Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19

ZAHNÄRZTLICHE MITTEILUNGEN I WWW.ZM-ONLINE.DE AUSGABE 19 I 2022 ZAHNERHALTUNG MIT ANPASSUNGSFÄHIGEN LEGIERUNGEN Gold bleibt der Goldstandard MdB Stephan Pilsinger (CSU) im Interview Seine Kritik am geplanten GKV-FinStG: „Lauterbach legt die Axt an bewährte Präventionsmaßnahmen!” SEITE 12 Nachhaltigkeit in der Zahnarztpraxis Eine BZÄK-Broschüre listet die bewährten und neue Tipps auf, was in puncto Ressourceneinsparung möglich ist. SEITE 16 3. Konferenz der zahnärztlichen Hilfsorganisationen Wie ehrenamtliches Engagement in schwierigen Zeiten dennoch gelingen kann. SEITE 66 zm1.10.2022, Nr. 19

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Im Nebel gedreht. Für vor dem 1. Oktober Beschäftigte reicht jetzt die zweifache Impfung, wer danach eingestellt wird, muss den dreifachen Impfschutz nachweisen. Nun bin ich kein Infektiologe, aber es würde mich wundern, wenn sich das Corona-Virus bei seiner Verbreitung für den Beschäftigungsbeginn interessiert. Derartige Kapriolen lassen inzwischen auch den Gutwilligsten kopfschüttelnd zurück. Bange Blicke richten sich auf Herbst und Winter in Sachen Energiepreisentwicklung. Stand das Thema Nachhaltigkeit in der jüngeren Vergangenheit aufgrund der Klimakrise ohnehin auf der Agenda, so hat es durch den Ukraine-Krieg und die Energiekrise noch einmal deutlich an Bedeutung gewonnen. Dass Nachhaltigkeit ein weites Feld ist und natürlich nicht nur das Thema Energie und CO 2 -Ausstoß betrifft, zeigt eine neue Broschüre, die online auf der Website der Bundeszahnärztekammer abrufbar ist. Wir stellen die Broschüre vor und zeigen anhand von Beispielen, was alles möglich ist. Gleichwohl mit dem Hinweis versehen, dass nicht alles für jede Praxis gleichermaßen umsetzbar und sinnvoll ist. Aber gerade die – teilweise auch kontroverse – Diskussion über Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit ist wichtig, damit es vorangeht. Denn nur die wenigsten werden heutzutage noch leugnen, dass unsere Ressourcen begrenzt sind und ein verantwortungsvollerer Umgang dringend notwendig ist. Viel Spaß bei der Lektüre. Sascha Rudat Chefredakteur Während die ersten Herbstnebel aufziehen, beglückt der Gesetzgeber die Beschäftigten im Gesundheitswesen wieder mit neuen beziehungsweise geänderten Gesetzen. Zum laufenden Gesetzgebungsverfahren des viel kritisierten GKV-Finanzstabilisierungsgesetz können Sie in diesem Heft ein Interview mit dem CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger lesen. Stattdessen möchte ich an dieser Stelle den Blick auf das geänderte Infektionsschutzgesetz lenken, das am 1. Oktober in Kraft tritt. Ohne Frage, Praxen und andere Einrichtungen des Gesundheitswesens müssen in Sachen Gesundheitsschutz besonderen Regeln unterliegen. Dieser Schutz gilt den Patienten ebenso wie den Beschäftigten. Die Einschätzungen zum aktuellen Stand und der bevorstehenden Entwicklung der Corona-Pandemie gehen ja durchaus etwas auseinander. Vorsicht muss angebracht sein, aber ein pragmatischer Umgang mit der Pandemie sollte eigentlich auch zur zweieinhalb Jahre andauernden Lernkurve gehören. Das neue Infektionsschutzgesetz lässt einen aber mit einigen mehr als großen Fragezeichen auf der Stirn zurück. So gilt nun eine FFP2-Maskenpflicht in den Praxen, aber nur für Patienten und Besucher, nicht aber für das Personal. Für diese greift dann stattdessen weiterhin die Corona-Arbeitsschutzverordnung, die mit Begriffen wie „patientennahe Tätigkeit“ operiert. Ist das alles klar verständlich, nachvollziehbar und sinnvoll? Nicht wirklich. Die wenigsten Zahnärztinnen und Zahnärzte werden zudem die 80-jährige Patientin, die mit Mund-Nasen-Schutz die Praxis betritt, nach Hause schicken. Vor allem nicht, wenn sie selbst mit MNS in der Praxis herumlaufen. Ein gewisser FFP2-Maskenfetisch ist dem Bundesgesundheitsministerium ohnehin nicht abzusprechen – womit Deutschland ziemlich einzigartig dasteht. Weiteres Beispiel – oder besser Trauerspiel – nebulöser Gesetzgebung ist die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Über Sinn und Unsinn dieser Art der Impfpflicht hat man zur Einführung im Frühjahr lang und breit diskutiert. Schon damals war absehbar, dass die Umsetzung vermutlich mehr Probleme macht als löst. Inzwischen kam es für ungeimpfte Personen zu Betretungsverboten, schon einige Gerichte wurden – wie nicht anders zu erwarten – seitdem beschäftigt. Aber anstatt diese Impfpflicht sang- und klanglos zum Jahresende auslaufen zu lassen (sie gilt ja ohnehin nur bis zum 31. Dezember dieses Jahres), hat man drei Monate vor dem Ende noch eine besondere Pirouette im Infektionsschutzgesetz Foto: Lopata/axentis EDITORIAL | 03

zm112, Nr. 19, 1.10.2022, (1802) MEINUNG 3 Editorial 6 Leitartikel POLITIK 12 Interview mit Stephan Pilsinger zum GKV-FinStG „Lauterbach legt die Axt an bewährte und sinnvolle Präventionsmaßnahmen“ 14 Infektionsschutzgesetz FFP2-Maskenpflicht nur für Patienten 24 GOZ Beratungsforum fasst drei neue Beschlüsse zur Gebührenordnung 42 Infektionsschutzgesetz Einrichtungsbezogene Impfpflicht: Geänderte Regelungen seit 1. Oktober ZAHNMEDIZIN 30 Der besondere Fall mit CME Monostotische fibröse Dysplasie des Gesichtsschädels im Kindesalter TITELSTORY 44 Zahnerhaltung mit anpassungsfähigen Goldlegierungen Warum Gold der Goldstandard bleibt 64 Aus der Wissenschaft Die Totalprothese im Unterkiefer bleibt eine Herausforderung 68 Zahnmedizin interdisziplinär Die implantat- und zahngetragene Versorgung eines Tumorpatienten 72 Nach der Avulsion von Schneidezähnen Autogene Zahntransplantation von Prämolaren 84 Seltene Erkrankungen Zahnmedizinische Manifestationen der Hypophosphatasie MEDIZIN 80 Studie der Universität Köln Die Endokarditis-Inzidenz steigt Inhalt Foto: K. Lassig 72 Autogene Zahntransplantation Wie die Umformung einer Prämolaren- in eine Schneidezahnkrone mit Komposit gelingt. 56 Handynutzung am Arbeitsplatz Was in der Praxis erlaubt sein sollte und was reguliert werden darf. Foto: Farknot Architect – stock.adobe.com Titelfoto: Chris - stock.adobe.com 04 | INHALTSVERZEICHNIS

