Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 9

SPEKUALTIONSOBJEKT ZAHNARZTPRAXIS Die Strategie der Investoren ZAHNÄRZTLICHE MITTEILUNGEN I WWW.ZM-ONLINE.DE AUSGABE 09 I 2022 Nach dem Scheitern der allgemeinen Impfpflicht BZÄK fordert die Aussetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. SEITE 12 Konfliktmanagement zwischen Praxispartnern Wenn ein Streit eskaliert und weit fortgeschritten ist, kann oft nur noch eine Mediation helfen. SEITE 18 Pathogenese der Parodontitis Mit der MRT lassen sich Knochenödeme als Surrogatmarker für frühe Stadien einer Parodontalerkrankung detektieren. SEITE 52 zm1.5.2022, Nr. 9

Machen Sie mit! Die erforderliche neue Impfverordnung lässt auf sich warten. Aber gut, die Pandemie ist ja auch noch nicht vorbei ... In diesem Heft zeigen wir außerdem, wie mithilfe der Magnetresonanztomografie mit Gingivitis assoziierte Knochenveränderungen gefunden werden können. Eine Arbeitsgruppe der TU München stellt ihre Ergebnisse vor. Dann gehen wir in unserer Reihe „KI in der Zahnarztpraxis“ der Frage nach, wann es bei diagnostischen Methoden auf Sensitivität und wann auf Spezifität ankommt. Außerdem stellen wir vor, worauf es bei der Mundhygiene von Beatmungspatienten ankommt. Der regelmäßigen zahnärztlichen Begleitung kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Auseinandersetzungen unter Praxispartnern kommen mit schöner Regelmäßigkeit vor. Wenn das Ganze eskaliert und eine Einigung aus eigener Kraft nicht zum Erfolg führt, kann ein Mediator helfen. Voraussetzung ist allerdings, dass alle Beteiligten freiwillig bei diesem Mediationsverfahren mitmachen. Wir zeigen, worauf es dabei ankommt. Reichlich Konfliktpotenzial hat auch das Äußere von Angestellten – seien es die Frisur, Tattoos oder Piercings. Wir haben einen Experten gefragt, wo Arbeitgeber Vorschriften zum Aussehen machen dürfen und wo nicht. Viel Spaß bei der Lektüre. Sascha Rudat Chefredakteur In der letzten Ausgabe haben wir umfangreich über die Öffentlichkeitskampagne der Bundeszahnärztekammer zur Parondontitis berichtet. Ziel der Kampagne ist es, die Bevölkerung auf die Symptome, die Gefahren und die Behandlungsmöglichkeit der Volkskrankheit aufmerksam zu machen. Inzwischen steht ein Paket mit Materialien zum Download für Zahnarztpraxen bereit. Darunter sind Praxisplakate, Textbausteine für die eigene Website oder Fotos für den Social-Media-Auftritt zu finden. Beteiligen Sie sich und helfen Sie mit, das Wissen über Parodontitis unter Ihren Patientinnen und Patienten zu vergrößern. Gleichzeitig hat die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung ihre bewährte und stark nachgefragte Patienteninformation „Parodontitis – Erkrankungen des Zahnhalteapparats vermeiden, erkennen, behandeln“ in einer inhaltlich grundlegend überarbeiteten Neuauflage veröffentlicht. Sie ist ab sofort online und gedruckt verfügbar. Eingeflossen sind alle relevanten Informationen zur PAR-Richtlinie, mit der die Parodontitis-Behandlung in der vertragszahnärztlichen Versorgung im vergangenen Jahr grundlegend neu ausgerichtet wurde. Außerdem hat die KZBV auf ihrer Website dazu auch ein umfangreiches Paket für Zahnärztinnen und Zahnärzte zur PAR-Richtlinie bereitgestellt. Nutzen Sie diese Informationen für sich und Ihre Patienten. Die Daten sind alarmierend: Die Zahl der von Finanzinvestoren betriebenen MVZ nimmt in Deutschland rasant zu. Neben Labormedizin und Augenheilkunde befindet sich vor allem die Zahnmedizin im Auge der Spekulanten. Dass dabei nicht das Wohl der Patienten und der angestellten Zahnärztinnen und Zahnärzte, sondern vor allem Renditeerwartungen im Fokus stehen, versteht sich von selbst. Was das aber konkret für die freie Berufsausübung bedeutet, hat kürzlich ein Bericht des Polit-Magazins Panorama gezeigt. Da werden gesunde Zähne schon mal ganz schnell zu kranken gemacht, damit es in der Kasse stimmt, wie Betroffene berichten. Und die Politik schaut bislang noch weg. Zu lange darf sie das aber nicht mehr, sonst sind die bestehenden und bewährten Strukturen nachhaltig zerstört. Nach dem Aus für die allgemeine Impfpflicht steht die Frage im Raum, wie es mit der bestehenden einrichtungsbezogenen Impfpflicht weitergeht. Bis auf einzelne Stimmen ist es diesbezüglich ziemlich ruhig. Wenn die Politik einmal etwas auf die Schiene gesetzt hat, revidiert sie diese Entscheidungen bekanntlich nur selten – ob sie noch sinnhaft sind oder nicht. Ebenso still ruht der See bei den Impfungen durch Zahnärztinnen und Zahnärzte. Foto: Lopata/axentis EDITORIAL | 03

zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (814) Inhalt MEINUNG 3 Editorial 6 Leitartikel 10 Leserforum ZAHNMEDIZIN 30 Der besondere Fall mit CME In-situ-Melanom der Mundschleimhaut 38 MKG-Chirurgie Tooth-shell-technique: Kieferkammaugmentation mit autologem Dentin 48 Aus der Wissenschaft Schienentherapie bei CMDPatienten: Alles nur Placebo? 52 Pathogenese der Parodontitis MRT zeigt mit Gingivitis assoziierte Knochenveränderungen 64 Ein Praxisleitfaden Mundhygiene bei Beatmungspatienten 74 KI in der Zahnarztpraxis – Teil 3 Sensitivität und Spezifität: Was ist wann wichtig? 78 Alternativ? komplementär? integrativ? – Teil 2 Die andere Zahnmedizin: Klinische und gesellschaftliche Herausforderungen POLITIK 12 Bundestagsdebatte Das Aus für die allgemeine Impfpflicht TITELSTORY 22 Spekulationsobjekt Zahnarztpraxis 22 KZBV und BZÄK mahnen dringenden politischen Handlungsbedarf an 26 Panorama-Recherche zu i-MVZ 44 Präventionspreis von GABA und BZÄK Drei Projekte zur Verbesserung der Mundgesundheitskompetenz Foto: Günay/Meyer-Wübbold 44 Mundhygiene bei Senioren Verbesserung durch Selbstkontrolle – ausgezeichnet mit dem Präventionspreis 2021 50 Erscheinungsbild des Teams Tattoos, Fingernägel oder Schmuck – was Mitarbeitende tragen dürfen und was nicht Foto: AdobeStock_Dmitry Lobanov Titelfoto: AdobeStock_iHaMoo

zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (815) 76 Interview mit Dr. Max Tischler zu Führung, Delegation und Substitution „Die Gesamtverantwortung wird beim Arzt verbleiben!“ PRAXIS 14 Werbung für die Zahnarztpraxis Trommeln Sie laut – und richtig! 18 Konfliktmanagement Was tun bei Streit unter Zahnärzten? 50 Erscheinungsbild der Mitarbeitenden Wie individuell darf es sein? 84 Mitarbeitermotivation – Teil 3 So motivieren Sie zum Lernen! GESELLSCHAFT 36 Interview mit Beate Slominski „Ohne künstlerisches Empfinden geht es auch in der Zahnmedizin nicht!“ 70 Schulzahnpflege und Dental Public Health in Deutschland Viel mehr als nur Prävention MEDIZIN 58 Forschungsprojekt der TU Berlin Was, bitte schön, sollen Tumore aus dem Biodrucker? MARKT 86 Neuheiten RUBRIKEN 17, 28, 69 Nachrichten 60 Termine 62 Formular 92 Impressum 110 Zu guter Letzt Foto: Kämmerer 30 Der CME-Fall Eine schwärzliche Mundschleimhautveränderung – hochgradig verdächtig auf ein orales mukosales Melanom TITELSTORY 22 Spekulationsobjekt Zahnarztpraxis Versorgungsfremde Investoren und ihre MVZ-Strategie: kaufen, melken, wieder abstoßen Foto: Adobe Stock_doidam10 INHALTSVERZEICHNIS | 05

zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (816) Seit Jahren belegen wir der Politik mit detaillierten Analysen und Gutachten die fatalen Folgen der Einflussnahme versorgungsfremder Investoren auf die Patientenversorgung, ohne dass bisher wirklich wirksame gesetzliche Maßnahmen ergriffen wurden. Unsere drängenden Fragen, wie denn die medizinische und zahnmedizinische Versorgung in Deutschland in fünf, zehn und zwanzig Jahren bei weiterhin ungebremstem Zustrom versorgungsfremder Investoren nach den Vorstellungen der Politik ausgestaltet sein soll, blieben bis heute unbeantwortet. Ganz offensichtlich herrschte und herrscht in großen Teilen der Politik gegenüber Investoren im Gesundheitswesen eine überaus freundliche Einstellung, während man den freiberuflichen Heilberufen und ihren Standesvertretungen eher mit Skepsis begegnet. Kann der Wert einer freiberuflich getragenen Gesundheitsversorgung in Deutschland nach unserer Auffassung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, wird dies in großen Teilen der Politik offensichtlich gänzlich anders gesehen. Besonders deutlich machte dies der damalige Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Erwin Rüddel (CDU), im Rahmen einer Debatte im Bundestag über einen Antrag der Linksfraktion am 8. November 2019: „Solange Versorgungssicherheit und Patientenzufriedenheit gegeben sind, sind mir Eigentumsverhältnisse gleichgültig oder eher zweitrangig.“ Und sein Ausschusskollege Alexander Kraus (CDU) bekräftigte: „Mich interessiert nicht, wem ein MVZ gehört.“ Auf gut Deutsch bedeutet dies nichts anderes als: Egal, wer versorgt, Hauptsache, es wird versorgt! Nach wie vor und in zunehmendem Maße drängen ausländische PrivateEquity-Unternehmen und Hedgefonds getrieben von hohen Renditeerwartungen in den zahnärztlichen und ärztlichen Versorgungsbereich. Durch den Kauf eines regelmäßig kleinen und oft maroden Krankenhauses, das in der Regel keinerlei Bezug zur zahnmedizinischen Versorgung aufweist und sich „somewhere in nowhere“ befindet, werden die Investoren in die Lage versetzt, überall in Deutschland investorbetriebene MVZ (i-MVZ) zu gründen oder zu erwerben. Zwar reagierte der damalige Bundesminister Spahn (CDU) auf die unwiderlegbaren Argumente und den erheblichen öffentlichen Druck der KZBV mit der für den zahnärztlichen Versorgungsbereich geltenden Bereichsausnahme im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) von Mai 2019. Danach wurde eine spezielle Regelung zur Gründung zahnärztlicher MVZ (z-MVZ) durch Krankenhäuser geschaffen, deren Gründungsbefugnis von der Wahrung bestimmter Versorgungsanteile abhängig gemacht wurde. War man seinerzeit in der Zahnärzteschaft noch hoffnungsfroh, dass dieses Instrument, das damals offensichtlich den maximal erreichbaren politischen Kompromiss zwischen den Regierungsparteien darstellte, Wirksamkeit entfalten würde, so muss man spätestens heute in aller Deutlichkeit erkennen, dass vom TSVG nicht die erhoffte Wirkung auf die Gründungswelle seitens der Investoren ausgegangen ist. Vor dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) aus Juli 2015 betrug die Zahl von MVZ im zahnärztlichen Bereich (damals nur fachübergreifende) gerade einmal 28. Mit dem GKV-VSG wurde die gesetzliche Grundlage für fachgruppengleiche MVZ auch in der Zahnmedizin geschaffen. Danach stieg nicht nur die Zahl zahnärztlicher MVZ bis Mitte 2019 auf 709, sondern auch die Zahl der i-MVZ wuchs auf 152 an. Seit dem Inkrafttreten des TSVG Mitte 2019 bis heute hat sich die Zahl der zahnärztlichen MVZ auf 938 (Stand 12/21) erhöht und die Zahl der i-MVZ auf 351 mehr als verdoppelt! Allein im 2. Halbjahr 2021 wuchs die Anzahl der i-MVZ um weitere 30 Prozent. Gleichzeitig hat sich die Kettenbildung in den vergangenen Jahren rasant erhöht. Noch gravierender sind die Wachstumsraten von investorbetriebenen MVZ im humanmedizinischen Bereich. Marktbeherrschende Stellungen von i-MVZ-Ketten und Oligopole haben sich gebildet. Ganze Bereiche der medizinischen Versorgung werden heute schon als von den Investoren beherrscht bezeichnet. Hierzu zählen neben anderen offensichtlich die Bereiche der augenärztlichen Versorgung, der Labormedizin, der Nephrologie und der Radiologie. Standen wir freiberuflichen Zahnärztinnen und Zahnärzte Foto: KZBV/Knoff Egal, wer versorgt? 06 | LEITARTIKEL

