunehmender Wissenschaftsskepsis, denn ist erst einmal „die [intellektuelle] Wahrheit bedroht“ [Groß, 2018], so bedeutet dies „zugleich eine Infragestellung der Wissenschaft als System“ [Groß, 2014b, 50]. \ zm112, Nr. 18, 16.9.2022, (1709) DYNEXIDIN® FORTE. Zus.: 100 g enthalten: Wirkstoff: Chlorhexidinbis (D-gluconat) 0,2 g; weitere Bestandt.: Glycerol, Macrogolglycerolhydroxystearat (Ph. Eur.), Minzöl, Pfefferminzöl, gereinigtes Wasser. Enthält Macrogolglycerolhydroxystearat und Menthol. Anw.: vorübergehend zur Verminderung von Bakterien in der Mundhöhle, als unterstützende Behandlung zur mechanischen Reinigung bei bakteriell bedingten Entzündungen des Zahnfleisches und der Mundschleimhaut sowie nach chirurgischen Eingriffen am Zahnhalteapparat. Bei eingeschränkter Mundhygienefähigkeit. Gegenanz.: Nicht anwenden bei Überempfindlichkeit gegen Chlorhexidin oder einen der sonstigen Bestandteile, bei schlecht durchblutetem Gewebe in der Mundhöhle, am Trommelfell, am Auge und in der Augenumgebung, bei offenen Wunden und Geschwüren in der Mundhöhle (Ulzerationen), bei Säuglingen und Kleinkindern unter 2 Jahren (aufgrund altersbedingter mangelnder Kontrollfähigkeit des Schluckreflexes und Gefahr eines Kehlkopfkrampfes). Nebenw.: selten: kurzzeitige Beeinträchtigung des Geschmacksempfindens, vorübergehendes Taubheitsgefühl der Zunge und vorübergehende Verfärbungen von Zunge sowie Zähnen und Restaurationen. Nicht bekannte Häufigkeit: Überempfindlichkeitsreaktionen gegen Bestandteile des Arzneimittels; vorübergehend oberflächliche, nicht blutende Abschilferungen der Mundschleimhaut, anaphylaktische Reaktionen (bis zum anaphylaktischen Schock). Ständiger Gebrauch ohne mechanische Reinigung kann Blutungen des Zahnfleisches fördern. Stand: März 2021. Chemische Fabrik Kreussler & Co. GmbH, D-65203 Wiesbaden. www.kreussler-pharma.de Ihr persönlicher Kontakt: 0611– 9271 901 oder info@kreussler.com DYNEXIDIN® FORTE 0,2% In jeder Größe die richtige CHX-Wahl! 1 L und 5 L Großflasche für die Behandlung in der Praxis 300ml Flasche für die PatientenNachsorge zu Hause GESELLSCHAFT | 19

zm112, Nr. 18, 16.9.2022, (1710) Immer mehr E-Rezepte machen die Runde. In der Ende August abgeschlossenen vorbereitenden Testphase wurden schon zahlreiche E-Rezepte ausgestellt. Die Anzahl der dispensierten E-Rezepte lag am 31. August bei rund 190.000. Um das E-Rezept flächendeckend in die Versorgung zu bringen, ist nun die stufenweise RolloutPhase gestartet. Startregionen sind Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe, ab November sollen sechs weitere Bundesländer hinzukommen, bevor im Jahr 2023 die ausstehenden acht Bundesländer folgen. Für die Zahnarztpraxen in Westfalen-Lippe ist die Pionierarbeit eine besondere Herausforderung. Gemeinsam mit den Arztpraxen sollen sie dafür sorgen, dass mindestens 25 Prozent aller Verordnungen als E-Rezepte ausgestellt werden. Damit das gelingt, bietet die KZV Westfalen-Lippe ihren Mitgliedern einen umfangreichen Service. „Beim E-Rezept müssen Technik und Arbeitsabläufe in der Praxis gut aufeinander abgestimmt werden. Hierbei unterstützen wir die Praxen aktiv“, erklärt Michael Evelt, stellvertretender Vorsitzender der KZV Westfalen-Lippe, die Aufgabe der Kassenzahnärztlichen Vereinigung. „Wir haben eigens eine E-Rezept-Hotline eingerichtet, um unseren Mitgliedern einen besonderen Support bieten zu können.“ Zudem habe man Kontakt mit den Softwareanbieten und dem Apothekerverband aufgenommen. Seitdem stehe man mit allen Beteiligten regelmäßig im Austausch. Ein besonderes Augenmerk richtet die KZV darauf, was den Zahnarztpraxen in der Phase der Umsetzung helfen kann. Hierfür wurde eine Umfrage ins Leben gerufen. „An der ersten Befragung im Juli haben rund 500 Zahnarztpraxen teilgenommen. So konnten wir bereits viele Erkenntnisse gewinnen, was gut, aber auch weniger gut läuft und wo noch Probleme mit dem E-Rezept bestehen“, berichtet TELEMATIKINFRASTRUKTUR Das E-Rezept ist gestartet In Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe ist am 1. September der Rollout des E-Rezepts gestartet. Alle Zahnarztpraxen in den beiden Regionen sind nun angehalten, das E-Rezept auszustellen. Unterstützt werden sie dabei von ihren Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZVen). SO KÖNNEN PRAXEN DAS E-REZEPT NUTZEN Damit in der Praxis ein E-Rezept ausgestellt werden kann, wird ein Update der Praxissoftware benötigt. In diesem Punkt ist der Hersteller der in der Praxis eingesetzten Software der erste Ansprechpartner. Zudem benötigen alle Behandler, die ein E-Rezept ausstellen möchten, ihren persönlichen und einsatzbereiten eZahnarztausweis. Für das bequeme und schnelle Ausstellen von E-Rezepten sollten Zahnarztpraxen den Einsatz der Komfortsignatur prüfen. Damit diese sinnvoll eingesetzt werden kann, sollten mindestens zwei Kartenlesegeräte in der Praxis genutzt werden, damit der elektronische Zahnarztausweis dauerhaft gesteckt bleiben kann und die Komfortsignatur nur einmal täglich freigeschaltet werden muss. Bei Fragen zum E-Rezept oder Problemen bei der Einführung können sich die Zahnarztpraxen an ihre zuständige KZV oder die KZBV (erezept@kzbv.de) wenden. Foto: HNFOTO – adobe.stock.com 20 | POLITIK