zm112, Nr. 19, 1.10.2022, (1803) GESELLSCHAFT 10 Goethe-Universität Frankfurt Abgelehnte Zahnis können nun doch studieren 54 Wegen gestiegener Energiepreise Dentalmuseum schaltet bis März 2023 in den „Überlebensmodus” 66 Soziales Engagement der Zahnärzteschaft Ohne ehrenamtliche Arbeit geht es nicht 86 Alkoholatlas Deutschland 2022 Ein Bier genügt PRAXIS 16 Nachhaltigkeit in der Zahnarztpraxis So wird Ihre Praxis nachhaltig 26 Finanzen Erbschaft steuern statt Erbschaftssteuer 56 Smartphonenutzung am Arbeitsplatz „Ich muss da jetzt mal kurz rangehen!“ MARKT 92 Neuheiten RUBRIKEN 8 News 36, 38, 40 Urteile 60 Termine 62 Formular 87 Bekanntmachungen 98 Impressum 114 Zu guter Letzt INHALTSVERZEICHNIS | 05 Foto: Klinik für Herzchirurgie, Uniklinik Köln 80 Infektiöse Endokarditis Welchen Einfluss zahnärztliche Eingriffe und das Zähneputzen haben. TITELSTORY 44 Zahnerhaltung mit anpassungsfähigen Goldlegierungen Warum Gold der Goldstandard bleibt. Foto: Tomas Lang

zm112, Nr. 19, 1.10.2022, (1804) Die Bundeszahnärztekammer hat vor wenigen Tagen eine Broschüre zum Thema Nachhaltigkeit in der Zahnarztpraxis herausgegeben. Nun werden Sie wahrscheinlich erst einmal denken: Bitte nicht noch mehr Papier mit Checklisten, die ich abhaken muss und womöglich neuen bürokratischen Vorschriften! All das werden Sie in der Broschüre vergeblich suchen, denn es handelt sich weder um eine „Pflicht“ für die Praxen noch um ein neues Bürokratiemonster, von denen ja bekanntlich ausreichend viele in unseren Praxen wohnen. Bei der Broschüre handelt es sich ausnahmslos um ein Angebot, eine Art „Bauchladen“ aus dem Sie und Ihr Team sich Dinge nehmen und diese zum Schutz unserer Umwelt umsetzen können. Ob es nun die Solarpanels auf dem Dach, die Innen- und Außenbegrünung der Praxis, die modernen Thermostate an der Heizung oder die Anreise des Praxisteams mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist – immer steht der Gedanke der Schonung unseres Planeten im Vordergrund. Wussten Sie beispielsweise, dass trotz all unserer Einmalprodukte aus Kunststoff der Anfahrtsweg des Praxisteams und der Patienten mit dem Auto immer noch den weitaus größten Anteil des CO 2 -Fußabdrucks unserer Praxen ausmacht? Insofern trägt die Mitarbeiterin, die sich vielleicht mit einem Zuschuss zur Monatskarte (bei gleichzeitig astronomischen Spritpreisen) mit dem öffentlichen Nahverkehr – so er denn in ihrer Region verfügbar ist – anfreundet, deutlich mehr zur Nachhaltigkeit bei, als der fast schon zum Symbol der Nachhaltigkeit erkorene Pappbecher. In vielen Fällen ist es auch gar nicht so leicht, die umweltverträglichste Lösung zu finden. Ist der Ersatz des analogen OPG, das zwar ordentlich Entwickler und Fixierer verbraucht, aber ansonsten treu und ohne Reparaturen läuft, wirklich umweltschädlicher als das neu produzierte digitale Gerät, für dessen Produktion auch erst einmal Beryllium gewonnen werden muss? Auch die schon angesprochene Becherfrage ist gar nicht so leicht zu beantworten, tendenziell hat der Pappbecher aus Recyclingpapier wohl die Nase knapp vorn beim Thema Ressourcenschonung. Und wie wir spätestens von Elon Musk bei seinem Rückzug aus dem Bitcoin gelernt haben, verbraucht auch das Speichern von Informationen auf Servern erstaunlich viel Energie. Eines aber möchte die Broschüre auf keinen Fall: mit erhobenem Zeigefinger moralinsauer die Praxen drangsalieren. Ganz im Gegenteil ist der Impuls zur Erstellung dieser Broschüre von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ausgegangen. Viele Praxisteams nutzen dieses Thema schon heute als gemeinsames Projekt, mit dem sich alle in der Praxis voll identifizieren können. Vielleicht ist es ja ein Argument für eine junge ZFA aus vielen Stellenangeboten gerade Ihre Praxis auszuwählen, um nicht nur in einem guten Praxisteam, sondern auch bei einem so zukunftsfähigen Projekt mitzuarbeiten. Wichtig ist uns aber auch, dass wir selbstverständlich keinerlei Anspruch von Vollständigkeit an die Broschüre haben. Sie soll ein „lebendes System“ sein, dass von Ihrem Feedback, Ihren Ergänzungen und Ihren Korrekturen lebt. Wo manch andere „Greenwashing“ betreiben, möchten wir konkret werden. Schon jetzt möchte ich mich für Ihre Rückmeldungen an die Bundeszahnärztekammer bedanken (praxisfuehrung@bzaek.de). So werden wir immer neue Ideen von Ihnen aufnehmen, die dann weitere Praxen übernehmen können. Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre – die Broschüre ist seit dem 21. September online auf der Website der BZÄK zu finden: Eine Druckversion wird es der Umwelt zuliebe natürlich nicht geben. Alles Wissenswerte zur neuen Broschüre finden Sie zusammen mit weiteren Tipps in diesem Heft. Konstantin von Laffert Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer Den Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit in Zahnarztpraxen finden Sie auf Seite 16. Foto: BZÄK Nachhaltig in der Praxis 06 | LEITARTIKEL