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zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (818) anfangs nahezu alleine mit unseren Mahnungen und Forderungen, den Zustrom versorgungsfremder Investoren ins Gesundheitswesen endlich konsequent zu stoppen oder zumindest streng zu regulieren, hat sich dies in der letzten Zeit deutlich verändert. So wurden auf dem Deutschen Ärztetag 2021 wegweisende Anträge im Hinblick auf i-MVZ, das Fremdbesitzverbot von Arztpraxen und MVZ und den Stopp von nichtärztlichen Investoren verabschiedet. Auch der Spitzenverband der Fachärzte (SpiFa) und der Virchow-Bund haben sich neben anderen ärztlichen und zahnärztlichen Organisationen zuletzt mit dringlichen Mahnungen und Appellen gegenüber der Politik positioniert. Ein signalgebender Beschluss zu MVZ und i-MVZ wurde im November 2021 von der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) – auf Initiative insbesondere des damaligen Vorsitzlandes Bayern – einstimmig gefasst. Hierfür hatte sich die KZBV im Vorfeld auf Landesebene im Zusammenwirken mit den LandesKZVen eingesetzt. Dieser zielt auf die Schaffung von mehr Transparenz und die Installation einer BundLänder-Arbeitsgruppe ab und bekräftigt den Beschluss der GMK aus September 2020, mit dem die Beschränkung von MVZ sowohl in räumlicher Hinsicht als auch mit Blick auf den Versorgungsanteil der Facharztgruppen gefordert wurde. Zwischenzeitlich hat sich auch die Datenlage zu MVZ und i-MVZ durch diverse Gutachten erheblich verbessert, womit eine belastbare Entscheidungsgrundlage für die Politik geschaffen ist. Neben den beiden Gutachten des IGES-Instituts und von Prof. Sodan im Auftrag der KZBV aus 2020, dem sogenannten „Ladurner-Gutachten“ des BMG von Anfang 2021 und einem Gutachten des Instituts für Gesundheitsökonomik (IfG) existiert neben Gutachten, die von i-MVZ Betreibern beauftragt wurden, inzwischen auch ein aktuelles Gutachten der KV Bayerns. Erneut in den Fokus der Öffentlichkeit hat das Thema eine PanoramaSendung des NDR vom 7. April 2022 mit dem Titel: „Spekulanten greifen nach Arztpraxen“ gebracht, in der neben betroffenen Patienten auch eine junge angestellte Zahnärztin zu Wort kam, die eindringlich schilderte, unter welch immensem wirtschaftlichem Druck sie arbeiten musste, und sogar genötigt wurde, gesunde Zähne zu beschleifen. Dabei verdeutlichen das Gutachten der KV Bayerns und die jüngsten Medienrecherchen die wachsenden enormen Probleme für die Gesundheitsversorgung wie auch den dringenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf, den wir als KZBV an vorderster Front seit Jahren anmahnen und für die vertragszahnärztliche Versorgung mit unseren Ende 2020 veröffentlichten Gutachten eindrücklich belegen. Angesichts der großen Gefahren für die Patientenversorgung ist es – gelinde ausgedrückt – bemerkenswert, dass sich der Koalitionsvertrag der Ampel bei diesem Thema in Schweigen hüllt: kein Wort zur Kommerzialisierung im Gesundheitswesen, kein Wort zur Ausbreitung von Private Equity in der ambulanten Versorgung. MVZ erwähnen SPD, Grüne und FDP überhaupt nur an einer Stelle, und zwar dort, wo es um die Förderung kommunal getragener MVZ geht, um die Versorgung sicherzustellen. Umso erfreulicher ist die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Lauterbach (SPD) auf einer Veranstaltung der KBV Anfang März, die Fremdinvestorenproblematik „definitiv“ in den Blick nehmen zu wollen. Das darf uns zumindest verhalten optimistisch stimmen, dass die neue Regierung nicht die Augen verschließt und sich ernsthaft um wirkungsvolle Maßnahmen bemüht, um die Ausbreitung investorengetragener MVZ zu stoppen und für mehr Transparenz bei i-MVZ zu sorgen. Der Zustrom versorgungsfremder Investoren ins Gesundheitssystem muss schnellstens gestoppt, zumindest aber streng und wirksam reguliert werden. Unsere Vorschläge hierzu liegen auf dem Tisch. Wenn überhaupt sollten Krankenhäuser zukünftig nur dann innerhalb eines bestimmenden Einzugsbereichs um das Krankenhaus berechtigt sein, zahnärztliche MVZ zu gründen, wenn sie auch schon vorher an der zahnärztlichen Versorgung beteiligt waren. Das sprichwörtliche Kind darf nicht durch das untätige Zuwarten der Politik in den Brunnen fallen. Der Schaden für die Patientenversorgung wäre immens. Es ist jetzt allerhöchste Zeit, dass die Ampel und allen voran Gesundheitsminister Lauterbach entschlossen handeln. Ich bleibe bei meiner Aussage: Gesundheit gehört nicht in die Hände von Spekulanten. Dr. Wolfgang Eßer Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung Einen Beitrag zum Thema iMVZ finden Sie auf Seite 22. 08 | LEITARTIKEL

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zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (820) Foto: Federico Rostagno – stock.adobe.com Leserforum SJÖGREN-SYNDROM ZAHNERSATZ UMGEHEN Zum Beitrag „Der besondere Fall mit CME: Trockenes Auge, trockener Mund – das Sjögren-Syndrom“, zm 7/2022, S. 20–26. Folgender praktischer Hinweis kann die ausgezeichnete Darstellung das Sjögren-Syndroms noch erhöhen. Die Mundschleimhaut ist bei solchen Patienten weniger belastbar. Deswegen sollten Zähne erhalten werden, wann immer es möglich ist und Schleimhaut-getragener Zahnersatz vermieden werden. Wenn Zahnersatz wirklich nicht zu umgehen ist, sollte er auf Zähnen oder Implantaten abgestützt werden. Paul Peter Baum, Neuwied Die zm-Redaktion ist frei in der Annahme von Leserbriefen und behält sich sinnwahrende Kürzungen vor. Außerdem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch in der digitalen Ausgabe der zm und bei www.zm-online.de zu veröffentlichen. Bitte geben Sie immer Ihren vollen Namen und Ihre Adresse an und senden Sie Ihren Leserbrief an leserbriefe@zm-online.de oder an die Redaktion: Zahnärztliche Mitteilungen, Chausseestr. 13, 10115 Berlin. Anonyme Leserbriefe werden nicht veröffentlicht. 10 | LESERFORUM

zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (822) BUNDESTAGSDEBATTE Das Aus für die allgemeine Impfpflicht In Deutschland gibt es vorerst keine allgemeine Impfpflicht. Ein Kompromissvorschlag zur Impfpflicht ab 60, der von einer Vielzahl an Ampel-Abgeordneten unterstützt wurde, fiel am 8. April im Bundestag durch. Auch ein Antrag der Union und weitere Anträge sind gescheitert. Zuvor gab es eine heftige Debatte im Plenum. Kurz vor der Abstimmung hatten sich zwei Gruppen aus der Ampel-Koalition rund um Heike Baehrens (SPD) noch auf einen gemeinsamen Antrag geeinigt, der im Bundestag zur Abstimmung kam. Es handelte sich um die ursprünglichen Befürworter einer Impfpflicht ab 18 und um diejenigen, die sich in einem Stufenverfahren eine Impfpflicht ab 50 vorstellen konnten. Der Kompromissvorschlag sah eine Impfpflicht ab 60 Jahren zum 15. Oktober 2022 vor. Hinzu kam eine Impfberatungspflicht für Personen zwischen 18 und 60 Jahren, die spätestens bis zum 15. Oktober 2022 erfüllt werden sollte. Der Bundestag sollte – der Vorlage zufolge – nach Auswertung der Daten des aktuellen Infektionsgeschehens beschließen können, entweder die Immunitätsnachweispflicht auszusetzen oder auf Personen im Alter zwischen 18 und 59 Jahren auszudehnen, frühestens zum 15. Oktober 2022. Zudem war in der Vorlage der Aufbau eines Impfregisters vorgesehen. Doch der Vorschlag wurde bei namentlicher Abstimmung mit klarer Mehrheit abgelehnt: Von 686 abgegebenen Stimmen votierten 378 Abgeordnete gegen den Entwurf, dafür sprachen sich 296 Abgeordnete aus. Neun Abgeordnete enthielten sich. UNION WOLLTE EIN IMPFVORSORGEGESETZ Die Unionsfraktion hat in ihrer Vorlage ein Impfvorsorgegesetz mit einem gestaffelten Impfmechanismus vorgeschlagen, der nach Bedarf vom Bundestag aktiviert werden kann. Weiter ging es um die Schaffung eines Impfregisters, eine verstärkte Impfkampagne und einen mehrstufigen Impfmechanismus. Auch dieser Vorschlag ist in der Abstimmung gescheitert – mit 127 Ja-Stimmen, 497 Nein-Stimmen und 9 Enthaltungen. Abgeordnete verschiedener Fraktionen um den FDP-Abgeordneten Wolfgang Kubicki wiederum legten einen Antrag gegen die allgemeine Impfpflicht vor. Dieser zielte darauf ab, die Impfbereitschaft in der Bevölkerung ohne eine Verpflichtung zu erhöhen. Verstärkt sollte an die Bürger appelliert werden, die empfohlenen Angebote einer Corona-Schutzimpfung wahrzunehmen. Auch dieser Antrag scheiterte: mit 85 Ja-Stimmen, 590 Nein-Stimmen und 12 Enthaltungen. Die AfD-Fraktion positionierte sich in ihrem Antrag gegen eine gesetzliche Impfpflicht und sprach sich dafür aus, die seit dem 15. März geltende einrichtungsbezogene Impfpflicht aufzuheben. Auch dieser Antrag wurde mit klarer Mehrheit abgelehnt (79 Ja-Stimmen, 607 Nein-Stimmen, keine Enthaltung). In der Debatte warfen sich insbesondere Abgeordnete von SPD und Union gegenseitig vor, einen mit breiter Mehrheit getragenen Kompromiss verhindert zu haben. Die AfD-Fraktion attestierte der Ampel-Koalition völliges Versagen und eine Bevormundung der Bürger in der CoronaPandemie. Auch Redner anderer Fraktionen wandten sich Foto: AdobeStock_HNFOTO, VRD 12 | POLITIK