Anzeige 1/2 hoch xxx Evelt. Mithilfe der Umfrage, die regelmäßig wiederholt werden soll, möchte die KZV Strategien ableiten, um Informationsdefizite zu beheben, aber auch die Umstellung der Praxis vor Ort so einfach wie möglich zu gestalten. Weitere Angebote an die Praxen sind unter anderem ein Podcast, der grundlegende Fragen zum E-Rezept klärt. Zudem gab es am 3. September einen Thementag zur Digitalisierung, bei dem auch über das E-Rezept informiert wurde. Daneben findet alle zwei Wochen online ein Austausch mit Praxen statt, die bereits Erfahrungen mit dem E-Rezept gesammelt haben. Ebenfalls online tauscht sich die KZV Westfalen-Lippe einmal wöchentlich mit den anderen Organisationen der Startregion und der KZBV aus. „In diesem Rahmen setzen wir uns zum Beispiel auch für zusätzliche digitale Einlösewege des E-Rezepts ein“, erläutert Evelt. „Neben der E-Rezept-App der gematik müssen Patienten zeitnah die Möglichkeit erhalten, ihre E-Rezepte auch durch Vorlage ihrer elektronischen Gesundheitskarte in der Apotheke einlösen zu können. Hier müssen die gematik und das Gesundheitsministerium liefern.“ „EIN MEILENSTEIN FÜR DIE BUNDESWEITE EINFÜHRUNG“ Dr. Karl-Georg Pochhammer, stellvertretender Vorsitzender der KZBV, blickt, nachdem das E-Rezept holprig gestartet ist, nun zuversichtlich auf den Rollout in Westfalen-Lippe: „Die KZBV hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Einführung des E-Rezepts erst nach ausführlichen Tests und schrittweise in die Versorgung kommt. Nun kann es losgehen.“ Der Rollout des E-Rezepts in Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe sei ein wichtiger Meilenstein für die bundesweite Einführung des E-Rezepts. Denn erst wenn das E-Rezept dort erfolgreich läuft, werde der Rollout in zwei weiteren Schritten in den ausstehenden Bundesländern gestartet. „Es freut mich daher sehr, wie engagiert und konstruktiv die Kollegen in Westfalen-Lippe das E-Rezept voranbringen.“ Mit ihrer Arbeit habe die Kassenzahnärztliche Vereinigung wichtige Grundlagen geschaffen, um das E-Rezept in die tägliche Routine der Zahnarztpraxen zu überführen. „Was wir nun brauchen, sind möglichst viele Zahnarztpraxen, die das E-Rezept nutzen. Denn nur so können wir sicher wissen, ob das E-Rezept in jeder Praxissoftware rundläuft.“ Gleichzeitig setze sich die KZBV weiterhin für bessere Rahmenbedingungen ein, wie zum Beispiel die Information der Patienten durch das BMG und die Krankenkassen sowie die Schaffung von zusätzlichen sicheren Einlösewegen, um das E-Rezept in der Apotheke digital einlösen zu können. Die Teilnahme am E-Rezept ist im Übrigen nicht auf die Startregionen begrenzt. Bereits heute können Zahnarztpraxen bundesweit von der Möglichkeit der E-Rezept-Ausstellung Gebrauch machen. Dennis Guhl, Abteilung Statistik der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) zm112, Nr. 18, 16.9.2022, (1711) %1/ (<&=1/$ :+B $+&$& 8$B?;==?+1/$& 7&=OB$1/OAB.&$BM H$B :+1/ !$+ A??$& '$BA>=0#BH$B>&K$& >&.$B=.<.". 4 $+& L>&H>:-=#BK?#=-NAC$. A>= $+&$B 'A&HI F&H HA= !$C#::$ +1/ !$+ E)6 D3INL2I* D7'57LDGJ29G,7L@ $#) "%&('* ! ,*%!* #)")!(+' ,*%! $*&' '$!(+)#*,"-&-*)!)%+) 1$,1(,!&0'%&".-*"+/))"22# POLITIK | 21

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