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zm112, Nr. 19, 1.10.2022, (1806) NEWS PROJEKT „DIGIN2PERIO” INTEGRIERTE VERSORGUNG VON DIABETES UND PARODONTITIS Das Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) erhält 5,4 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zur Erprobung einer digital unterstützten Versorgung von Diabetes Typ 2 und Parodontitis. Parodontitis und ein erhöhter Blutzuckerspiegel bei Diabetes können sich gegenseitig verstärken – ein Zusammenhang, der zuletzt immer mehr Beachtung erfährt. Das Projekt „Digital Integrierte Versorgung von Diabetes mellitus Typ-2 und Parodontitis“, kurz „DigIn2Perio”, am UKHD will jetzt die digitale Vernetzung der haus- und zahnärztlichen Versorgung und damit die Versorgungsqualität und Wirtschaftlichkeit in der Regelversorgung der gesetzlichen Krankenkassen verbessern. Das Projekt wird für vier Jahre mit rund 5,4 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds des G-BA gefördert. Durch die anhaltenden Entzündungen bei Parodontitis werden Botenstoffe in den Körper freigesetzt, die sich negativ auf den Blutzucker auswirken und das Risiko für diabetische Komplikationen erhöhen können. Eine schlechte Einstellung des Blutzuckerspiegels wiederum lässt bei Diabetes mellitus das Parodontitis-Risiko ansteigen. Obwohl derartige Wechselwirkungen zwischen den Erkrankungen bekannt sind, werden sie häufig getrennt voneinander behandelt, schreibt die Universität. Anders bei der Heidelberger Studie, in die rund 400 Praxen in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen eingebunden werden: Hausärztinnen und Hausärzte prüfen mithilfe eines validierten Screening-Instruments, ob bei Betroffenen mit Diabetes mellitus Typ 2 der Verdacht auf Parodontitis besteht, während Zahnärztinnen und Zahnärzte ihre Parodontitispatienten auf ein erhöhtes Diabetes-Risiko testen. Die Erfassung wird digital unterstützt und das Ergebnis der Untersuchung in der elektronischen Patientenakte (ePA) aufgenommen, wodurch der Datenaustausch erleichtert wird. IM FOKUS STEHEN KRANKHEITSLAST, LEBENSQUALITÄT UND ÄRZTLICHE VERGÜTUNG „Bei erhöhtem Risiko können eine elektronische Überweisung zur Mitbehandlung an die jeweilige Fachrichtung veranlasst sowie relevante Daten zu Behandlung und Therapie weitergeleitet werden”, erklärt Projektleiter Prof. Dr. Dr. Stefan Listl, Oberarzt in der Poliklinik für Zahnerhaltungskunde und Leiter der Sektion Translationale Gesundheitsökonomie am UKHD. „Für die Patientinnen und Patienten kann dadurch eine zeitnahe Behandlung der jeweiligen Begleiterkrankung eingeleitet werden.” Im Rahmen der Studie wird geprüft, ob sich die neue Versorgungsform zur systematischen Früherkennung beider Erkrankungen eignet und inwieweit sie sich von der derzeitigen Regelversorgung der gesetzlichen Krankenkassen unterscheidet. Dabei werden Faktoren wie die Krankheitslast, Lebensqualität, Inanspruchnahme und die zahn- und hausärztliche Vergütung beurteilt. „Im Erfolgsfall könnte die digital integrierte Versorgung von Diabetes mellitus Typ 2 und Parodontitis in die Regelversorgung überführt werden”, ergänzt der Projektleiter. „Dadurch würde sie zu einer medizinischen Versorgung, die allen gesetzlich Versicherten zusteht.” mg Foto: Symbolfoto Krakenimages.com – stock.adobe.com 08 | NACHRICHTEN

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GOETHE-UNIVERSITÄT FRANKFURT Abgelehnte Zahnis können nun doch studieren Es gibt gute Nachrichten nach der zwischenzeitlichen Rücknahme von Studienplatz-Zusagen an der Goethe-Universität Frankfurt: 31 Zahnmedizin-Bewerber und Bewerberinnen können nun doch am 1. Oktober ins Wintersemester starten – und auch für die 251 HumanmedizinPlätze zeichnet sich eine Lösung ab. Es war ein Wechselbad der Gefühle für 282 angehende Zahnmedizin- und Humanmedizinstudierende: Erst erhielten sie eine Studienplatzzusage der GoetheUniversität, kurz darauf dann aber doch eine Absage, weil die Uni zu viele Plätze verteilt hatte. Jetzt organisierte die Universitätsverwaltung um und macht wieder eine Rolle rückwärts: Alle ursprünglich angenommenen Zahnmedizin-Kandidaten dürfen wie zunächst zugesagt in diesem Wintersemester mit ihrem Studium starten. Die Aufhebung der Rücknahme der Zulassung in der Zahnmedizin sei möglich, weil es an der Goethe-Universität auch im Sommersemester eine Zulassung für den Studiengang Zahnmedizin gibt, heißt es in einer Pressemitteilung, die chaotische Zustände erahnen lässt. „Zur Entwicklung einer belastbaren Studienplatzperspektive waren in den vergangenen Tagen und Wochen intensive Vorarbeiten nötig, zum Beispiel eine umfassende Prüfung aller Möglichkeiten insbesondere in der Studienorganisation und eine tragfähige juristische Abklärung”, schreibt die Universität. WER EINE ANDERE ZUSAGE HAT, GEHT LEER AUS Entscheidend ist: Auf dieser Basis bietet die Goethe-Universität jetzt allen Betroffenen einen Studienplatz in der Zahnmedizin an. Die Bewerberinnen und Bewerber wurden per E-Mail und Brief informiert. Einen Tag später, am 9. September, teilte die Goethe-Universität den 251 Bewerberinnen und Bewerbern der Humanmedizin mit, es werde „ein Verfahren erarbeitet, den Betroffenen ein Studienplatzangebot zu unterbreiten“. Nach einem Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) sollen dabei zwei Gruppen unterschieden werden – Die 31 zusätzlichen Studierenden dürfen sich jetzt doch auf die Phantomköpfe freuen. Für die Zahnmedizin konnte in Frankfurt rasch eine Lösung nach der fehlerhaften Studienplatzvergabe gefunden werden. Foto: Sergey Ryzhov – stock.adobe.com 10 | GESELLSCHAFT

eine „Angebots-“ sowie eine „Chancengruppe“. Zur sogenannten Angebotsgruppe gehören diejenigen, die vor dem Medizinangebot aus Frankfurt bereits ein anderes Zulassungsangebot sicher hatten. Neben Angeboten für Medizin können das auch andere Studienplätze sein. Zunächst sollen der Angebotsgruppe aus den bundesweit derzeit noch unbesetzten Kontingenten der Hochschulen Studienplätze angeboten werden. „Ziel ist, eine verfahrensgerechte Verteilung zu erreichen“, so die Universität. Für die BewerberInnen der sogenannten Chancengruppe, also jene, die zum Zeitpunkt der Annahme des Medizinstudienplatzes in Frankfurt kein anderes Platzangebot im Verfahren der Stiftung für Hochschulzulassung hatten, wurde gemeinsam mit den Ländern, der Stiftung für Hochschulzulassung und den anderen Hochschulen eine gemeinsame Lösung verhandelt. Für sie wird nach Abschluss des koordinierten Nachrückens ab dem 30. September ein sogenanntes „nachgestelltes koordiniertes Nachrückverfahren“ durchgeführt, schreibt die Universität – und schweigt sich darüber aus, was das konkret bedeutet und ob diese BewerberInnen einen Studienplatz bekommen oder nicht. „DIE LÖSUNG FÜR DIE ZAHNMEDIZIN IST EIN MEILENSTEIN“ „Die Lösung für die Zahnmedizin ist ein erster Meilenstein bei der Bewältigung der Krise“, sagte Universitätspräsident Prof. Dr. Enrico Schleiff und gab sich zerknirscht: Ihm sei bewusst, dass die Komplexität des aktuellen Prozesses „kaum vermittelbar ist“ und er hoffe, dass die Betroffenen jetzt „mit dem Licht am Ende des Tunnels [...] auf ihrem Lebensweg weitergehen können“. Das genügt vielen nicht: Medienberichten zufolge haben sich viele der Betroffenen bereits juristischen Beistand geholt, um den Studienplatz zur Not einzuklagen. Auf der Plattform www.change.org hat eine Betroffene eine Online-Petition gestartet (https://bit.ly/petition_goethe), die bis Redaktionsschluss mehr als 54.000 Menschen unterzeichnet haben. Der Fehler der Goethe-Universität sei „ein sehr schwerwiegender Vorgang mit teils weitreichenden Folgen“, kommentierte das hessische Wissenschaftsministerium. Da die Hochschule die Zulassung eigenverantwortlich durchführt, sei sie auch für die Konsequenzen verantwortlich. Man erwarte, so das Wissenschaftsministerium weiter, „dass die Hochschule ihre Prozesse insgesamt überprüft und die Stiftung für Hochschulzulassung Kontrollmechanismen einführt, damit solche Fehler für die Zukunft vermieden werden“, wird das Ministerium zitiert. Ein frommer Wunsch? Wie der Hessische Rundfunk (hr) berichtete, gab es an der Goethe-Universität im Wintersemester 2013/14 schon einmal eine ähnliche Panne. Damals waren laut hr 56 Studienplätze zu viel vergeben worden. Am Ende konnten die Betroffenen „durch größte Anstrengungen vieler Beteiligter“ ihr Studium doch antreten. mg zm112, Nr. 19, 1.10.2022, (1809) 'J?9B4". 2C#><0K4". -4<:I0?4". H4<>JK+ =K0I *4I9B4 6:4<@)9B4% F&&4< "C< E 89B<J>>4% 1&0!0 2$ -'%# ) .("' .,+ /20* ;"J,4<?0I A3"/ FF 7 =?>494& FF 5IC? ()I>% G0"! 4J"#09B% <"J-5>B1I C4"0 HH 8 @BA5:5& HH 6IEB D0? HC"/0&4"> /4">0I4< 14?>0C<0>J3"4" 7; 0J>5'A5 405> J"0J>5'A5 25BA1E>1AJ4"5"/ 5J"B 05> J""4-1AJ-5" (4"4&5>5 D1#A5A J&&5>/ 5K1I +1B 9J5 ;5#5BAJK5" +4II5"% $=; FJ5 J051I5 @>K*"!E"K !E> C5#5BAJKE"K J"0J>5'A5> 25BA1E>1AJ4"5" 1II5> 3>A, ()I>% F&&4<% H4?>% G )5J" $J:DAD*>A5" = )5J"5 @J"+J>'!5JA ? .4II5 -JBE5II5 )4"A>4II5 $=; (5D> E"A5> ! GESELLSCHAFT | 11