gegen eine verpflichtende Impfung und machten dabei neben medizinischen auch rechtliche Bedenken geltend. GEGENSEITIGE VORWÜRFE VON SPD UND UNION Heftig gestritten wurde auch über das Abstimmungsverfahren selbst. Befürworter der Impfpflicht aus SPD, Grünen und FDP wollten verhindern, dass über den Kompromiss-Antrag für die Pflicht ab 60 Jahren zuerst abgestimmt wird, weil sie sich bei umgekehrter Reihenfolge mehr Stimmen erhofften. Eine Mehrheit der Parlamentarier hatte aber dagegen votiert. Für eine allgemeine Impfpflicht hatten sich zuvor Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (beide SPD) ausgesprochen. Mit dem Scheitern der Anträge wird es zum jetzigen Zeitpunkt keine über die seit Mitte März geltende Impfpflicht für Beschäftigte in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen hinausgehende Impfverpflichtung für die Bevölkerung in Deutschland geben. pr STATEMENT DER BUNDESZAHNÄRZTEKAMMER BZÄK FORDERT AUSSETZEN DER EINRICHTUNGSBEZOGENEN IMPFPFLICHT Nach dem Scheitern des Gesetzentwurfs zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht steht nun auch die Frage im Raum, wie es mit der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht weitergeht. „Von Anfang an war uns seitens des Bundesgesundheitsministeriums versichert worden, der einrichtungsbezogenen Impfpflicht würde später eine allgemeine Impfpflicht folgen. Damit sollte deutlich gemacht werden, dass nicht nur die Beschäftigten in der Pflege und im Gesundheitswesen allein die Lasten der CoronaBekämpfung zu schultern hätten“, erklärte BZÄK-Präsident Prof. Dr. Christoph Benz gegenüber den zm. Mit der Entscheidung des Bundestages müsse jetzt geklärt werden, wie es mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht weitergeht. Versorgungsengpässe in den Praxen könnten drohen Die vorhandenen Daten zeigen in der Zahnmedizin eine überdurchschnittlich hohe Impfquote bei Zahnärzten und Praxispersonal. Dennoch gebe es auch Regionen, in denen Versorgungsengpässe zu befürchten seien, erklärte Benz. Hinzu komme, dass das Auftauchen der Omikron-Variante die Wirkung der vorhandenen Impfstoffe erheblich beeinträchtigt hat. „Ein Fremdschutz ist mit dem gegenwärtigen Impfstoff kaum noch machbar. Insofern hat auch die Intention, mit der eigenen Impfung Patientinnen und Patienten zu schützen, ihre Grundlage verloren. Darüber hinaus entsteht den Praxen ein hoher Aufwand bei der Verwaltung und dem Handling des Personaleinsatzes mit der vorhandenen gesetzlichen Regelung. Deshalb plädieren wir seitens der Bundeszahnärztekammer für ein Aussetzen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht“, betonte Benz. br zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (823) Taschen-Anästhesie ohneEinstich Wirkeintritt innerhalb von 60 Sekunden1 Gute Haftung und Sichtbarkeit des Gels Wirksamkeit in klinischen Studien belegt1,2 Kein postoperatives Taubheitsgefühl Ihr persönlicher Kontakt: 0611– 9271 223 oder info@kreussler.com DYNEXAN MUNDGEL® in der Zylinderampulle Für die schmerzarme PA- und PZRBehandlung 1 Gruber et al. Quintessenz 1990; 2 Kasaj et al. Eur J Med Res. 2007 DYNEXAN MUNDGEL®. Zus.: 1 g Gel enthält: Wirkstoff: Lidocainhydrochlorid 1H 2O 20 mg; weitere Bestandt.: Benzalkoniumchlorid, Bitterfenchelöl, Glycerol, Guargalaktomannan, Minzöl, dickflüssiges Paraffin, Pfefferminzöl, Saccharin-Natrium, hochdisperses Siliciumdioxid, Sternanisöl, Thymol, weißes Vaselin, gereinigtes Wasser. Anw.: Zur zeitweiligen, symptomatischen Behandlung von Schmerzen an Mundschleimhaut, Zahnfleisch und Lippen. Gegenanz.: Absolut: Überempf. gegen die Inhaltsstoffe von Dynexan Mundgel oder gegen andere Lokalanästhetika vom Säureamid-Typ. Relativ: Patienten mit schweren Störungen des Reizbildungs- und Reizleitungssystems am Herzen, akuter dekompensierter Herzinsuffizienz und schweren Nieren- oder Lebererkrankungen. Nebenw.: Sehr selten (< 0,01 % einschließlich Einzelfälle): lokale allerg. u. nichtallerg. Reaktionen (z. B. Brennen, Schwellungen, Rötungen, Jucken, Urtikaria, Kontaktdermatitis, Exantheme, Schmerzen), Geschmacksveränd., Gefühllosigk., anaphylakt. Reakt. u. Schockreakt. mit begleit. Symptomatik. März 2021. Chemische Fabrik Kreussler & Co. GmbH, D-65203 Wiesbaden. www.kreussler-pharma.de POLITIK | 13

zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (824) Bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2005 galt ein umfassendes Werbeverbot für Ärzte und Zahnärzte. Juristisch hatte dieses sich daraus entwickelt, dass Ärzte und Zahnärzte einer öffentlich-rechtlichen Gebundenheit unterliegen und kein Gewerbe sind. Zur Vereinheitlichung des Angebots wurde alles bis hin zur Größe des Praxisschildes gesetzlich festgelegt. Im heutigen Zeitalter des Internets ist ein solches Werbeverbot undenkbar, denn darunter würden ja bereits die Homepage, Anzeigen in der Zeitung und Informationsbroschüren fallen. Der immerzu herangezogene Gedanke des Patientenschutzes wird ja gerade durch die fachgerechte Fachinformation im Netz erreicht, die nach früherem Recht als unzulässige Werbung verbannt worden wäre. Hier darf aber grundsätzlich keine Hervorhebung der Person der Zahnärztin oder des Zahnarztes erfolgen – das Augenmerk muss den Gesetzen zufolge in der Sache liegen. Relevant sind hier die landesrechtlichen Berufsordnungen, die auf der Musterberufsordnung (MBO-Z) basieren, das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das Heilmittelwerbegesetz (HWG) und die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ). Wie Sie sich in diesem Minenfeld zurechtfinden, zeigt dieser Kurzaufriss: DIESE WERBUNG IST VERBOTEN Leider ist der Bereich einzelfallabhängig und es verbieten sich grundsätzlich allgemeinwirksame pauschale Wertungen. Dem Zahnarzt kann Werbung nicht gänzlich verboten werden, auch wenn sie in erster Linie auf Akquisition gerichtet ist. Berufswidrige Werbung ist natürlich unzulässig. Maßgeblich für die Einordnung ist § 21 der MBO-Z. Der erste – und wichtigste – Absatz besagt: „Dem Zahnarzt sind sachangemessene Informationen über seine Berufstätigkeit gestattet. Berufsrechtswidrige Werbung ist dem Zahnarzt WERBUNG FÜR DIE ZAHNARZTPRAXIS Trommeln Sie laut – und richtig! Rebecca Richter Wer früher als Freiberufler für Dienstleistungen warb, galt als unseriös. Werbung wurde von Medizinern auch bewusst vermieden, um sich von alternativmedizinischen Kreisen zu distanzieren. Trotz einer immensen Lockerung der Werbeverbote spiegelt sich der Gedanke fehlender Seriosität noch heute in vielen Gerichtsentscheidungen für den Kreis der Freien Berufe wider. Bleibt die Frage: Was ist verboten, was erlaubt? Foto: AdobeStock_ yanik88 14 | PRAXIS