zm112, Nr. 19, 1.10.2022, (1810) INTERVIEW MIT STEPHAN PILSINGER ZUM GKV-FINANZSTABILISIERUNGSGESETZ „Lauterbach legt die Axt an bewährte und sinnvolle Präventionsmaßnahmen“ Das geplante GKV-Finanzstabilisierungsgesetz stößt in den Gesundheitsberufen auf erheblichen Widerstand. Die Zahnärzteschaft fürchtet durch die Wiedereinführung von Budgetierung und Deckelung einen erheblichen Schaden für die zahnärztliche Versorgung. Die zm sprachen über den Gesetzentwurf der Ampelkoalition mit Stephan Pilsinger, dem gesundheitspolitischen Sprecher der CSU im Bundestag. Herr Pilsinger, der Entwurf des geplanten GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes wird von allen Beteiligten des GKV-Systems heftig kritisiert. Bei der Zahnärzteschaft stößt der Rückfall in die Zeiten strikter Budgetierung auf Unverständnis, schwere Nachteile für die Patientenversorgung werden befürchtet. Wie schätzen Sie und die CDU/CSU-Bundestagsfraktion den Entwurf ein? Stephan Pilsinger: Dass der Gesetzentwurf von allen maßgeblichen Akteuren des Gesundheitswesens kritisiert wird, ist nicht verwunderlich. Bundesminister Lauterbach und seiner Ampel geht es einzig darum, das 17-Milliardenplus-X-Defizit für 2023 irgendwie zu stopfen. So will er völlig undurchdachte Sparmaßnahmen in allen möglichen Bereichen durchziehen, ohne strukturelle Reformen anzupacken und das Defizitproblem, das uns auch über 2023 hinaus eklatant beschäftigen wird, nachhaltig zu beheben. Um seine 17 Milliarden Euro irgendwie zusammenzukratzen, legt Lauterbach die Axt sogar an bewährte und sinnvolle Maßnahmen im Bereich der Prävention, die uns schlussendlich deutlich mehr Geld einsparen, als wir für diese zunächst ausgeben. Das ist einfach zu kurz gedacht – beziehungsweise gar nicht gedacht. Bundesgesundheitsminister Lauterbach versprach, Leistungskürzungen für Versicherte blieben ausgeschlossen, es werde keine Abstriche in der Versorgung geben. Die Zahnärzteschaft sieht jedoch den Erhalt der neuen, präventionsorientieren Parodontitisbehandlung und somit die Mundund Allgemeingesundheit von über 30 Millionen Patientinnen und Patienten durch den Gesetzesentwurf gefährdet. Hat Herr Lauterbach sein Versprechen gebrochen? Dieser Schritt wäre de facto eine klare Leistungskürzung. Denn mit der von Lauterbach vorgesehenen Wiedereinführung der strikten Budgetierung der zahnärztlichen Leistungen stünde die innovative und hochwirksame neue Parodontitisbehandlung, die sich ja über mehrere Jahre erstreckt und erst 2021 eingeführt wurde, vor dem Aus. Der SPD-Minister sieht dabei überhaupt nicht, dass es hier nicht um zahnästhetische „Aufhübschungen“ geht, sondern um eine nachhaltig wirkende, höchst sinnvolle präventionsorientierte Therapie. Konkret geht es um die Prävention nicht nur vor Zahnerkrankungen, sondern etwa auch vor Herz- und Kreislauferkrankungen, vor Demenz oder Diabetes – systemische Krankheiten, mit denen Parodontitis in einem nachgewiesenen Zusammenhang steht. Denken Sie auch an schwangere Frauen und mögliche Schwangerschaftskomplikationen. Um diese Folgeerkrankungen zu behandeln oder gar zu heilen, muss die GKV wirklich viel Geld in die Hand nehmen – deutlich mehr, als sie für die Parodontitisbehandlung präventiv ausgegeben hätte. Diese Sparmaßnahme sorgt nicht nur für zahnlose Patientinnen und Patienten, sondern steht auch für eine hirnlose Gesundheitspolitik. Sie bemängeln den fehlenden politischen Weitblick des Bundesgesundheitsministers in der Erarbeitung dieser Gesetzesvorlage und bezeichnen das Gesetz als „ein Sammelsurium von offensichtlich unkoordinierten Maßnahmen“. Welche nachhaltigen Reformen halten Sie denn stattdessen für notwendig, um das GKV-System langfristig zu stabilisieren? Akut muss der Minister beziehungsweise müssen die Ampel-Fraktionen im Bundestag in den anstehenden parlamentarischen Verfahren die gerade genannte und andere unüberlegte Sparmaßnahmen zurücknehmen. Das darf so keinesfalls ins Bundesgesetzblatt. STEPHAN PILSINGER ... ist gesundheitspolitischer Sprecher der CSU im Deutschen Bundestag. Foto: Timo Hänseler 12 | POLITIK