DIESE WERBUNG IST ERLAUBT 1. Werbung einer Zahnarztpraxis mit der Aussage “Zahnspezialisten” (OLG München, Urteil vom 5. März 2020, Az.: 29 U 830/19) In diesem Fall lag nach Ansicht des klagenden Berufsverbands eine Irreführung vor, denn die in der Praxis tätigen Personen hatten keine Fachzahnarztzulassung, lediglich eine Zahnarztzulassung. Die Formulierung „Spezialisten“ wies nach Ansicht des Klägers jedoch auf eine Zusatzausbildung hin. Das Gericht sah hier indes keine Irreführung: In Kombination mit dem allgemeinen Begriff „Zahn“, entspricht dies auch der Qualifikation des Teams und suggeriert keine fachärztliche Zulassung. 2. Bewerbung von elektrischen Zahnbürsten durch Werbeflyer in Zahnarztpraxis mit Rabatt bei Zahnreinigung – Zahnbürstenwerbung in Zahnarztpraxis (OLG Hamburg, BeschLuss vom 14. April 2020, Az.: 3 W 17/20) Ist das Auslegen von Flyern mit einer Rabattaktion in einer Zahnarztpraxis gesetzeswidrig? Die Flyer eines Zahnbürstenherstellers bewarben einen Rabatt auf ihre Produkte und einen damit verbundenen Preisvorteil von 30 Prozent für eine Zahnreinigung sowie eine Zahnaufhellung in der jeweiligen Praxis. Diskutiert wurde, ob der Zahnarzt hier seine Berufsbezeichnung für gewerbliche Zwecke hergibt, was nach § 21 Abs. 4 MBO-Z nicht erlaubt ist. Das Gericht hielt die Werbung im Ergebnis nicht für berufswidrig, da die Auslage von Flyern keinen ausreichende Verknüpfung der Bezeichnung des Zahnarztes mit dem Gewerbe darstellt. Zwar sind Rabatte auf zahnärztliche Leistungen mit Vorsicht zu genießen, aber nicht zu beanstanden, wenn der Zahnarzt die Behandlung aus welchen Gründen auch immer (beispielsweise, weil ein Bleaching medizinisch nicht empfehlenswert ist) ablehnen kann (anders beim Kaufvertrag über Groupon). PRAXIS | 15

zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (826) untersagt. Berufsrechtswidrig ist insbesondere eine anpreisende, irreführende, herabsetzende oder vergleichende Werbung.“ Berufswidrig und damit unzulässig ist Werbung also, wenn sie ... ... anpreisend ist: Dabei handelt es sich um eine gesteigerte Form der Werbung, vor allem wenn reißerische und marktschreierische Mittel verwendet werden. ... irreführend ist: Die meisten gerichtlichen Auseinandersetzungen drehen sich um den Aspekt der Irreführung. Sie liegt vor, wenn bei den Patienten eine Fehlvorstellung über die zahnärztlichen Leistungen erweckt wird. ... herabsetzend oder vergleichend ist: Bei persönlicher vergleichender Werbung wird auf die persönlichen Eigenschaften und Verhältnisse ärztlicher Kolleginnen und Kollegen, bei vergleichender Werbung auf die Zahnarztpraxis oder Behandlungstätigkeit anderer Kollegen Bezug genommen. Dies ist sehr selten. DAS SIND DIE FOLGEN In erster Linie besteht die Gefahr, dass die Konkurrenz, Berufsverbände oder die Berufsaufsicht mit wettbewerblichen Klagen oder einstweiligen Verfügungsverfahren gegen den Verstoß vorgehen, damit diese Werbung beseitigt und künftig unterlassen wird. Denn die Berufs- und die Gebührenordnung gelten auch als Marktverhaltensregel und enthalten damit Wettbewerbsverbote und -beschränkungen, die wettbewerbsrechtlich durch Mitbewerber als auch Wettbewerbsverbände geltend gemacht werden können. Daneben sind berufsrechtliche Verfahren vor der Bundeszahnärztekammer möglich, die hohe Bußgelder gegen die Praxisinhaber zur Folge haben können. Achtung: Wenn eine unzulässige Werbung, die beispielsweise eine unzulässige Bezeichnung enthält und trotz Löschung auf Praxis-Webseite noch bei Google & Co. zu finden ist, muss der Inhaber auch die Löschung beim Suchmachinenbetreiber beantragen. Sonst kann hier eine kostspielige Abmahnung und ein gerichtliches Verfahren folgen. \ DIESE WERBUNG IST VERBOTEN 1. Werbung mit der Angabe „Kieferorthopädie“ (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021, Az.: I ZR 114/20) Wirbt ein Zahnarzt, der nicht Fachzahnarzt für Kieferorthopädie ist, ohne entsprechende Aufklärung mit den Angaben „Kieferorthopädie“ und „(Zahnarzt-)Praxis für Kieferorthopädie“, ist die Werbung irreführend. Ebenfalls nicht erlaubt (OLG Oldenburg, Urteil vom 30. April 2021, Az.: 6 U 263/20): \ „KFO-Fachpraxis“ \ „Fachpraxis für Kieferorthopädie“ \ „Zahnarzt für Kieferorthopädie“ 2. Werbung mit 3x wöchentlich kostenloser Implantatsprechstunde und Bezeichnung der Praxis als Praxiszentrum (LG Braunschweig, Urteil vom 25. März 2021, Az.: 22 O 582/20) Es wurde eine Werbeanzeige in einer Zeitung mit der Überschrift „Bezahlbare Implantate auch in Deutschland“ „3× wöchentlich kostenlose Implantatsprechstunde“ geschaltet. Im unteren Teil der Anzeige hieß es „Praxiszentrum“. Trotz eigenes Labors wird hier eine Erwartung bei den Patienten geschaffen, dass es sich um ein Praxiszentrum, also eine Praxis mit überdurchschnittlicher Größe handelt und damit auch mehrere Zahnärzte oder Zahnärztinnen dort zusammenwirken. Es ist irreführend, wenn es sich in Realität lediglich um eine Einzelpraxis handelt. 3. Werbung mit Bezeichnung der Praxis als „Praxisklinik“ (OLG Hamm, Urteil vom 27. Februar 2018, Az.: 4 U 161/17) Der Begriff Klinik steht synonym für Krankenhaus und erfordert die Möglichkeit einer stationären Aufnahme. Ist das nicht gegeben, liegt eine Irreführung und damit eine unzulässige Werbung vor. 4. Zahnarztwerbung bei Groupon beziehungsweise DailyDeal (LG Köln, Urteil vom 21. Juni 2012, Az.: 31 O 25/12) Ein Zahnarzt bot professionelle Zahnreinigung und Bleaching über Groupon und DailyDeal zu sehr günstigen Preisen an (Die PZR kostete bei ihm 2011 nur 19 statt Euro 99 Euro, das Bleaching 149 statt 530 Euro). Kauften die Kunden einen Gutschein, konnten sie ihn innerhalb von zwölf Monaten einlösen. Diese Leistungen dürfen aber nicht zu einem vorher angelegten Festpreis ohne eine vorherige Untersuchung des Patienten und einem individuellen Kosten- und Heilplan angeboten werden. Anders ist dies, wenn der Zahnarzt die Behandlung hätte ablehnen können, aus welchem Grund auch immer. Darüber hinaus liegt auch ein Abweichen vom regulären Preis und damit ein Rabatt vor, der so erheblich ist, dass von einer kostendeckenden und gründlichen Arbeit nicht mehr ausgegangen werden kann. REBECCA RICHTER DUNKEL RICHTER Rechtsanwältinnen Mühsamstr. 34, 10249 Berlin richter@dunkelrichter.de Foto: Arik Bauriedl 16 | PRAXIS