Aber weil ich mit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion als „Service-Opposition“ weiterdenke und der Regierung gerne sinnvolle, langfristig wirkende Maßnahmen an die Hand geben möchte, sollte Folgendes nun angegangen werden: einmal die Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf Arzneimittel von 19 auf 7 Prozent. Warum zahle ich als Verbraucher für Brot, Butter und Käse 7 Prozent, für lebenserhaltende oder lebensrettende Medikamente aber 19 Prozent? Da passt was nicht zusammen. Dann muss der Bund endlich seiner auf dem Papier schon bestehenden Verpflichtung beikommen, den von ihm eigentlich zu leistenden Beitrag für die Krankenversicherung von ALG II-Empfängern tatsächlich zu zahlen – eine Aufgabe, die nach meiner Meinung sowieso eine originär gesamtstaatliche Aufgabe ist. Allein diese beiden Umstellungen würden die GKV nach Berechnungen des GKV-Spitzenverbands um jährlich etwa 16 Milliarden Euro entlasten, also um fast schon den Betrag, den Lauterbach mit seinem Panik-Sparschwein nun zusammenkratzen will. Mittel- bis langfristig müssen wir die versicherungsfremden Leistungen überdenken, die über den Gesundheitsfonds querfinanziert werden und sich jährlich in ihrem Volumen ausweiten. Da muss die Politik ordnungspolitisch Einiges sortieren. Auch hier könnten wir dem GKV-System viel Geld einsparen. Die Zahnärzteschaft gilt als Vorreiter in den Bereichen Prävention und Prophylaxe: Welcher Impuls kann aus Ihrer Sicht vom zahnärztlichen Versorgungsbereich zur Reformierung des GKV-Systems ausgehen? Erst mal möchte ich anerkennend sagen, dass die Zahnärzteschaft die vergangenen Jahre erheblich in Vorleistung gegangen ist, was Optimierung und Einsparmöglichkeiten angeht. Wenn es immer heißt, „alle Akteure sollen ihre Effizienzreserven heben“, dann haben die Zahnärzte das schon getan: Seit dem Jahr 2000 konnte die Zahnärzteschaft in Deutschland den Anteil der GKV-Ausgaben für zahnärztliche Leistungen von knapp 9 auf fast 6 Prozent im Jahr 2021 senken. Nachdem die Budgetierung 2012 abgeschafft worden war, haben die Zahnärzte den ihnen damit eingeräumten Gestaltungsspielraum genutzt, um der Bevölkerung eine an der Morbidität und der Demografie orientierte, bestmögliche zahnärztliche Versorgung zu garantieren. Das wird jetzt im Zusammenhang mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz völlig unter den Teppich gekehrt! Übrigens auch, dass die Zahnärzte und ihre Angestellten selbst in den Hochphasen der CoronaPandemie die zahnärztlichen Behandlungen sowie die Vorsorge immer angeboten und durchgeführt haben. Apropos Vorsorge: Wenn ich der Zahnärzteschaft einen Impuls mitgeben darf, dann den, dass sie die Prophylaxe und die zahnärztliche Vorsorge weiterhin mit aller Vehemenz anmahnen und durchführen – vom Kleinkind bis zum Rentner. Denn Vorsorge ist nicht nur viel billiger als Nachsorge, sondern für die Patienten auch deutlich angenehmer. Ein Impuls, der am Puls der Zeit ist. Den sollte nun auch Herr Lauterbach verspüren. \ Das Gespräch führte Sascha Rudat. zm112, Nr. 19, 1.10.2022, (1811) 0%'/!-%1 4*% /1' )1 &%1 "%#*31)2%1 +%"(',$%''%1 3&%" .%"%*1()"%1 4*% %*1%1 0%"),/1#',%"$*1 &*#*,)25 "&**&,3$&+6. 13( !&#%-30&#&-3+,#13$2 ','-+654(&)/&#+*.%&**&3 B6$ /*'$;-$ (495-: #); 18; %07$;602 $6-#0+8?$-79&0--7?$##6,6$-7? %$99$0-:$.*7> <@@! 9&0;$-A B6:6702 = 3*; ";7 $6-249.0;?  $-""# ." $0 ,$ 4$ ! ENVELOPE %*+1!'*'+)32/(& POLITIK | 13

zm112, Nr. 19, 1.10.2022, (1812) INFEKTIONSSCHUTZGESETZ FFP2-Maskenpflicht nur für Patienten Der Bundesrat hat am 16. September dem neuen Infektionsschutzgesetz zugestimmt, das die Maßnahmen vom 1. Oktober bis zum 7. April 2023 regelt. Zentrale Bestimmung ist eine Maskenpflicht in Kliniken, Pflegeheimen und Arztpraxen. Allerdings gelten Unterschiede zwischen Personal und Patienten. Patientinnen und Patienten sowie Besucher einer Zahnarzt- oder Arztpraxis dürfen diese ab dem 1. Oktober nur betreten, wenn sie eine FFP2-Maske tragen. Das Praxispersonal wird in der Regelung des § 28b Absatz 1 Nr. 5 IfSG-Neu aber ausdrücklich nicht erwähnt. Die Maskenpflicht für die Beschäftigten in einer Zahnarztpraxis wird sich aus der kommenden, ab dem 1. Oktober geltenden Corona-Arbeitsschutzverordnung ergeben. Diese war bis Redaktionsschluss jedoch noch nicht abschließend formuliert. AUSNAHMEN FÜR BESUCHER UND PATIENTEN Laut Infektionsschutzgesetz sind von der FFP2-Maskenpflicht für Besucher und Patienten folgende Ausnahmen vorgesehen: \ Kinder, die das sechste Lebensjahr noch nicht vollendet haben, \ Personen, die ärztlich bescheinigt aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung, einer ärztlich bescheinigten chronischen Erkrankung oder einer Behinderung keine Atemschutz- oder medizinische Gesichtsmaske tragen können, und \ gehörlose und schwerhörige Menschen und Personen, die mit ihnen kommunizieren, sowie deren Begleitpersonen. Die Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske (FFP2 oder vergleichbar) gilt des Weiteren nicht, wenn die zahnmedizinische Behandlung dem Tragen einer Atemschutzmaske entgegensteht. Zahnarzt- und Arztpraxen werden verpflichtet, die Einhaltung der Maskenpflicht durch stichprobenhafte Kontrollen zu überwachen. Personen, die diese Maskenpflicht, ohne unter einen Ausnahmetatbestand zu fallen, nicht erfüllen, kann das Betreten der Praxis verweigert werden. Ein mögliches Betretungsverbot für maskenunwillige Patienten und Patientinnen ergibt sich damit jetzt direkt aus dem Infektionsschutzgesetz. MASKENPFLICHT BEI PATIENTENNAHER TÄTIGKEIT Für die Beschäftigten in einer Zahnarztpraxis wird sich allerdings aus der kommenden Corona-Arbeitsschutzverordnung zumindest dann eine Pflicht ergeben, eine Maske zu tragen, wenn sie patientennah tätig werden, so die Bundeszahnärztekammer in einer Einschätzung. Die Rechtsgrundlage für die Corona-Arbeitsschutzverordnung ist in § 18 ArbSchG angepasst worden, so dass voraussichtlich ab dem 1. Oktober eine neue CoronaArbeitsschutzverordnung gelten wird. Sofern, dem diesbezüglichen § 2 Abs. 3 des Entwurfs entsprechend, die Gefährdungsbeurteilung ergibt, dass bei Unterschreitung des Mindestabstands von 1,5 Metern oder bei tätigkeitsbedingten Körperkontakten oder bei gleichzeitigem Aufenthalt mehrerer Personen in Innenräumen technische und organisatorische Schutzmaßnahmen zum Schutz der Beschäftigten nicht ausreichen, muss der Arbeitgeber den Beschäftigten medizinische Gesichtsmasken (MundNase-Schutz) bereitstellen. Diese Masken müssen die Beschäftigten dann tragen. Über den aktuellen Stand sollten sich Zahnärztinnen und Zahnärzte bei zm-online.de oder auf der Website der Bundeszahnärztekammer informieren. mg/sr Für Patientinnen und Patienten sowie Besucher gilt seit dem 1. Oktober eine FFP2-Maskenpflicht in Zahnarztpraxen. Foto: Christian Horz – stock.adobe.com 14 | POLITIK

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zm112, Nr. 19, 1.10.2022, (1814) Wer denkt, in einer Zahnarztpraxis gibt es nur wenige Möglichkeiten zum Einsparen von Ressourcen, der findet in der neuen Broschüre einige Anregungen, wie es doch gehen kann. Das Material, das es seit dem 21. September kostenlos zum Download gibt (siehe QR-Code am Ende des Beitrags), listet zum einen die Aktivitäten der BZÄK in puncto Nachhaltigkeit auf und gibt darüber hinaus eine Übersicht zu den Initiativen und Bemühungen auf europäischer und globaler Ebene – etwa der Weltzahnärzteorganisation (FDI), der Britisch Dental Association (BDA) oder auch der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Letztere setzt sich beispielsweise in der im Mai 2022 beschlossenen „Globale Strategie zur Mundgesundheit“ konkret für ökologische Nachhaltigkeit in der Mundgesundheitspflege ein. Die BZÄK wertet das als einen großen Schritt zur Anerkennung der Bedeutung der Mundgesundheit für die allgemeine Gesundheit und für die Lebensqualität der Menschen. PRÄVENTION IN DER ZAHNMEDIZIN ZAHLT SICH AUS ... In der Broschüre wird noch einmal hervorgehoben, wie fundamental wichtig zahnmedizinische Prävention ist und wie diese zur Nachhaltigkeit beiträgt. Evident ist: Je intakter die Mundgesundheit ist, desto weniger Eingriffe sind nötig – und damit auch desto weniger Ressourcen. Zur Motivation werden Erfolge erwähnt, wie sie etwa bei Kindern und Jugendlichen seit Ende der 1980er-Jahre deutlich zu sehen sind: 80 Prozent NACHHALTIGKEIT IN DER ZAHNARZTPRAXIS So wird Ihre Praxis nachhaltig Unter dem Titel „Die nachhaltige Zahnarztpraxis – was ist möglich“ veröffentlicht die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) eine kostenlose, digitale Info-Broschüre und zeigt darin, wie Ressourcen gespart werden können. Anhand von Checklisten bekommen Praxisteams darin Anregungen, Links und Hilfestellungen. Baurechtliche Bestimmungen zwangen Zahnarzt Dr. Dr. Manfred Wolf im baden-württembergischen Leinfelden-Echterdingen vor 30 Jahren dazu, seine Praxisräume mit einem Wintergartenanbau zu erweitern. Ein Glück im Unglück: Diese Lösung sparte Wolf etwa 50 Prozent Wärmeenergiekosten – und legte so den Grundstein für ein ständig weiterentwickeltes Nachhaltigkeitskonzept. Fotos: Jasmin Wolf 16 | PRAXIS

zm112, Nr. 19, 1.10.2022, (1815) INTERVIEW MIT DEN ZAHNÄRZTEN JASMIN UND MANFRED WOLF „MÜLL LÄSST SICH LEIDER NICHT KOMPLETT VERMEIDEN“ 2021 wurde die Praxis von Dr. Dr. Manfred Wolf als eine von 22 Praxen mit dem Label „Grüne Praxis“ für ihre Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Im Gespräch erklären die Zahnärzte Wolf, wie der lange Weg dahin aussah. Herr Wolf, gab es einen externen Impuls oder ein persönliches Erlebnis, die Praxis nachhaltiger auszurichten? Falls ja, was und wann war das? Vor 30 Jahren hatten wir den Wunsch, die Praxis zu erweitern. Nach längerer Überlegung und Recherche war die Erweiterung aus baurechtlichen Gründen nur durch einen Anbau in Form eines Wintergartens möglich. Dieser Wintergarten war dann eigentlich der Beginn, ein langfristiges Energie- und Nachhaltigkeitskonzept zu entwickeln. Denn der Bau des Wintergartens senkte unsere Wärmeenergiekosten um etwa 50 Prozent, zum einen durch eine effiziente Nutzung der Solarenergie im Winter und zum anderen durch eine effiziente Isolierung mit Horizontaljalousien im Sommer. Das hat damals unser Interesse für diverse Energiekonzepte geweckt, von denen wir einige Maßnahmen nach und nach umgesetzt haben. Wie sind Sie konkret vorgegangen? Wo haben Sie sich über Probleme/ Lösungsansätze informiert? In Zeitschriften, Fachliteratur, auf Messen, Online aber auch bei Besichtigungen vor Ort, etwa in anderen Praxen. Was konnten Sie sich abgucken, für welche Maßnahmen haben Sie sich entschieden – und warum? Wir haben seit 2005 eine Fotovoltaikanlage und nutzen seit 2019 zwei Elektroautos für Hausbesuche, Praxiseinkäufe, Laborauslieferungen und ähnliches. Außerdem haben wir die Öl-Zentralheizung auf eine Pellet-/ Scheitholzheizung umgestellt. Die Motivation dabei waren Ökologie und Autarkie. Wir haben einen nahe gelegenen, eigenen Forst und verfügen darum über kurze Lieferwege für das Scheitholz. 2010 haben wir begonnen, die Praxis so weit wie möglich zu digitalisieren. Daraus ergeben sich Vereinfachungen der Prozesse, eine schnellere und effizientere Verfügbarkeit von Daten, eine einfachere Kommunikation mit Kollegen und Überweisern, eine schnellere Verfügbarkeit von Röntgenbildern sowie eine Reduzierung von Material und Materialkosten. Und es ermöglicht unseren Mitarbeitenden, etwa Teilzeitkräften mit Kindern, auch im Homeoffice zu arbeiten, zum Beispiel für die Abrechnung. Außerdem nutzen wir soweit wie möglich lokale Anbieter, also Apotheke, Schreibwarenhändler, Drogeriemarkt, Dentaldepot und Edelmetallhändler. Uns geht es dabei um die Unterstützung der lokalen Infrastrukturen, die Reduktion emissionsbehafteter Logistikwege, aber auch den Austausch im persönlichen Kontakt. Außerdem ist es immer gut, direkte Ansprechpartner zu haben. Letzter Punkt ist, dass wir unser Warenmanagement umgestellt haben, jetzt also mehr Großbestellungen von ständig verwendeten Verbrauchsmaterialien wie Speichelsaugern, Mundschutzen, Handschuhen und ähnlichem vornehmen. Das reduziert Verpackungsmüll, spart Versandkosten und -wege und senkt den Personalaufwand bei der Warenannahme und -lagerung. Und nachhaltige Produkte wie Gläser statt Plastikbecher, Handtücher statt Papierservietten oder wiederverwendbare OP-Kleidung statt Einmalkittel haben sich schon beim Praxisstart vor mehr als 30 Jahren für uns bewährt. Deren Einsatz haben wir einfach beibehalten. Welche Schwierigkeiten, also Überraschungen oder Rückschläge, gab es bei den Maßnahmen? Beim Thema Digitalisierung fehlte es anfangs an der Akzeptanz einiger Mitarbeitender. Bei baulichen Maßnahmen waren hingegen bürokratische Hürden zu nehmen, hier meine ich Genehmigungs- oder Prüfverfahren. Natürlich gab es auch hohe Investitionskosten. Das gilt immer dann, wenn sehr neue Technologien zum Einsatz kommen. Ein weiterer Wermutstropfen ist, dass Müllvermeidung nicht komplett möglich ist. Wie waren denn die Rückmeldungen der Kollegen, des Teams und, nicht zuletzt, der Patienten? Bisher hatten wir nur gute Rückmeldungen, das heißt, es gibt viele interessierte Kollegen. Einige haben sich von uns sogar Empfehlungen oder Anregungen geholt. Vom Team wurden einige Umstellungen anfänglich von einigen langjährigen Mitarbeitenden schwierig angenommen und zunächst als störend empfunden. Von Patientenseite spüren wir fast ausschließlich großes Wohlwollen und Interesse an den eingesetzten neuen Technologien. Welchen Kosten und Einsparungen haben die Maßnahmen ausgelöst? Maßnahmen wie der Wintergarten, der brauchwasserthermische Pufferspeicher und die Fotovoltaikanlage, zwei ortständige Scheitholzöfen – haben sich in der Zwischenzeit mehr als refinanziert. Die Pellet- und Scheitholzheizung soll sich in den kommenden 15 Jahren amortisieren. Das hängt natürlich von den schwankenden Rohstoffpreisen ab. Planen Sie weitere Maßnahmen? Nach Ablauf der 20-jährigen Einspeiseverpflichtung der Fotovoltaikanlage 2025 ist eine Umstellung auf Batteriespeicher geplant, um das Elektroauto sowie die weiteren hauseigenen Stromverbraucher zu versorgen. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen in puncto nachhaltiger Zahnmedizin für die Zukunft? Die Reduktion der Abfallmenge bei Einhaltung beziehungsweise Steigerung der bestehenden und kommenden Vorschriften zu Hygiene, Verarbeitung, Dokumentation und Aufbewahrung. Das Gespräch führte Marius Gießmann. Foto: privat Foto: privat PRAXIS | 17