NEWS BUNDESZAHNÄRZTEKAMMER MITMACH-PAKET FÜR PATIENTEN ZU PARODONTITIS Der Volkskrankheit Parodontitis widmet die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) in diesem Jahr eine groß angelegte Aufklärungskampagne. Verschiedene Materialien können Zahnarztpraxen hier herunterladen, um Patienten das Thema zugänglicher zu machen. Die Kampagne stellt Informationsmaterial und Vorschläge für Postings auf Instagram, Facebook und Twitter für die Praxen ab sofort zum Download bereit. Die Idee: Versehen mit den Hashtags #Parodontitis, #Parocheck und #GesundAbMund können Beiträge zum Thema noch thematisch verknüpft werden und die Reichweite der Kampagne erhöhen. LL/pm Praxen finden unter https://paro-check.de/download/: Praxisplakate, TV-Banner, Fotomaterial für Instagram-, Twitter und Facebook-Kanäle, Textbausteine für die Praxiswebseite und eine Signatur für E-Mails. Mit dem Paro-Check können Patienten niedrigschwellig auf https://paro-check. de/schnell und unkompliziert testen, ob der Verdacht auf eine Parodontitis besteht. Außerdem informiert die Webseite über die Symptome und die Behandlungsschritte einer Parodontitis. KASSENZAHNÄRZTLICHE BUNDESVEREINIGUNG AKTUALISIERTE PATIENTENINFO ZU PARODONTITIS Um dem Informationsbedarf zu den neuen Leistungen zur Behandlung von Parodontitis gerecht zu werden, hat die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) ihre Patienteninformation „Parodontitis – Erkrankungen des Zahnhalteapparates vermeiden, erkennen, behandeln“ in einer überarbeiteten Neuauflage veröffentlicht. Sie ist ab sofort online und gedruckt verfügbar. Laienverständlich und wissenschaftlich abgesichert erläutert die Publikation Ursachen und Auswirkungen von parodontalen Erkrankungen, informiert über Risikofaktoren, gibt Tipps zur Vorsorge und Früherkennung und geht umfassend auf die neuen Behandlungsmöglichkeiten ein. Versicherte erhalten zudem einen Überblick, welche Leistungen ihre gesetzliche Krankenkasse übernimmt. Die wissenschaftliche Beratung für die Neuauflage hat Prof. Dr. Bettina Dannewitz, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie, übernommen. Wie Zahnärztinnen und Zahnärzte die Richtlinie zielgerichtet in der Versorgung umsetzen, erfahren sie auf einer Sonderseite der KZBV. Im Zentrum der Kampagne stehen drei Videos, die die neue Behandlungsstrecke, Abrechnungsmodalitäten, standespolitische und wissenschaftliche Hintergründe sowie Regelungen für die Behandlung vulnerabler Gruppen erläutern. pr/pm zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (827) ! < */MM8 '.LC8MM8 #/41>/MM8 -)8> (8K84 D&B>.11 KG4" 8.43.HG>E 1.H87 $G>)C7L&BMGH :778> 4C> + D&B>.118= 9.L&B84 F !CJ1>GH84 F *8>)MGL84 F $8>1.H; AHGM %8M&B8 0)8>@,&B8; A.4L BGJ181 .778>6 7"D,29=/C >1". BB : 8 A )2D"2 ;D"+D9'!2D< )2D" $D5?<?*9<2" IGL $C4KG7841 K841GM8> 28L1GC>G1./484 36 .D92'<2 1.29 D".D92'<2 02=</@9/<D1"2"- 2D"= .29 D""1,/<D,2" (1"1&292 ?/#<2< D&&29- 2E/C +/= 4D2 62#2=<DE2" +1CC2"% 5A? (2?9 @"<29 ! NACHRICHTEN | 17

zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (828) KONFLIKTMANAGEMENT Was tun bei Streit unter Zahnärzten? Wieland Schinnenburg Die Zahl der beruflichen Kooperationen von Zahnärztinnen und Zahnärzten nimmt zu und damit auch die Häufigkeit von Streit untereinander. Das fängt oft ganz harmlos an, kann aber eskalieren und dann drastische Folgen haben. Wenn der Streit schon fortgeschritten ist, gibt es ohne professionelle Hilfe oft keinen Ausweg mehr. Es schien alles sehr harmonisch in der Berufsausübungsgemeinschaft der beiden Zahnärztinnen Dr. A und Dr. B. Sie können lange Praxiszeiten anbieten, ohne dabei selbst zu viel arbeiten zu müssen. Außerdem können sie verschiedene Schwerpunkte bilden: Dr. A spezialisiert sich auf Endodontie, Dr. B auf Kinderbehandlungen – eigentlich eine echte Win-win-Situation. Zwar gibt es ab und zu kleinere Meinungsverschiedenheiten, aber die werden meistens dadurch erledigt, dass eine nachgibt – allerdings ist das regelmäßig Dr. B. Die beiden Zahnärztinnen hatten vereinbart, dass die Kosten geteilt werden und der Gewinn entsprechend dem jeweiligen Umsatz verteilt wird. Dies führt dazu, dass Dr. B deutlich weniger Gewinn macht als Dr. A. Jahrelang ist das scheinbar kein Problem. Allerdings hat Dr. B inzwischen eine Familie gegründet und ein Haus gebaut. Sie braucht also dringend mehr Geld. Sie sagt dies Dr. A. Jene entgegnet, dann solle Dr. B doch mehr arbeiten. Eine Bevorzugung bei der Gewinnverteilung komme nicht in Betracht. Schließlich nehme Dr. B das Personal für die Behandlung schwieriger Kinder mehr in Anspruch als sie selbst. PLÖTZLICH ESKALIERT DIE SITUATION Zunächst nimmt Dr. B die Abfuhr hin, aber zufrieden ist sie nicht. Plötzlich eskaliert die Situation: Dr. B will die bereits vorbereitete gemeinsame Steuererklärung nicht unterschreiben, da sie meint, dass die Gewinnverteilung ungerecht sei. Schnell kommt es zu gegenseitigen Vorwürfen: „Du lebst auf meine Kosten“, „Du arbeitest zu wenig“, „Du arbeitest zwar viel, aber nicht sorgfältig, immer muss ich deine Fehler ausgleichen“, „Du nutzt das Personal mehr als ich“. Bald wird der jeweils anderen Seite eine ganze Liste von angeblichem Fehlverhalten in den vergangenen Jahren vorgehalten. Ein Schlichtungsversuch des gemeinsamen Steuerberaters führt nicht zum Erfolg – im Gegenteil: Dr. A verdächtigt den Steuerberater sogar, auf der Seite von Dr. B zu stehen, da er ein gewisses Verständnis für ihre Position gezeigt hat. Schnell schalten Dr. A und Dr. B jeweils einen eigenen Rechtsanwalt ein. Zunächst gehen anwaltliche Schreiben hin und her, schließlich kommt es zu Abmahnungen. Der Druck steigt noch, als das Finanzamt die Abgabe der Steuererklärung fordert und eine Steuerschätzung androht. Es kommt zu immer neuen Eskalationen. So sperrt Dr. A das gemeinsame Konto, da sie fürchtet, Dr. B. könnte diesem unerlaubt Geld für sich entnehmen, um damit eine für sich günstigere Gewinnverteilung herbeizuführen. Damit können Überweisungen nur noch einvernehmlich vorgenommen werden. Bei vielen Rechnungen kommt es zu neuem Streit. Die Spannungen bleiben weder den Mitarbeitern noch den Patienten verborgen. Diese wechseln zu anderen Praxen, Umsatz und Gewinn sinken. Dafür Nicht nur in den besten Familien, auch in den besten Praxen kracht es manchmal. Wenn die Situation eskaliert, kann oft nur noch eine Mediation helfen. 18 | PRAXIS