zm112, Nr. 19, 1.10.2022, (1816) der Zwölfjährigen haben heute ein naturgesundes Gebiss. Auch Erwachsene und Senioren behalten ihre eigenen Zähne im Durchschnitt immer länger. Wenngleich der demografische Wandel mit der älter werdenden Gesellschaft und den damit einhergehenden Erkrankungen wie Diabetes, die wiederum eine Querverbindung zur Parodontitis hat, vielmehr als Herausforderung betrachtet werden muss. Hier können alle Zahnärzte und Kammern die individuelle Krankheitswahrnehmung mit Aufklärungs- und Früherkennungsmaßnahmen stärken und so zur Prävention als effektivsten Nachhaltigkeitsansatz beitragen. In zehn kompakten Kapiteln widmet sich die BZÄK dem Thema Nachhaltigkeit erstmals so ausführlich, praktisch orientiert und nach aktuellem Sachstand. Den Anfang macht der Bereich der Mobilität, die tatsächlich der größte Punkt in der CO 2 -Bilanz einer Zahnarztpraxis ist. Die An- und Abreise der Patienten macht dabei einen Anteil von mehr als 60 Prozent aus, wie der National Health Service (NHS) ermittelte. Was liegt da nahe? Genau, die Termine nach Möglichkeit zusammenzulegen. Aber auch auf die Anfahrt mit dem Rad oder dem ÖPNV hinzuweisen und diese durch gezielte Informationen auf der Praxis-Website leichter zu machen. Das Team selbst kann über Fahrgemeinschaften nachdenken und Wege verbinden. Ein E-Bike für die Mitarbeiter könnte darüber hinaus ein Incentive sein. ... UND AUF DAS KONTO NACHHALTIGKEIT EIN Bei der Behandlung stellt sich die Frage nach der Hygiene und der – bewiesenen – Nachhaltigkeit von alternativen Materialien, wenn es darum geht, Plastik und Einwegartikel zu reduzieren. Symbolisch dafür steht der Plastikbecher – und ja, es gibt Alternativen. Auch mit der Frage, ob eine Aufbereitung tatsächlich ökologisch sinnvoller ist, beschäftigt sich die Broschüre. Die Checkliste zu diesem Punkt reicht von der Empfehlung zu möglichst umweltfreundlichen Reinigungsmitteln über die Dokumentation von Verfallsdaten (um Verschwendung vorzubeugen) bis hin zur Frage nach dem Einsatz von digitalen Röntgen- und Abformgeräten zur Materialvermeidung. Der Punkt Verwaltung dreht sich vor allem um die Papierfrage: Ist papierDie Broschüre ist kompakt und übersichtlich gestaltet. Sie kann online kostenlos heruntergeladen werden (siehe QR-Code am Ende des Artikels) und bietet neben Erfahrungs- und Messwerten aus der Wissenschaft Checklisten mit vielen verschiedenen Punkten zu den jeweiligen Bereichen der Nachhaltigkeit. Fragen, Ideen oder Ergänzungswünsche können an praxisfuehrung@bzaek.de gerichtet werden. WARTEZIMMERMÖBEL AUS RECYCELTEN ESSSTÄBCHEN Der Allgäuer Ingenieur Felix Böck zeigt mit seiner Firma ChopValue, das Upcycling-Möbel nicht nach Sperrmüll aussehen müssen. Mehr als 70 Millionen Essstäbchen („Chopsticks“) hat er in Kanada, Asien und den USA schon vor der Müllhalde gerettet und umweltschonend verarbeitet: zu Schreibtischplatten, Rollcontainern und anderem Büro- oder Küchenbedarf. Ach so, Holzspielzeug aus Essstäbchen verkauft ChopValue auch. SUSTAINABILITY TOOLKIT DER FDI Die World Dental Federation (FDI) hat gerade das interaktive „Sustainability Toolkit“ für zahnmedizinische Praxen online auf den Weg gebracht. Damit sollen „Nachhaltigkeits-Champions“ gekürt werden. 18 | PRAXIS

DIGITAL. DENTAL. FINAL. www.medent i s . de AS FAIRE REMIUM PLANTATYSTEM. IM S JEDES BESTE HAT AUCH EINE STEIGERUNG. ICX-Shop! !Gewünschte ICX-Mikrorauheit !Hydrophile & mikrostrukturierte Implantatoberfläche ICX-ACTIVE LIQUID VERKÜRZT DIE EINHEILZEIT ZUVERLÄSSIGE OSSEOINTEGRATION FÜR DIE SOFORTVERSORGUNG * Alle Preise zzgl. MwSt. ICX-Implantate zu 89,- € nur im 6er-Pack. ICX-ACTIVE LIQUID

los nachhaltig und wie kommt recyceltes Papier bei den Patienten an? Und jedem Praxischef und jeder Praxischefin sollte bewusst sein, dass die Rechnerleistung und die Internetnutzung sehr wohl auch CO 2 produzieren. Besonders interessant, weil derzeit von noch größerer Relevanz: der Energieverbrauch. Dieser macht etwa 15 Prozent des CO 2 -Fußabdrucks einer Zahnarztpraxis aus. Zu Buche schlagen hier besonders der Autoklav, das RDG und der Kompressor. Hier rät die BZÄK zu einem Vergleich des Energieverbrauchs beim Neukauf und erinnert an viele oft gehörte Aspekte des Energiesparens – Stoßlüften, gut isolierte Heizkörper, Wechsel zu LEDLeuchtmitteln und Ausschalten aller Geräte, die die Möglichkeit dazu bieten. Ganz am Ende der Broschüre ist extra eine Checkliste für den Kauf von Neugeräten angeführt – wenn sich eine Reparatur nicht mehr lohnt. Praxen, die bauen oder renovieren, können langfristigere Maßnahmen einplanen und die Räume nicht nur mit Grünpflanzen grüner gestalten. Das reicht von Natur- und ökologischen Baumaterialien über ein begrüntes Flachdach oder eine installierte Solaranlage bis zu reflektierenden Glasfenstern. Außerdem kommt der Hinweis für finanzielle Förderung von Steckdosen für E-Autos. QUECKSILBER, ALUMINIUM UND BAMBUS Auch der Bereich der Entsorgung spielt eine wichtige Rolle. Während wohl die meisten Patienten beim Stichwort Abfall aus Zahnarztpraxen an Amalgam und Quecksilber denken, sehen viele Praxismitarbeiter die täglich anfallenden Mengen an Plastikmüll aus Plastikbechern, Einwegspritzen, Handschuhen, Einmalinstrumenten, Mundhygieneprodukten und vielem mehr. Ein erster wichtiger Schritt wäre hier die Sensibilisierung des Teams, etwa indem ein Abfall-Guide in der Praxis aufgehängt wird. Jeder kann die Big Five – Aluminium, Glas, Kunststoff, Papier „Wo manch andere Greenwashing betreiben, möchten wir konkret werden ... Die Broschüre ist keine Pflicht, sondern eine Ideensammlung als Impuls für die Praxen. Sie soll definitiv keine neue Bürokratie bedeuten.“ Konstantin von Laffert, Vizepräsident der BZÄK und Vorsitzender des BZÄK-Ausschusses Nachhaltigkeit, Praxisführung und Hygiene Nicht nur im Wartebereich, sondern auch in den Behandlungszimmern wird den Patienten das Wasser aus Gläsern angeboten. Das hat sich seit der Praxiseröffnung vor mehr als 30 Jahren nicht geändert. Ebenfalls unverändert seitdem: Es gibt Handtücher statt Papierservietten und wiederverwendbare OP-Kleidung statt Einmalkittel. KAFFEE-ERSATZ SOLL KÜNFTIG DAS KLIMA SCHÜTZEN Kaffee ist eines der beliebtesten Getränke weltweit. Weil der Transport aus den Anbauregionen jedoch nicht gut fürs Klima ist, arbeiten Start-ups an Alternativen. Statt schnödem Malzkaffee setzen sie auf Ersatz aus recycelten pflanzlichen Abfallprodukten (Atomo Coffee, USA), gezüchtete Pflanzenzellen aus dem Bioreaktor (VTT, Schweiz) oder Fermentierung mit gezüchteten Mikroben der Kaffeekirsche (Compound, USA). Dadurch sollen bis zu 93 Prozent weniger CO2 als bei herkömmlichem Kaffee emittiert und 94 Prozent weniger Wasser verbraucht werden, rechnen die Start-ups vor. Bitterer Beigeschmack aus deutscher Perspektive: Bis zur Marktreife des bohnenlosen Kaffees aus der Schweiz dauert es noch. 20 | PRAXIS zm112, Nr. 19, 1.10.2022, (1818)

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zm112, Nr. 19, 1.10.2022, (1820) und Stahl – recyceln. Auch bei Medikamenten sollte im Sinne der Nachhaltigkeit auf eine sachgemäße Entsorgung geachtet werden. Landen diese tatsächlich im Abwasser, ist dessen Aufbereitung problematisch. Interessant auch: Lachgas wirkt als Treibhausgas rund 300-mal so stark wie CO 2 . Kaum ein Produkt steht für die Zahngesundheit wie die Zahnbürste, die in der Regel aus Kunststoff besteht. Hier führt die BZÄK eine Studie an, nach der die CO 2 -Bilanzen einer manuellen Zahnbürste aus Kunststoff mit austauschbarem Kopf und einer BambusHandzahnbürste besser abschneiden als herkömmliche manuelle und elektrische Zahnbürsten aus Kunststoff. Allerdings – so viel sei noch verraten: Die Bambus-Bürste ist nicht die Antwort auf die Nachhaltigkeitsfrage in der Zahnpflege. Apropos Kunststoff und Mikroplastik – deren Einsatz lässt sich stellenweise nicht vermeiden. Ein bisher weniger beachteter Aspekt ist nach wie vor die Auswirkung von Kunststoffen. Die Wirkung von Bestandteilen ist aufgrund ihrer komplexen chemischen Natur schwer zu quantifizieren, erklärt die BZÄK. In Deutschland sind Zahncremes seit 2014 frei von Mikroplastik. Die Mikropartikel entstehen jedoch auch durchs Waschen synthetischer Textilien. Pro Kilo Wäsche fallen dabei bis zu 308 mg Mikroplastik an. Sollte sich eine Praxis entscheiden, Einweg- durch Handtücher zu ersetzen, sollte auf Produkte aus Baumwolle oder anderen natürlichen Materialien geachtet werden, um hier nachhaltig und umweltschonend zu handeln. Nicht zuletzt können die Patienten selbst zur Nachhaltigkeit in der Praxis beitragen. Die Umsetzung der Maßnahmen wird Zeit, Ressourcen und auch finanzielle Mittel in Anspruch nehmen. Umso wichtiger ist, dass die Bemühungen auch nach außen sichtbar sind. Idealerweise, und soweit es das Praxiskonzept erlaubt, können Patienten darüber informiert und gegebenenfalls zu mehr Nachhaltigkeit motiviert werden. Um mit Konstantin von Laffert, dem Vizepräsidenten der BZÄK, zu schließen: „Suchen Sie sich die für Sie sinnvollen und umsetzbaren Maßnahmen heraus. Je mehr, desto besser, aber letztendlich macht Kleinvieh auch Mist, oder in diesem Fall eben kein CO 2 !“ LL Die Broschüre zum Download finden Sie auf der BZÄK-Website https://www. bzaek.de/berufsausuebung/nachhaltigkeitin-der-zahnmedizin.html oder über den QR-Code. SOLARMOBIL FÄNGT BEIM FAHREN CO2 EIN Wenn es nach Fahrzeugtechnikstudierenden aus den Niederlanden geht, können E-Autos nicht nur CO2 vermeiden helfen, sondern künftig auch aus der Luft filtern. Sie bauten einen fast vollständig recycle- und wiederverwertbar Solar-Sportwagen („ZEM“), der dank einer Filtertechnik während der Fahrt CO2 aus der Luft bindet. Im Test waren es nach 20.600 Kilometern zwei Kilogramm CO2. Das klingt nicht viel, geben die Studierenden zu, könne aber einen Unterschied machen – wenn künftig Millionen von Fahrzeugen mit dieser Technologie ausgestattet wären. Die Scheitholzheizung wird sich in 15 Jahren amortisieren. Unschätzbarer Vorteil in diesem Zusammenhang: Das Holz kommt aus dem nahe gelegenen, eigenen Forst der Familie. 22 | PRAXIS

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