steigen die Kosten für die Rechtsanwälte. Insgeheim wünschen beide der anderen alles Schlechte, diese soll geschädigt werden – selbst wenn dies mit einer eigenen Schädigung verbunden ist. Aus der Win-win-Situation ist eine Lose-lose-Situation geworden. HINTER EINEM STREIT STECKT EIN KONFLIKT In einer solchen Situation können die beiden Zahnärztinnen ihren Streit nicht mehr alleine lösen. Auch die inzwischen angerufenen Gerichte können nicht wirklich weiterhelfen. Abgesehen davon, dass gerichtliche Verfahren sehr lange dauern, entscheiden diese immer nur einen konkreten Streit – zum Beispiel über die Gewinnverteilung oder über die Sperrung des Kontos. In solchen Fällen geht es aber nur vordergründig um den gerade vor Gericht verhandelten Streitpunkt. Dahinter steckt ein tiefer liegender Konflikt zwischen den beteiligten Personen. Solange dieser nicht aufgedeckt und gelöst ist, wird es immer neue Streitpunkte geben – und damit auch immer neue Gerichtsverfahren ... In unserem Beispiel ging es bei oberflächlicher Betrachtung um eine konkrete Steuererklärung. Dahinter steckte eine strukturell ungleiche Gewinnverteilung. Höchstwahrscheinlich bestand auch ein emotionales Problem: Dr. B fühlte sich von der resoluten Dr. A nicht als gleichwertig angenommen (und gab deshalb meist nach). Eine noch tiefer gehende Analyse könnte zu dem Ergebnis führen, dass Dr. A in ihrem Verhalten Dr. B an schlimme Erfahrungen in Kindheit und Jugend erinnert. Dies mag nach Psychologisierung klingen, die Erfahrung lehrt jedoch, dass solche frühen Erfahrungen lange nachwirken und zu Konflikten führen. STREITPUNKTE: PERSONAL UND ANSCHAFFUNGEN Neben finanziellen Fragen sind die typischen Streitigkeiten in Zahnarztpraxen die Anschaffung von Einrichtungsgegenständen oder die Einstellung oder Entlassung von Personal. In solchen Fällen muss nach dem zugrunde liegenden Konflikt gesucht werden. Nicht selten geht es um die Auseinandersetzung zwischen einem älteren Zahnarzt, der die Praxis aufgebaut hat, und einem jüngeren, der später eingestiegen ist und nun alles anders machen will. Dies lehnt der ältere ab mit der Begründung, das habe er schon immer so gemacht und es funktioniere gut. Oft beklagt sich der jüngere dann darüber, dass der ältere schlecht behandle und die Entwicklung verschlafen habe. Er, der jüngere, müsse das alles wieder ausbügeln. Besonders heikel wird es, wenn ein Partner sich weigert, gesetzlich vorgeschriebene Anforderungen zum Beispiel an die Röntgen-Anlage oder die Hygiene betreffend zu erfüllen. Schließlich setzt er damit alle anderen Partner der Gefahr der Bestrafung aus. In solchen verfahrenen Situationen brauchen die Beteiligten professionelle Hilfe. Diese kann von ausgebildeten Mediatoren geleistet werden. Dieser sollte rechtzeitig eingeschaltet werden, bevor sich beide Parteien gegenseitig schon solche Wunden beigebracht haben, dass eine Annäherung sehr schwer wird. Sofern die Beteiligten noch bereit sind, an einer Wiederherstellung einer Win-winSituation mitzuwirken, wird der Mediator ihnen darstellen, wie sehr sie voneinander profitieren. Im konkreten Fall sollte Dr. A erkennen, dass sie viele ihrer Implantatpatienten nur gewonnen hat, weil zuvor deren Kinder von Dr. B liebevoll behandelt wurden und so auch deren Eltern die Praxis schätzen gelernt haben. Umgekehrt sollte Dr. B verstehen, dass sie für die Behandlung schwieriger Foto: AdobeStock_WavebreakMediaMicro DR. MED. DENT. WIELAND SCHINNENBURG Zahnarzt, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht und Mediator www.rechtsanwalt-schinnenburg.de Foto: privat zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (829) PRAXIS | 19

zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (830) Kinder die Praxis und insbesondere das Personal sehr in Anspruch nimmt. Wenn das Vertrauen wieder gewachsen ist, werden die Zahnärztinnen vielleicht entdecken, dass sie auch emotional durchaus voneinander profitieren können: Die resolute Dr. A und die einfühlsame Dr. B können durchaus ein „Match“ sein. WANN BRAUCHT MAN EINEN MEDIATOR? Woran erkennt man nun, ob die Einschaltung eines ausgebildeten Mediators nötig ist? Dafür gibt es zwei Kriterien: \ Wenn es bei dem Streit nicht mehr um die Lösung des Problems, sondern um die Durchsetzung der eigenen Position geht („Das lasse ich mir nicht gefallen!“). \ Wenn die Schädigung des anderen bewusst in Kauf genommen wird („Der muss es spüren!“). Für eine solche Mediation muss man sich Zeit lassen – sie kann nicht zwischen zwei Patienten erfolgen, auch nicht an einem Abend. Angesichts der enormen wirtschaftlichen (und emotionalen) Folgen eines eskalierten Streits sollte zumindest ein halber Behandlungstag freigehalten werden. \ WAS IST MEDIATION? Der Begriff „Mediation“ kommt vom Lateinischen „Mediatio“ = Vermitteln. Hingegen wird bei einem Gerichtsverfahren gerichtet, also entschieden. Bei einer Mediation geht es also nicht darum, eine Entscheidung herbeizuführen, bei der es Sieger und Verlierer gibt. Vielmehr wird eine einvernehmliche Einigung angestrebt, unterstützt und geführt von einem neutralen Dritten, dem Mediator oder der Mediatorin. Die fünf Grundsätze der Mediation: \ Da ist zunächst das Prinzip der Freiwilligkeit, das heißt, niemand wird zu einer Mediation gezwungen und jeder Beteiligte kann die Mediation jederzeit abbrechen. Das ist bei einem Gerichtsverfahren anders: Dort ist regelmäßig mindestens eine Partei – der Beklagte – nicht freiwillig da. Der Beklagte kann das Gerichtsverfahren auch nicht einfach beenden. \ Mediationen sind immer vertraulich. Die Parteien müssen vor Beginn der Mediation schriftlich Verschwiegenheit versprechen. Sie dürfen das in der Mediation Gesagte nicht einmal in einem späteren Rechtsstreit verwenden. Auch der Mediator muss Vertraulichkeit zusichern. Dies ist besonders einfach, wenn der Mediator Rechtsanwalt ist. Denn Rechtsanwälte unterliegen der anwaltlichen Schweigepflicht. Hingegen sind die Verhandlungen vor den staatlichen Gerichten meist öffentlich, Patienten und Medien erfahren also von dem Streit. \ Wie ein Richter muss der Mediator neutral sein. Allerdings darf und soll der Mediator mit den Parteien getrennte Einzelgespräche führen, um Hintergründe zu erfahren und Lösungsmöglichkeiten auszuloten. Dies ist dem Richter streng verboten. \ Der Mediator hat anders als ein Richter keine Entscheidungsgewalt, vielmehr hilft er den Parteien, in Eigenverantwortlichkeit selbst ein Ergebnis zu finden \ Es besteht bis zum Schluss Ergebnisoffenheit, das heißt es ist Kreativität gefragt. Ein Gericht entscheidet einen konkreten Fall, eine Mediation will eine Lösung für die Zukunft. Wie läuft eine Mediation ab? Nachdem die Parteien schriftlich Verschwiegenheit versichert haben, erläutert der Mediator das Verfahren und die Verfahrensgrundsätze. Dann folgt die wichtige Bestandsaufnahme: Die Parteien sollen jeweils aus ihrer Sicht darstellen, worum es bei dem Streit geht (zum Beispiel eine andere Gewinnverteilung). Der Mediator soll dafür sorgen, dass der dahinter stehende Konflikt offengelegt wird (etwa das Gefühl, vom anderen nicht fair behandelt zu werden). Hierbei wird regelmäßig gefragt, wie die Parteien unabhängig vom konkreten Streit zueinander stehen. Dies offenzulegen, ist oft nicht angenehm, aber unverzichtbar. Denn bei einer gestörten Beziehung mit nicht aufgedeckten Vorbehalten gegen den anderen, werden die Parteien bald den nächsten Streit haben. Dann geht es darum, dass die Parteien nicht mehr Prinzipien („Ich arbeite niemals am Mittwochnachmittag“) vertreten, sondern Interessen („Ich möchte mehr Zeit für meine Familie haben“). Es ist oft schmerzlich, sich von diesen Prinzipien zu verabschieden, denn diese wurden ja im vorhergehenden Streit als unabdingbar dargestellt. Möglichst sollten in dieser Phase gemeinsame Interessen entwickelt werden („Wir wollen beide mehr Freizeit haben“). Anschließend sollten die Parteien angeregt werden, Ideen zu entwickeln, wie diese gemeinsamen Interessen verwirklicht werden können („Wir teilen die Praxiszeiten anders auf“). Hierbei gibt es keine schlechten oder bösen Ideen. Jede Art von Vorschlägen ist willkommen. Nicht selten werden Vorschläge gemacht, die das Problem umgehen („Wir stellen noch einen Zahnarzt an“). Wenn sämtliche Ideen nicht sofort abgeschmettert, sondern fair erwogen werden, entsteht wieder Vertrauen zwischen den Parteien. Schließlich wird mithilfe des Mediators eine Abschlussvereinbarung formuliert. Auch wenn die Parteien zur Eile drängen, wird ein guter Mediator für „Entschleunigung“ sorgen. Keinesfalls darf es passieren, dass Vorbehalte nicht aufgedeckt werden. Diese könnten später den Erfolg gefährden. 20 | PRAXIS

Weitblick DAS PRAXISGRÜNDER-EVENT Jetzt anmelden! nwd.de/weitblick Ihr Wunsch nach beruflicher Unabhängigkeit und Ihrer eigenen Praxis beschäftigt Sie immer wieder? Werfen Sie mit uns einen Blick in Ihre Zukunft. Wir zeigen Ihnen, wie Sie den Schritt in die Selbstständigkeit erfolgreich gehen! Termine: 07.07. – 10.07.2022 in Scheidegg 22.09. – 25.09.2022 im Phantasialand (Brühl) 29.09. – 02.10.2022 in Fleesensee 2022-1026-12351_Stand: 08.04.2022

zm112, Nr. 9, 1.5.2022, (832) KZBV UND BZÄK MAHNEN DRINGENDEN POLITISCHEN HANDLUNGSBEDARF AN „Gesundheitsversorgung gehört nicht in die Hände von Spekulanten!“ Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) fordern die Politik eindringlich auf, den Zustrom versorgungsfremder Finanzinvestoren in die ambulante ärztliche und zahnärztliche Versorgung zu unterbinden. Zuletzt hatten Recherchen des Magazins „Panorama“ (NDR) aufgedeckt, dass Angestellte in investorenbetriebenen Medizinischen Versorgungszentren (iMVZ) einem massiven Umsatzdruck ausgesetzt sind. Die beiden zahnärztlichen Spitzenorganisationen, die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), nehmen die aktuellen Berichterstattungen in zahlreichen Medien zum Anlass, um erneut eindringlich an die Politik zu appellieren, endlich den ungebremsten Zustrom versorgungsfremder Finanzinvestoren aus dem In- und Ausland in die ambulante ärztliche und zahnärztliche Versorgung wirksam zu unterbinden. Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstands der KZBV, erklärt dazu: „Seit Jahren belegen wir der Politik mit Analysen und Gutachten die fatalen Folgen der Einflussnahme versorgungsfremder Investoren auf die Patientenversorgung, ohne dass IGES-GUTACHTEN Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) hat vor Kurzem (7. April) ein Gutachten veröffentlicht, das sie beim IGES Institut Berlin in Auftrag gegeben hatte. Kernaussagen: In investorengetragenen Medizinischen Versorgungszentren (iMVZ) liegen die abgerechneten Honorarvolumina deutlich über denen in anderen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Die Zunahme der Zahl an iMVZ verläuft dynamisch, der Aufkauf von Praxen durch Kapitalinvestoren wird weiter vorangetrieben. Laut dem 300 Seiten starken Gutachten hat die Betriebsform des MVZ in Bayern in einigen vertragsärztlichen Fachgruppen inzwischen eine erhebliche und noch immer wachsende Versorgungsrelevanz. Innerhalb der MVZ seien Ende 2019 bereits knapp zehn Prozent der Leistungsorte auf von Private-EquityGesellschaften betriebene MVZ (PEG-MVZ) entfallen. In den untersuchten zwei Jahren (2018–2019) zeige die Entwicklung der Leistungsorte von PEG-MVZ mit einer Zunahme um 72 Prozent eine enorme Dynamik. Laut den IGES-Analysen wurden in drei der sieben untersuchten Fachrichtungen (Internisten, Augenärzte, Gynäkologen) von den MVZ im Vergleich zu Einzelpraxen – sowohl fall- als auch patientenbezogen – deutlich höhere Honorarvolumina abgerechnet als unter ansonsten gleichen Bedingungen durch Einzelpraxen. In den übrigen vier Fachrichtungen (Hausärzte, Neurologen, Orthopäden, Urologen) lägen die Honorarvolumina der MVZ auf etwa gleicher Höhe oder unter den Honorarvolumina der Einzelpraxen. Über alle Fachrichtungen hinweg würden die untersuchten MVZ je Behandlungsfall ein im Vergleich zu Einzelpraxen um plus 5,7 Prozent höheres Honorarvolumen aufweisen. In der Teilgruppe der PEG-MVZ liege das Honorar je Behandlungsfall sogar um 10,4 Prozent über dem der Einzelpraxen. Der Bundesverband medizinische Versorgungszentren (BMVZ) hat inzwischen eine ausführliche Stellungnahme zu dem Gutachten veröffentlicht. Demnach sei der Aussagewert der Studie eingeschränkt und es gebe methodische Mängel. Vor allem ein Vergleich der Abrechnung von MVZ mit ähnlichen Kooperationsstrukturen (BAG und Arztnetze) wäre spannend gewesen, sagt der Verband – auftragsgemäß habe die IGES-Analyse aber allein auf MVZ sowie auf PEG-MVZ fokussiert, die in Bayern nach IGES-Angaben 0,67 Prozent der Versorgungsrelevanz ausmachen. Akzeptiert würden demnach MVZ in Vertragsarztträgerschaft, die als „inhabergeführt“ gälten. Der Verband wörtlich: „Im Umkehrschluss stehen nicht-inhabergeführte MVZ – also alle Zentren, bei denen sich ein zulässiger Träger, wie beispielsweise ein Krankenhaus, mit Hilfe von angestellten Ärzten in der ambulanten Versorgung engagiert – unter dem Generalverdacht, bloße Renditeobjekte zu sein, Sekundärinteressen zu verfolgen und/oder insgesamt die ordnungsgemäße Patientenversorgung zu gefährden. Dass es zu diesem Punkt Versorgungsforschung geben sollte, ist selbstverständlich. Allerdings wäre zur Versachlichung der zum MVZ-Thema grundsätzlich häufig emotional geführten Debatte hilfreich, ein neutrales Studiendesign zu wählen.“ Foto: AdobeStock_MQ-Illustrations 22 | POLITIK

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